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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Politik Z 8.
wie sie heisst. dann die executiv- und sicherheitspolizei, executoren,
gefängniswärter u. dgl., wobei er der elf und der phrouroi Athens
gedenkt.98) dann die militärischen beamten, der rechnungshof, endlich
der rat. damit sind die politischen behörden erschöpft. es folgen die
kirchlichen, denen einerseits die unterhaltung der heiligtümer und des
kirchengutes, andererseits das opferwesen zufällt; unter diesen figuriren
archonten und könige. ein anhang verzeichnet noch die mancher orten
vorkommenden behörden für erhaltung der guten sitte einerseits, für
öffentliche lustbarkeiten andererseits, von denen die ersteren besondern
sinn für zucht, die letzteren wolstand voraussetzen. es liegt hierin eine
bittere kritik Athens, die kaum dadurch abgeschwächt wird, dass Aristo-
teles hinzufügt, eine beschränkung der arbeitsfreiheit von frauen und
kindern wäre mit dem demokratischen prinzipe nicht vereinbar.99) De-

98) Dass die stelle keinen anstoss gibt, ist oben (s. 199) wol deutlich ge-
worden. zu bessern finde ich eine kleinigkeit 1321b 35 tas kriseis atasnn ek ton
dikasterion. eine interpolation aber steht am schlusse trion d ouson arkhon,
kath as airountai tines (vielmehr tas) arkhas tas kurias, nomophulakon proboulon
boules, oi men nomophulakes aristokratikon, oligarkhikon d oi probouloi, boule
de demotikon (1323a 7). das ist unsinn; was der verfasser etwa sagen wollte,
würde sein trian d ouson politeion pros as airountai tas arkhas tas kurias,
nomophulakas u. s. w. und das wäre noch nicht scharf. er meint, die massgebende
behörde ist verschieden je nach den verfassungen, und je nachdem nomophulakes oder
probouloi oder boule existiren, ist die verfassung so oder so. das ist töricht, denn
der name boule tut es wahrlich nicht, und was man sonst noch einwenden kann.
aber Aristoteles ist an dem unsinn ganz unschuldig. er weiss und sagt, dass 'ge-
setzeswächter' keine dem rate analoge behörde sind, sondern eine überhaupt nicht
organisch notwendige; sie gehören in eine reihe mit paidonomoi und gunaikonomoi
(1322b 39). probouloi und boule sind freilich analog (1322b 16), aber gerade die
ersteren sind ihrem namen nach nicht befugt selbst zu entscheiden, sondern nur
vorzuberaten, sie haben nicht das telos, das der rat häufig besitzt. also ist es ver-
kehrt, sie als charakteristisch für die oligarchie zu bezeichnen. 412 waren probulen
in Athen, 411 ein rat: dies historische beispiel ist schlagend. die interpolation
ist sachlich und sprachlich so elend, dass sie erst ganz spät sein kann. sie ist ja
auch ohne zusammenhang am ende des buches angeflickt. ich möchte sie erst für
byzantinisch halten. der archetypus unserer handschriften reicht nicht in das alter-
tum zurück.
99) Sein gedanke ist, die bauern und handwerker, die nicht alles durch sclaven be-
sorgen lassen können, sind in der demokratie bürger, folglich kann keine beschränkung
für die arbeit und das öffentliche erscheinen von bürgerfrauen und kindern durchgeführt
werden. also verlangt er, dass dieser ganze teil der bevölkerung, der selbst arbeitet,
von der bürgerschaft ausgeschlossen wird. sein staat ist dem platonischen sehr
ähnlich, er ist lediglich für den obersten stand zugeschnitten. nicht von fern aber
bezeugt er eine kleine sclavenzahl für Athen, sondern er kennt nur frauen, die sich

Politik Z 8.
wie sie heiſst. dann die executiv- und sicherheitspolizei, executoren,
gefängniswärter u. dgl., wobei er der elf und der φϱουϱοί Athens
gedenkt.98) dann die militärischen beamten, der rechnungshof, endlich
der rat. damit sind die politischen behörden erschöpft. es folgen die
kirchlichen, denen einerseits die unterhaltung der heiligtümer und des
kirchengutes, andererseits das opferwesen zufällt; unter diesen figuriren
archonten und könige. ein anhang verzeichnet noch die mancher orten
vorkommenden behörden für erhaltung der guten sitte einerseits, für
öffentliche lustbarkeiten andererseits, von denen die ersteren besondern
sinn für zucht, die letzteren wolstand voraussetzen. es liegt hierin eine
bittere kritik Athens, die kaum dadurch abgeschwächt wird, daſs Aristo-
teles hinzufügt, eine beschränkung der arbeitsfreiheit von frauen und
kindern wäre mit dem demokratischen prinzipe nicht vereinbar.99) De-

98) Daſs die stelle keinen anstoſs gibt, ist oben (s. 199) wol deutlich ge-
worden. zu bessern finde ich eine kleinigkeit 1321b 35 τὰς κϱίσεις áτὰςñ ἐκ τῶν
δικαστηϱίων. eine interpolation aber steht am schlusse τϱιῶν δ̕ οὐσῶν ἀϱχῶν,
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βουλῆς, οἱ μὲν νομοφύλακες ἀϱιστοκϱατικόν, ὀλιγαϱχικὸν δ̕ οἱ πϱόβουλοι, βουλὴ
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πϱόβουλοι oder βουλή existiren, ist die verfassung so oder so. das ist töricht, denn
der name βουλή tut es wahrlich nicht, und was man sonst noch einwenden kann.
aber Aristoteles ist an dem unsinn ganz unschuldig. er weiſs und sagt, daſs ‘ge-
setzeswächter’ keine dem rate analoge behörde sind, sondern eine überhaupt nicht
organisch notwendige; sie gehören in eine reihe mit παιδονόμοι und γυναικονόμοι
(1322b 39). πϱόβουλοι und βουλή sind freilich analog (1322b 16), aber gerade die
ersteren sind ihrem namen nach nicht befugt selbst zu entscheiden, sondern nur
vorzuberaten, sie haben nicht das τέλος, das der rat häufig besitzt. also ist es ver-
kehrt, sie als charakteristisch für die oligarchie zu bezeichnen. 412 waren probulen
in Athen, 411 ein rat: dies historische beispiel ist schlagend. die interpolation
ist sachlich und sprachlich so elend, daſs sie erst ganz spät sein kann. sie ist ja
auch ohne zusammenhang am ende des buches angeflickt. ich möchte sie erst für
byzantinisch halten. der archetypus unserer handschriften reicht nicht in das alter-
tum zurück.
99) Sein gedanke ist, die bauern und handwerker, die nicht alles durch sclaven be-
sorgen lassen können, sind in der demokratie bürger, folglich kann keine beschränkung
für die arbeit und das öffentliche erscheinen von bürgerfrauen und kindern durchgeführt
werden. also verlangt er, daſs dieser ganze teil der bevölkerung, der selbst arbeitet,
von der bürgerschaft ausgeschlossen wird. sein staat ist dem platonischen sehr
ähnlich, er ist lediglich für den obersten stand zugeschnitten. nicht von fern aber
bezeugt er eine kleine sclavenzahl für Athen, sondern er kennt nur frauen, die sich
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[235/0249] Politik Z 8. wie sie heiſst. dann die executiv- und sicherheitspolizei, executoren, gefängniswärter u. dgl., wobei er der elf und der φϱουϱοί Athens gedenkt. 98) dann die militärischen beamten, der rechnungshof, endlich der rat. damit sind die politischen behörden erschöpft. es folgen die kirchlichen, denen einerseits die unterhaltung der heiligtümer und des kirchengutes, andererseits das opferwesen zufällt; unter diesen figuriren archonten und könige. ein anhang verzeichnet noch die mancher orten vorkommenden behörden für erhaltung der guten sitte einerseits, für öffentliche lustbarkeiten andererseits, von denen die ersteren besondern sinn für zucht, die letzteren wolstand voraussetzen. es liegt hierin eine bittere kritik Athens, die kaum dadurch abgeschwächt wird, daſs Aristo- teles hinzufügt, eine beschränkung der arbeitsfreiheit von frauen und kindern wäre mit dem demokratischen prinzipe nicht vereinbar. 99) De- 98) Daſs die stelle keinen anstoſs gibt, ist oben (s. 199) wol deutlich ge- worden. zu bessern finde ich eine kleinigkeit 1321b 35 τὰς κϱίσεις áτὰςñ ἐκ τῶν δικαστηϱίων. eine interpolation aber steht am schlusse τϱιῶν δ̕ οὐσῶν ἀϱχῶν, καϑ̕ ἃς αἱϱοῦνται τινές (vielmehr τὰς) ἀϱχὰς τὰς κυϱίας, νομοφυλάκων πϱοβούλων βουλῆς, οἱ μὲν νομοφύλακες ἀϱιστοκϱατικόν, ὀλιγαϱχικὸν δ̕ οἱ πϱόβουλοι, βουλὴ δὲ δημοτικόν (1323a 7). das ist unsinn; was der verfasser etwa sagen wollte, würde sein τϱιᾶν δ̕ οὐσῶν πολιτειῶν πϱὸς ἃς αἱϱοῦνται τὰς ἀϱχὰς τὰς κυϱίας, νομοφύλακας u. s. w. und das wäre noch nicht scharf. er meint, die maſsgebende behörde ist verschieden je nach den verfassungen, und je nachdem νομοφύλακες oder πϱόβουλοι oder βουλή existiren, ist die verfassung so oder so. das ist töricht, denn der name βουλή tut es wahrlich nicht, und was man sonst noch einwenden kann. aber Aristoteles ist an dem unsinn ganz unschuldig. er weiſs und sagt, daſs ‘ge- setzeswächter’ keine dem rate analoge behörde sind, sondern eine überhaupt nicht organisch notwendige; sie gehören in eine reihe mit παιδονόμοι und γυναικονόμοι (1322b 39). πϱόβουλοι und βουλή sind freilich analog (1322b 16), aber gerade die ersteren sind ihrem namen nach nicht befugt selbst zu entscheiden, sondern nur vorzuberaten, sie haben nicht das τέλος, das der rat häufig besitzt. also ist es ver- kehrt, sie als charakteristisch für die oligarchie zu bezeichnen. 412 waren probulen in Athen, 411 ein rat: dies historische beispiel ist schlagend. die interpolation ist sachlich und sprachlich so elend, daſs sie erst ganz spät sein kann. sie ist ja auch ohne zusammenhang am ende des buches angeflickt. ich möchte sie erst für byzantinisch halten. der archetypus unserer handschriften reicht nicht in das alter- tum zurück. 99) Sein gedanke ist, die bauern und handwerker, die nicht alles durch sclaven be- sorgen lassen können, sind in der demokratie bürger, folglich kann keine beschränkung für die arbeit und das öffentliche erscheinen von bürgerfrauen und kindern durchgeführt werden. also verlangt er, daſs dieser ganze teil der bevölkerung, der selbst arbeitet, von der bürgerschaft ausgeschlossen wird. sein staat ist dem platonischen sehr ähnlich, er ist lediglich für den obersten stand zugeschnitten. nicht von fern aber bezeugt er eine kleine sclavenzahl für Athen, sondern er kennt nur frauen, die sich

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/249>, abgerufen am 22.11.2024.