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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Kimon.
Kimonos kai Perikleous kai Sokratous. man werfe nicht ein, dass
hier ja erst von Kimons descendenz geredet wird, es wird ja auch ihm
selbst nicht die volle nothrotes nachgesagt, sondern der ansatz dazu.
Aristoteles urteilt nun einmal über den adel eugeneis euteleis, und das
uralte Philaidengeschlecht artete allmählich aus. von Kimons söhnen
sind Lakedaimonios und Thessalos wenigstens nicht ganz tatenlos geblieben,
aber während Aristoteles die Politie schrieb, suchte man einen Lakiaden
Miltiades aus seinem ruhmlosen dunkel hervor, des namens wegen, als
gründer einer colonie im westlichen meere.26) dass dieselben züge in
minderer stärke schon der sohn des alten Miltiades getragen habe, passt
ganz zu der anschauung des Aristoteles. in wahrheit hatte Kimon sogar
schon von seinem grossvater dieses renommee geerbt, der den auch sonst
im attischen adel vorkommenden spitznamen Koalemos geführt haben
soll (Plut. Kim. 4. einleitung der scholien zum Kimon des Aristides).
der besitzer eines tyrannischen reichtums hat auch das mit den tyrannen
gemein gehabt, dass er sich einen hosstaat von künstlern und dichtern
hielt, die seine grosstaten und seine liebschaften verherrlichten. er
machte sich seine verse so wenig selbst wie Polykrates und Hieron; aber
er brauchte verse. wes brot sie assen, des lob sangen sie. aber mit
einem nothroteron ethos ist das lob des Melanthios und Archelaos und
Polygnotos wol vereinbar. Ion ist mehr als ein litterat, und wir dürfen
ihm glauben, dass Kimon es wol verstand, den wirt zu machen und beim
rundgesang mit anstand seinen vers vorzutragen. das gehörte sich in
dieser gesellschaft. dass die kleinen leute den splendiden herrn vergötterten,
wie der schreiber, den Kratinos seinen tod beklagen liess, ist begreiflich.
aber deshalb konnte Kimon ein mann sein wie die pindarischen helden.
wenn Stesimbrotos ihm nachsagt "dass er einen peloponnesischen ein-
druck gemacht hätte", so ist das in milder form dasselbe, was ich mög-
lichst objectiv, Aristoteles mit unhöflicher deutlichkeit ausspricht. und
Eupolis, der diesen helden nicht aus dem Hades heraufbeschworen hat,
nennt ihn philopotes kameles. der tyrann Kritias rühmt seine mega-
lophrosune, d. h. seine vornehme weise mit dem gelde zu wirtschaften,
aber er wirft ihm vor, das interesse des vaterlandes seinen lakonischen
sympathieen geopfert zu haben. seine taten zeigen auf das deutlichste,
dass er die eindrücke von 480 sein leben lang festgehalten hat, ohne
zuzulernen oder zu vergessen. in der tat hat er damit seinem vater-
lande im ganzen nur geschadet, am meisten durch seinen letzten zug,

26) CIA II 809 a.

Kimon.
Κίμωνος καὶ Πεϱικλέους καὶ Σωκϱάτους. man werfe nicht ein, daſs
hier ja erst von Kimons descendenz geredet wird, es wird ja auch ihm
selbst nicht die volle νωϑϱότης nachgesagt, sondern der ansatz dazu.
Aristoteles urteilt nun einmal über den adel εὐγενεῖς εὐτελεῖς, und das
uralte Philaidengeschlecht artete allmählich aus. von Kimons söhnen
sind Lakedaimonios und Thessalos wenigstens nicht ganz tatenlos geblieben,
aber während Aristoteles die Politie schrieb, suchte man einen Lakiaden
Miltiades aus seinem ruhmlosen dunkel hervor, des namens wegen, als
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ganz zu der anschauung des Aristoteles. in wahrheit hatte Kimon sogar
schon von seinem groſsvater dieses renommée geerbt, der den auch sonst
im attischen adel vorkommenden spitznamen Κοάλεμος geführt haben
soll (Plut. Kim. 4. einleitung der scholien zum Kimon des Aristides).
der besitzer eines tyrannischen reichtums hat auch das mit den tyrannen
gemein gehabt, daſs er sich einen hoſstaat von künstlern und dichtern
hielt, die seine groſstaten und seine liebschaften verherrlichten. er
machte sich seine verse so wenig selbst wie Polykrates und Hieron; aber
er brauchte verse. wes brot sie aſsen, des lob sangen sie. aber mit
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Polygnotos wol vereinbar. Ion ist mehr als ein litterat, und wir dürfen
ihm glauben, daſs Kimon es wol verstand, den wirt zu machen und beim
rundgesang mit anstand seinen vers vorzutragen. das gehörte sich in
dieser gesellschaft. daſs die kleinen leute den splendiden herrn vergötterten,
wie der schreiber, den Kratinos seinen tod beklagen lieſs, ist begreiflich.
aber deshalb konnte Kimon ein mann sein wie die pindarischen helden.
wenn Stesimbrotos ihm nachsagt “daſs er einen peloponnesischen ein-
druck gemacht hätte”, so ist das in milder form dasselbe, was ich mög-
lichst objectiv, Aristoteles mit unhöflicher deutlichkeit ausspricht. und
Eupolis, der diesen helden nicht aus dem Hades heraufbeschworen hat,
nennt ihn φιλοπότης κἀμελής. der tyrann Kritias rühmt seine μεγα-
λοφϱοσύνη, d. h. seine vornehme weise mit dem gelde zu wirtschaften,
aber er wirft ihm vor, das interesse des vaterlandes seinen lakonischen
sympathieen geopfert zu haben. seine taten zeigen auf das deutlichste,
daſs er die eindrücke von 480 sein leben lang festgehalten hat, ohne
zuzulernen oder zu vergessen. in der tat hat er damit seinem vater-
lande im ganzen nur geschadet, am meisten durch seinen letzten zug,

26) CIA II 809 a.
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[137/0151] Kimon. Κίμωνος καὶ Πεϱικλέους καὶ Σωκϱάτους. man werfe nicht ein, daſs hier ja erst von Kimons descendenz geredet wird, es wird ja auch ihm selbst nicht die volle νωϑϱότης nachgesagt, sondern der ansatz dazu. Aristoteles urteilt nun einmal über den adel εὐγενεῖς εὐτελεῖς, und das uralte Philaidengeschlecht artete allmählich aus. von Kimons söhnen sind Lakedaimonios und Thessalos wenigstens nicht ganz tatenlos geblieben, aber während Aristoteles die Politie schrieb, suchte man einen Lakiaden Miltiades aus seinem ruhmlosen dunkel hervor, des namens wegen, als gründer einer colonie im westlichen meere. 26) daſs dieselben züge in minderer stärke schon der sohn des alten Miltiades getragen habe, paſst ganz zu der anschauung des Aristoteles. in wahrheit hatte Kimon sogar schon von seinem groſsvater dieses renommée geerbt, der den auch sonst im attischen adel vorkommenden spitznamen Κοάλεμος geführt haben soll (Plut. Kim. 4. einleitung der scholien zum Kimon des Aristides). der besitzer eines tyrannischen reichtums hat auch das mit den tyrannen gemein gehabt, daſs er sich einen hoſstaat von künstlern und dichtern hielt, die seine groſstaten und seine liebschaften verherrlichten. er machte sich seine verse so wenig selbst wie Polykrates und Hieron; aber er brauchte verse. wes brot sie aſsen, des lob sangen sie. aber mit einem νωϑϱότεϱον ἦϑος ist das lob des Melanthios und Archelaos und Polygnotos wol vereinbar. Ion ist mehr als ein litterat, und wir dürfen ihm glauben, daſs Kimon es wol verstand, den wirt zu machen und beim rundgesang mit anstand seinen vers vorzutragen. das gehörte sich in dieser gesellschaft. daſs die kleinen leute den splendiden herrn vergötterten, wie der schreiber, den Kratinos seinen tod beklagen lieſs, ist begreiflich. aber deshalb konnte Kimon ein mann sein wie die pindarischen helden. wenn Stesimbrotos ihm nachsagt “daſs er einen peloponnesischen ein- druck gemacht hätte”, so ist das in milder form dasselbe, was ich mög- lichst objectiv, Aristoteles mit unhöflicher deutlichkeit ausspricht. und Eupolis, der diesen helden nicht aus dem Hades heraufbeschworen hat, nennt ihn φιλοπότης κἀμελής. der tyrann Kritias rühmt seine μεγα- λοφϱοσύνη, d. h. seine vornehme weise mit dem gelde zu wirtschaften, aber er wirft ihm vor, das interesse des vaterlandes seinen lakonischen sympathieen geopfert zu haben. seine taten zeigen auf das deutlichste, daſs er die eindrücke von 480 sein leben lang festgehalten hat, ohne zuzulernen oder zu vergessen. in der tat hat er damit seinem vater- lande im ganzen nur geschadet, am meisten durch seinen letzten zug, 26) CIA II 809 a.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/151>, abgerufen am 24.11.2024.