Wienbarg, Ludolf: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? Gegen Ersteres und für Letzteres. Hamburg, 1834.Die Ansteckung ist die Hauptkraft der öffentlichen Meinung und das Wunderbarste an ihr. Die wichtigsten Exekutoren der legislativen Gewalt öffentlicher Meinung sind aber in unserm Fall unstreitig die Schullehrer, insbesondere die auf dem Lande. Auf den Grad des Antheils, der Einsicht, des guten Willens dieser großen, nützlichen, im Stillen wirkenden Klasse von Staatsbürgern, deren Einfluß auf die Bildung der Landleute bedeutend größer ist, als der Pastoraleinfluß, kommt unendlich viel an. Fassen diese, wie es ihnen zukommt und wie zu erwarten, die Sache der Civilisation mit Eifer auf, durchdringen sie sich von der Nothwendigkeit einer ununterbrochenen Attake auf das Plattdeutsche, stehen sie, wie es ihre Gewohnheit ist, beharrlich auf ihrem Stück, so will ich sehen, welche wundergleiche Veränderung dieses schon im Ablauf von zehn Jahren in einem Verhältniß von Hoch zu Platt hervorbringen wird. Ihre Hauptaufgabe wäre, dahin zu streben, das Hochdeutsche vertraulicher und herzlicher zu machen - ein Weg, der nur durch die Fertigkeit und Unbekümmertheit der Zunge hindurchgeht. Ihre Arbeit ist in der Schule, in den Familien, vor der Kommüne. Was die Schule betrift, so würde ich den Rath geben, in den ersten Schuljahren die Kinder weder zum Schreiben noch zum Lesen anzuhalten, nur zum Sprechen. Das Warum leuchtet ein. Auch die Aelteren müßten häufiger mit Sprech- und Denkübungen beschäftigt werden - welche Gelegenheit zugleich auf den Verstand und durch diesen gegen die plattdeutsche Sprache zu wirken, in welcher dem Knaben von Haus aus alle frühere Vorurtheile und Dummheiten eingepropft sind. Besondere Rücksicht verdienen die Mädchen. Ihre Gemüther sind weicher, empfänglicher, ihr Organ, gewöhnlich auch ihr Verstand leichter zu bilden und - sie sollen einmal Mütter, Hausfrauen, das heißt auf dem Lande, für das jüngste Geschlecht im Hause alles in allem werden. Auch im älterlichen Hause bleibt viel zu wirken, besonders auf Hausfrauen und ältere Töchter; der heiterste, zwangloseste Gesellschafter Die Ansteckung ist die Hauptkraft der öffentlichen Meinung und das Wunderbarste an ihr. Die wichtigsten Exekutoren der legislativen Gewalt öffentlicher Meinung sind aber in unserm Fall unstreitig die Schullehrer, insbesondere die auf dem Lande. Auf den Grad des Antheils, der Einsicht, des guten Willens dieser großen, nützlichen, im Stillen wirkenden Klasse von Staatsbürgern, deren Einfluß auf die Bildung der Landleute bedeutend größer ist, als der Pastoraleinfluß, kommt unendlich viel an. Fassen diese, wie es ihnen zukommt und wie zu erwarten, die Sache der Civilisation mit Eifer auf, durchdringen sie sich von der Nothwendigkeit einer ununterbrochenen Attake auf das Plattdeutsche, stehen sie, wie es ihre Gewohnheit ist, beharrlich auf ihrem Stück, so will ich sehen, welche wundergleiche Veränderung dieses schon im Ablauf von zehn Jahren in einem Verhältniß von Hoch zu Platt hervorbringen wird. Ihre Hauptaufgabe wäre, dahin zu streben, das Hochdeutsche vertraulicher und herzlicher zu machen – ein Weg, der nur durch die Fertigkeit und Unbekümmertheit der Zunge hindurchgeht. Ihre Arbeit ist in der Schule, in den Familien, vor der Kommüne. Was die Schule betrift, so würde ich den Rath geben, in den ersten Schuljahren die Kinder weder zum Schreiben noch zum Lesen anzuhalten, nur zum Sprechen. Das Warum leuchtet ein. Auch die Aelteren müßten häufiger mit Sprech- und Denkübungen beschäftigt werden – welche Gelegenheit zugleich auf den Verstand und durch diesen gegen die plattdeutsche Sprache zu wirken, in welcher dem Knaben von Haus aus alle frühere Vorurtheile und Dummheiten eingepropft sind. Besondere Rücksicht verdienen die Mädchen. Ihre Gemüther sind weicher, empfänglicher, ihr Organ, gewöhnlich auch ihr Verstand leichter zu bilden und – sie sollen einmal Mütter, Hausfrauen, das heißt auf dem Lande, für das jüngste Geschlecht im Hause alles in allem werden. 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Die Ansteckung ist die Hauptkraft der öffentlichen Meinung und das Wunderbarste an ihr.
Die wichtigsten Exekutoren der legislativen Gewalt öffentlicher Meinung sind aber in unserm Fall unstreitig die Schullehrer, insbesondere die auf dem Lande. Auf den Grad des Antheils, der Einsicht, des guten Willens dieser großen, nützlichen, im Stillen wirkenden Klasse von Staatsbürgern, deren Einfluß auf die Bildung der Landleute bedeutend größer ist, als der Pastoraleinfluß, kommt unendlich viel an.
Fassen diese, wie es ihnen zukommt und wie zu erwarten, die Sache der Civilisation mit Eifer auf, durchdringen sie sich von der Nothwendigkeit einer ununterbrochenen Attake auf das Plattdeutsche, stehen sie, wie es ihre Gewohnheit ist, beharrlich auf ihrem Stück, so will ich sehen, welche wundergleiche Veränderung dieses schon im Ablauf von zehn Jahren in einem Verhältniß von Hoch zu Platt hervorbringen wird.
Ihre Hauptaufgabe wäre, dahin zu streben, das Hochdeutsche vertraulicher und herzlicher zu machen – ein Weg, der nur durch die Fertigkeit und Unbekümmertheit der Zunge hindurchgeht. Ihre Arbeit ist in der Schule, in den Familien, vor der Kommüne. Was die Schule betrift, so würde ich den Rath geben, in den ersten Schuljahren die Kinder weder zum Schreiben noch zum Lesen anzuhalten, nur zum Sprechen. Das Warum leuchtet ein. Auch die Aelteren müßten häufiger mit Sprech- und Denkübungen beschäftigt werden – welche Gelegenheit zugleich auf den Verstand und durch diesen gegen die plattdeutsche Sprache zu wirken, in welcher dem Knaben von Haus aus alle frühere Vorurtheile und Dummheiten eingepropft sind. Besondere Rücksicht verdienen die Mädchen. Ihre Gemüther sind weicher, empfänglicher, ihr Organ, gewöhnlich auch ihr Verstand leichter zu bilden und – sie sollen einmal Mütter, Hausfrauen, das heißt auf dem Lande, für das jüngste Geschlecht im Hause alles in allem werden. Auch im älterlichen Hause bleibt viel zu wirken, besonders auf Hausfrauen und ältere Töchter; der heiterste, zwangloseste Gesellschafter
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Zitationshilfe: | Wienbarg, Ludolf: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? Gegen Ersteres und für Letzteres. Hamburg, 1834, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_plattdeutsch_1834/43>, abgerufen am 16.07.2024. |