Menschen Anspruch zu machen, habe man sich nun mehr auf die eine oder auf die andere Seite des¬ selben geworfen, ist nicht und ersetzt nicht das Leben; wenn sie auch in naturgemäßem Zustande denkbar wäre, ohne Voraussetzung des Letzteren.
Denn es ist der Mensch nicht blos der Spie¬ gel, der die Schöpfung reflektirt und geistig wie¬ der auffaßt, er ist ja selbst eine Schöpfung und ihm angeboren ist das Recht und die Kraft, selbst etwas für sich zu sein und unter den Existenzen der Welt seinen Platz einzunehmen. Er soll sich dort behaupten durch selbsteigene schöpferische Thä¬ tigkeit, er soll, da wo er geboren ist, mit den Füßen Wurzel fassen in der Gegenwart und die Hand rühren zu Werken, welche sein flüchtiges Dasein beurkunden, er soll sich freuen an mensch¬ licher That, sich hingeben menschlichem Genusse, das Spiel seiner Kräfte entfalten, für Recht und Wahrheit in die Schranken treten, die Unschuld lieben, die Tugend ehren, die Lüge hassen, die Bosheit entlarven, den Frevel rächen, die Gefahr verachten, und wenn's nöthig, sein Leben für die höchsten Güter, sei's zur Erringung oder Behaup¬ tung derselben, für Freiheit und Vaterland in die Schanze zu schlagen.
Wir sind nicht blos auf die Welt gesetzt, um
Menſchen Anſpruch zu machen, habe man ſich nun mehr auf die eine oder auf die andere Seite deſ¬ ſelben geworfen, iſt nicht und erſetzt nicht das Leben; wenn ſie auch in naturgemaͤßem Zuſtande denkbar waͤre, ohne Vorausſetzung des Letzteren.
Denn es iſt der Menſch nicht blos der Spie¬ gel, der die Schoͤpfung reflektirt und geiſtig wie¬ der auffaßt, er iſt ja ſelbſt eine Schoͤpfung und ihm angeboren iſt das Recht und die Kraft, ſelbſt etwas fuͤr ſich zu ſein und unter den Exiſtenzen der Welt ſeinen Platz einzunehmen. Er ſoll ſich dort behaupten durch ſelbſteigene ſchoͤpferiſche Thaͤ¬ tigkeit, er ſoll, da wo er geboren iſt, mit den Fuͤßen Wurzel faſſen in der Gegenwart und die Hand ruͤhren zu Werken, welche ſein fluͤchtiges Daſein beurkunden, er ſoll ſich freuen an menſch¬ licher That, ſich hingeben menſchlichem Genuſſe, das Spiel ſeiner Kraͤfte entfalten, fuͤr Recht und Wahrheit in die Schranken treten, die Unſchuld lieben, die Tugend ehren, die Luͤge haſſen, die Bosheit entlarven, den Frevel raͤchen, die Gefahr verachten, und wenn's noͤthig, ſein Leben fuͤr die hoͤchſten Guͤter, ſei's zur Erringung oder Behaup¬ tung derſelben, fuͤr Freiheit und Vaterland in die Schanze zu ſchlagen.
Wir ſind nicht blos auf die Welt geſetzt, um
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Menſchen Anſpruch zu machen, habe man ſich nun
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das Leben; wenn ſie auch in naturgemaͤßem
Zuſtande denkbar waͤre, ohne Vorausſetzung des
Letzteren.
Denn es iſt der Menſch nicht blos der Spie¬
gel, der die Schoͤpfung reflektirt und geiſtig wie¬
der auffaßt, er iſt ja ſelbſt eine Schoͤpfung und
ihm angeboren iſt das Recht und die Kraft, ſelbſt
etwas fuͤr ſich zu ſein und unter den Exiſtenzen
der Welt ſeinen Platz einzunehmen. Er ſoll ſich
dort behaupten durch ſelbſteigene ſchoͤpferiſche Thaͤ¬
tigkeit, er ſoll, da wo er geboren iſt, mit den
Fuͤßen Wurzel faſſen in der Gegenwart und die
Hand ruͤhren zu Werken, welche ſein fluͤchtiges
Daſein beurkunden, er ſoll ſich freuen an menſch¬
licher That, ſich hingeben menſchlichem Genuſſe,
das Spiel ſeiner Kraͤfte entfalten, fuͤr Recht und
Wahrheit in die Schranken treten, die Unſchuld
lieben, die Tugend ehren, die Luͤge haſſen, die
Bosheit entlarven, den Frevel raͤchen, die Gefahr
verachten, und wenn's noͤthig, ſein Leben fuͤr die
hoͤchſten Guͤter, ſei's zur Erringung oder Behaup¬
tung derſelben, fuͤr Freiheit und Vaterland in die
Schanze zu ſchlagen.
Wir ſind nicht blos auf die Welt geſetzt, um
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/92>, abgerufen am 23.11.2024.
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