und sagt: mit der Philosophie auf vertrautem Fuß zu leben, obgleich euch diese verschleierte, edle Dame kaum dem Namen nach kennt.
Sie sehen hieraus, meine Herren, daß ich nicht der Meinung bin, als müsse die Lesung der Alten auf Schulen und was man sonst noch auf denselben zur Vorbereitung für die Akademie zu treiben pflegt, eine vorherrschende Richtung auf die Philosophie bekommen, im Gegentheil glaube ich, daß der Schulmann sich in dieser Hinsicht darauf zu beschränken hat, die geistreiche Fassung, die wunderbare Form und Schönheit bemerklich zu machen, wodurch sich die philosophischen Schrif¬ ten des Alterthums so sehr zu ihrem Vortheil von den neuen Schriftstellern der Philosophie unter¬ scheiden. Und sind es nicht überall vorzüglich diese idealen Formen des Alterthums, zu deren Anschauung und Würdigung der Schüler frühzeitig soll hingeleitet werden und auf denen am Ende die Frucht jener mühseligen und zeitraubenden Studien beruht, denen sich der Schüler unterzie¬ hen muß, um zum Verständniß der Quellen zu gelangen? Sind es nicht diese süßen, wohllau¬ tenden Töne der Ilias, an denen sein Ohr Har¬ monie und Rhythmik erlauschen soll, ist es nicht die klare und durchsichtige Darstellung der homeri¬ dischen Welt, die seinen Geist mit gewissem Zau¬
und ſagt: mit der Philoſophie auf vertrautem Fuß zu leben, obgleich euch dieſe verſchleierte, edle Dame kaum dem Namen nach kennt.
Sie ſehen hieraus, meine Herren, daß ich nicht der Meinung bin, als muͤſſe die Leſung der Alten auf Schulen und was man ſonſt noch auf denſelben zur Vorbereitung fuͤr die Akademie zu treiben pflegt, eine vorherrſchende Richtung auf die Philoſophie bekommen, im Gegentheil glaube ich, daß der Schulmann ſich in dieſer Hinſicht darauf zu beſchraͤnken hat, die geiſtreiche Faſſung, die wunderbare Form und Schoͤnheit bemerklich zu machen, wodurch ſich die philoſophiſchen Schrif¬ ten des Alterthums ſo ſehr zu ihrem Vortheil von den neuen Schriftſtellern der Philoſophie unter¬ ſcheiden. Und ſind es nicht uͤberall vorzuͤglich dieſe idealen Formen des Alterthums, zu deren Anſchauung und Wuͤrdigung der Schuͤler fruͤhzeitig ſoll hingeleitet werden und auf denen am Ende die Frucht jener muͤhſeligen und zeitraubenden Studien beruht, denen ſich der Schuͤler unterzie¬ hen muß, um zum Verſtaͤndniß der Quellen zu gelangen? Sind es nicht dieſe ſuͤßen, wohllau¬ tenden Toͤne der Ilias, an denen ſein Ohr Har¬ monie und Rhythmik erlauſchen ſoll, iſt es nicht die klare und durchſichtige Darſtellung der homeri¬ diſchen Welt, die ſeinen Geiſt mit gewiſſem Zau¬
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und ſagt: mit der Philoſophie auf vertrautem
Fuß zu leben, obgleich euch dieſe verſchleierte,
edle Dame kaum dem Namen nach kennt.
Sie ſehen hieraus, meine Herren, daß ich
nicht der Meinung bin, als muͤſſe die Leſung der
Alten auf Schulen und was man ſonſt noch auf
denſelben zur Vorbereitung fuͤr die Akademie zu
treiben pflegt, eine vorherrſchende Richtung auf
die Philoſophie bekommen, im Gegentheil glaube
ich, daß der Schulmann ſich in dieſer Hinſicht
darauf zu beſchraͤnken hat, die geiſtreiche Faſſung,
die wunderbare Form und Schoͤnheit bemerklich
zu machen, wodurch ſich die philoſophiſchen Schrif¬
ten des Alterthums ſo ſehr zu ihrem Vortheil von
den neuen Schriftſtellern der Philoſophie unter¬
ſcheiden. Und ſind es nicht uͤberall vorzuͤglich
dieſe idealen Formen des Alterthums, zu deren
Anſchauung und Wuͤrdigung der Schuͤler fruͤhzeitig
ſoll hingeleitet werden und auf denen am Ende
die Frucht jener muͤhſeligen und zeitraubenden
Studien beruht, denen ſich der Schuͤler unterzie¬
hen muß, um zum Verſtaͤndniß der Quellen zu
gelangen? Sind es nicht dieſe ſuͤßen, wohllau¬
tenden Toͤne der Ilias, an denen ſein Ohr Har¬
monie und Rhythmik erlauſchen ſoll, iſt es nicht
die klare und durchſichtige Darſtellung der homeri¬
diſchen Welt, die ſeinen Geiſt mit gewiſſem Zau¬
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/75>, abgerufen am 25.11.2024.
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