senschaft. Denn es ist eben das Leben der Alten, wie es in den Schriften derselben erscheint, wahr¬ haft geeignet, eine solche Vorbereitung zu bewerk¬ stelligen und eine Gesinnung und Gemüthsstim¬ mung zu erzeugen, die auf das Ideale in jeder Kunst und Wissenschaft gerichtet ist. Und schon allein das Studium, das ist das lebendige Ergrei¬ fen der schönsten platonischen Dialoge, in welchen die ewigen Ideen der Schönheit wie Fixsterne für alle Zeiten leuchten, ist hinlänglich, um die Weihe für ein ganzes Leben zu erhalten, hinlänglich zu¬ nächst, um auf das Studium der Philosophie und der mit der Philosophie unmittelbar verwandten, aus ihr entsprungenen und durch sie zu befestigen¬ den Wissenschaften eingeleitet zu werden; denn wie Böckh richtig sagt, in dem Maß, als der Jüngling ergriffen wird vom Geist der Alten, in demselben ist er fähiger zum Philosophiren. Aber man glaube nicht, daß man Philosophie studirt, wenn man sich die logische Technik zu eigen macht, wenn man Alles das lernt und weiß, was die Philosophen von Indien durch Griechenland bis nach Deutschland, von der ältesten Zeit bis auf die jetzige gewußt und nicht gewußt haben, wenn man ungekochte und unverdaute Meinungen über Gott und Welt in sein Hirn preßt, wenn man die Sprache der Philosophen als ein Abrakadabra
ſenſchaft. Denn es iſt eben das Leben der Alten, wie es in den Schriften derſelben erſcheint, wahr¬ haft geeignet, eine ſolche Vorbereitung zu bewerk¬ ſtelligen und eine Geſinnung und Gemuͤthsſtim¬ mung zu erzeugen, die auf das Ideale in jeder Kunſt und Wiſſenſchaft gerichtet iſt. Und ſchon allein das Studium, das iſt das lebendige Ergrei¬ fen der ſchoͤnſten platoniſchen Dialoge, in welchen die ewigen Ideen der Schoͤnheit wie Fixſterne fuͤr alle Zeiten leuchten, iſt hinlaͤnglich, um die Weihe fuͤr ein ganzes Leben zu erhalten, hinlaͤnglich zu¬ naͤchſt, um auf das Studium der Philoſophie und der mit der Philoſophie unmittelbar verwandten, aus ihr entſprungenen und durch ſie zu befeſtigen¬ den Wiſſenſchaften eingeleitet zu werden; denn wie Boͤckh richtig ſagt, in dem Maß, als der Juͤngling ergriffen wird vom Geiſt der Alten, in demſelben iſt er faͤhiger zum Philoſophiren. Aber man glaube nicht, daß man Philoſophie ſtudirt, wenn man ſich die logiſche Technik zu eigen macht, wenn man Alles das lernt und weiß, was die Philoſophen von Indien durch Griechenland bis nach Deutſchland, von der aͤlteſten Zeit bis auf die jetzige gewußt und nicht gewußt haben, wenn man ungekochte und unverdaute Meinungen uͤber Gott und Welt in ſein Hirn preßt, wenn man die Sprache der Philoſophen als ein Abrakadabra
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ſenſchaft. Denn es iſt eben das Leben der Alten,
wie es in den Schriften derſelben erſcheint, wahr¬
haft geeignet, eine ſolche Vorbereitung zu bewerk¬
ſtelligen und eine Geſinnung und Gemuͤthsſtim¬
mung zu erzeugen, die auf das Ideale in jeder
Kunſt und Wiſſenſchaft gerichtet iſt. Und ſchon
allein das Studium, das iſt das lebendige Ergrei¬
fen der ſchoͤnſten platoniſchen Dialoge, in welchen
die ewigen Ideen der Schoͤnheit wie Fixſterne fuͤr
alle Zeiten leuchten, iſt hinlaͤnglich, um die Weihe
fuͤr ein ganzes Leben zu erhalten, hinlaͤnglich zu¬
naͤchſt, um auf das Studium der Philoſophie und
der mit der Philoſophie unmittelbar verwandten,
aus ihr entſprungenen und durch ſie zu befeſtigen¬
den Wiſſenſchaften eingeleitet zu werden; denn
wie Boͤckh richtig ſagt, in dem Maß, als der
Juͤngling ergriffen wird vom Geiſt der Alten, in
demſelben iſt er faͤhiger zum Philoſophiren. Aber
man glaube nicht, daß man Philoſophie ſtudirt,
wenn man ſich die logiſche Technik zu eigen macht,
wenn man Alles das lernt und weiß, was die
Philoſophen von Indien durch Griechenland bis
nach Deutſchland, von der aͤlteſten Zeit bis auf
die jetzige gewußt und nicht gewußt haben, wenn
man ungekochte und unverdaute Meinungen uͤber
Gott und Welt in ſein Hirn preßt, wenn man
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/70>, abgerufen am 25.11.2024.
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