ist so weit aus dem Leben gerückt und das Leben selbst äußert sich noch so glatt, schwach, dürftig und widersprechend, daß es immer ein halbes Wun¬ der bleiben muß, wenn ein Voß, ein August Wolf mitten aus philologischem Wuste sich erheben und Funken poetischer Lebendigkeit ausströmen, die kein Mensch vor ihnen dieser Wissenschaft zutraute.
Wären und würden nun solche Männer häu¬ fig und häufiger, entvölkerten sich die Schulämter nach und nach von Leuten, die mit dem Alterthum nicht blos ein Sylbenstechen halten, konjugiren und dekliniren lehrten, sondern dessen Geist zu er¬ läutern und Jünglingen einzuflößen verständen, so würde dies eine Reaktion auf die Universitäten verursachen, welche sich auf alle die humanen und inhumanen Studien erstrecken würde, die man her¬ kömmlich auf ihnen treibt, und es würden nicht allein die sogenannten Brodstudien davon gut haben und zu Geiststudien aufrücken und mit der Humanität mehr Hand in Hand gehen, sondern auch selbst die humaniora würden humaner werden und nicht so leicht einer Geschichte und Philosophie nur darum etwas studiren, weil etwas Kenntniß davon im Examen verlangt wird, sondern aus innerm Antrieb, aus reiner Bildungslust und mit der, auf Schulen bereits erzielten Vorbereitung zum würdigen Eintritt in diese höhern Gebiete der Wis¬
iſt ſo weit aus dem Leben geruͤckt und das Leben ſelbſt aͤußert ſich noch ſo glatt, ſchwach, duͤrftig und widerſprechend, daß es immer ein halbes Wun¬ der bleiben muß, wenn ein Voß, ein Auguſt Wolf mitten aus philologiſchem Wuſte ſich erheben und Funken poetiſcher Lebendigkeit ausſtroͤmen, die kein Menſch vor ihnen dieſer Wiſſenſchaft zutraute.
Waͤren und wuͤrden nun ſolche Maͤnner haͤu¬ fig und haͤufiger, entvoͤlkerten ſich die Schulaͤmter nach und nach von Leuten, die mit dem Alterthum nicht blos ein Sylbenſtechen halten, konjugiren und dekliniren lehrten, ſondern deſſen Geiſt zu er¬ laͤutern und Juͤnglingen einzufloͤßen verſtaͤnden, ſo wuͤrde dies eine Reaktion auf die Univerſitaͤten verurſachen, welche ſich auf alle die humanen und inhumanen Studien erſtrecken wuͤrde, die man her¬ koͤmmlich auf ihnen treibt, und es wuͤrden nicht allein die ſogenannten Brodſtudien davon gut haben und zu Geiſtſtudien aufruͤcken und mit der Humanitaͤt mehr Hand in Hand gehen, ſondern auch ſelbſt die humaniora wuͤrden humaner werden und nicht ſo leicht einer Geſchichte und Philoſophie nur darum etwas ſtudiren, weil etwas Kenntniß davon im Examen verlangt wird, ſondern aus innerm Antrieb, aus reiner Bildungsluſt und mit der, auf Schulen bereits erzielten Vorbereitung zum wuͤrdigen Eintritt in dieſe hoͤhern Gebiete der Wiſ¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0069"n="55"/>
iſt ſo weit aus dem Leben geruͤckt und das Leben<lb/>ſelbſt aͤußert ſich noch ſo glatt, ſchwach, duͤrftig<lb/>
und widerſprechend, daß es immer ein halbes Wun¬<lb/>
der bleiben muß, wenn ein Voß, ein Auguſt Wolf<lb/>
mitten aus philologiſchem Wuſte ſich erheben und<lb/>
Funken poetiſcher Lebendigkeit ausſtroͤmen, die kein<lb/>
Menſch vor ihnen dieſer Wiſſenſchaft zutraute.</p><lb/><p>Waͤren und wuͤrden nun ſolche Maͤnner haͤu¬<lb/>
fig und haͤufiger, entvoͤlkerten ſich die Schulaͤmter<lb/>
nach und nach von Leuten, die mit dem Alterthum<lb/>
nicht blos ein Sylbenſtechen halten, konjugiren<lb/>
und dekliniren lehrten, ſondern deſſen Geiſt zu er¬<lb/>
laͤutern und Juͤnglingen einzufloͤßen verſtaͤnden, ſo<lb/>
wuͤrde dies eine Reaktion auf die Univerſitaͤten<lb/>
verurſachen, welche ſich auf alle die humanen und<lb/>
inhumanen Studien erſtrecken wuͤrde, die man her¬<lb/>
koͤmmlich auf ihnen treibt, und es wuͤrden nicht allein<lb/>
die ſogenannten Brodſtudien davon gut haben und<lb/>
zu Geiſtſtudien aufruͤcken und mit der Humanitaͤt<lb/>
mehr Hand in Hand gehen, ſondern auch ſelbſt<lb/>
die <hirendition="#aq">humaniora</hi> wuͤrden humaner werden und nicht<lb/>ſo leicht einer Geſchichte und Philoſophie nur<lb/>
darum etwas ſtudiren, weil etwas Kenntniß davon<lb/>
im Examen verlangt wird, ſondern aus innerm<lb/>
Antrieb, aus reiner Bildungsluſt und mit der,<lb/>
auf Schulen bereits erzielten Vorbereitung zum<lb/>
wuͤrdigen Eintritt in dieſe hoͤhern Gebiete der Wiſ¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[55/0069]
iſt ſo weit aus dem Leben geruͤckt und das Leben
ſelbſt aͤußert ſich noch ſo glatt, ſchwach, duͤrftig
und widerſprechend, daß es immer ein halbes Wun¬
der bleiben muß, wenn ein Voß, ein Auguſt Wolf
mitten aus philologiſchem Wuſte ſich erheben und
Funken poetiſcher Lebendigkeit ausſtroͤmen, die kein
Menſch vor ihnen dieſer Wiſſenſchaft zutraute.
Waͤren und wuͤrden nun ſolche Maͤnner haͤu¬
fig und haͤufiger, entvoͤlkerten ſich die Schulaͤmter
nach und nach von Leuten, die mit dem Alterthum
nicht blos ein Sylbenſtechen halten, konjugiren
und dekliniren lehrten, ſondern deſſen Geiſt zu er¬
laͤutern und Juͤnglingen einzufloͤßen verſtaͤnden, ſo
wuͤrde dies eine Reaktion auf die Univerſitaͤten
verurſachen, welche ſich auf alle die humanen und
inhumanen Studien erſtrecken wuͤrde, die man her¬
koͤmmlich auf ihnen treibt, und es wuͤrden nicht allein
die ſogenannten Brodſtudien davon gut haben und
zu Geiſtſtudien aufruͤcken und mit der Humanitaͤt
mehr Hand in Hand gehen, ſondern auch ſelbſt
die humaniora wuͤrden humaner werden und nicht
ſo leicht einer Geſchichte und Philoſophie nur
darum etwas ſtudiren, weil etwas Kenntniß davon
im Examen verlangt wird, ſondern aus innerm
Antrieb, aus reiner Bildungsluſt und mit der,
auf Schulen bereits erzielten Vorbereitung zum
wuͤrdigen Eintritt in dieſe hoͤhern Gebiete der Wiſ¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/69>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.