und bewegen sich in entgegengesetzten Elemen¬ ten. Die Schulbildung leitet in die alte klassische Welt, oder wenigstens macht Anstalten, bestrebt sich, gibt sich das Ansehen, dieses zu thun. Die Universitätsbildung dagegen bereitet vor zum prak¬ tischen Leben, zum Staatsdienst, zur Ausfüllung derjenigen Aemter, welche herkömmlich in diese große hölzerne Maschine eingreifen, welche wir unser öffentliches Leben nennen. Ich wüßte aber nicht, welche beide Richtungen sich kontrastirender nach ganz verschiedenen Regionen verlaufen, als die Richtung auf das Leben der Alten und auf unser Le¬ ben, sie berühren sich wirklich eben so nahe, als der Nordpol und der Südpol am Himmel, als Hemmung und Freiheit, Kunst und Unkunst, Poe¬ sie und Prosa, Geist und Geschmacklosigkeit, freier Marktplatz und enge Stube, bewußter Genuß und dumpfe Vegetation, Männerwürde und ergebenste Diener u. s. w. Doch wird es glücklicher oder unglücklicher Weise mit dem Studium des freien Alterthums auf unsern Schulen, nicht so gründ¬ lich ernsthaft gemeint, als sollte denn nun auch im Gemüth der Jugend aufgehen der Strahl, der jene untergegangene Welt verklärte, als sollte es in Liebe entflammen für den großen Sinn und die Großthaten einer Heldenwelt, als sollte es sich mit der ahnungsvollen frischen Begeisterung jener
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und bewegen ſich in entgegengeſetzten Elemen¬ ten. Die Schulbildung leitet in die alte klaſſiſche Welt, oder wenigſtens macht Anſtalten, beſtrebt ſich, gibt ſich das Anſehen, dieſes zu thun. Die Univerſitaͤtsbildung dagegen bereitet vor zum prak¬ tiſchen Leben, zum Staatsdienſt, zur Ausfuͤllung derjenigen Aemter, welche herkoͤmmlich in dieſe große hoͤlzerne Maſchine eingreifen, welche wir unſer oͤffentliches Leben nennen. Ich wuͤßte aber nicht, welche beide Richtungen ſich kontraſtirender nach ganz verſchiedenen Regionen verlaufen, als die Richtung auf das Leben der Alten und auf unſer Le¬ ben, ſie beruͤhren ſich wirklich eben ſo nahe, als der Nordpol und der Suͤdpol am Himmel, als Hemmung und Freiheit, Kunſt und Unkunſt, Poe¬ ſie und Proſa, Geiſt und Geſchmackloſigkeit, freier Marktplatz und enge Stube, bewußter Genuß und dumpfe Vegetation, Maͤnnerwuͤrde und ergebenſte Diener u. ſ. w. Doch wird es gluͤcklicher oder ungluͤcklicher Weiſe mit dem Studium des freien Alterthums auf unſern Schulen, nicht ſo gruͤnd¬ lich ernſthaft gemeint, als ſollte denn nun auch im Gemuͤth der Jugend aufgehen der Strahl, der jene untergegangene Welt verklaͤrte, als ſollte es in Liebe entflammen fuͤr den großen Sinn und die Großthaten einer Heldenwelt, als ſollte es ſich mit der ahnungsvollen friſchen Begeiſterung jener
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und bewegen ſich in entgegengeſetzten Elemen¬
ten. Die Schulbildung leitet in die alte klaſſiſche
Welt, oder wenigſtens macht Anſtalten, beſtrebt
ſich, gibt ſich das Anſehen, dieſes zu thun. Die
Univerſitaͤtsbildung dagegen bereitet vor zum prak¬
tiſchen Leben, zum Staatsdienſt, zur Ausfuͤllung
derjenigen Aemter, welche herkoͤmmlich in dieſe
große hoͤlzerne Maſchine eingreifen, welche wir
unſer oͤffentliches Leben nennen. Ich wuͤßte aber
nicht, welche beide Richtungen ſich kontraſtirender
nach ganz verſchiedenen Regionen verlaufen, als die
Richtung auf das Leben der Alten und auf unſer Le¬
ben, ſie beruͤhren ſich wirklich eben ſo nahe, als
der Nordpol und der Suͤdpol am Himmel, als
Hemmung und Freiheit, Kunſt und Unkunſt, Poe¬
ſie und Proſa, Geiſt und Geſchmackloſigkeit, freier
Marktplatz und enge Stube, bewußter Genuß und
dumpfe Vegetation, Maͤnnerwuͤrde und ergebenſte
Diener u. ſ. w. Doch wird es gluͤcklicher oder
ungluͤcklicher Weiſe mit dem Studium des freien
Alterthums auf unſern Schulen, nicht ſo gruͤnd¬
lich ernſthaft gemeint, als ſollte denn nun auch
im Gemuͤth der Jugend aufgehen der Strahl, der
jene untergegangene Welt verklaͤrte, als ſollte es
in Liebe entflammen fuͤr den großen Sinn und
die Großthaten einer Heldenwelt, als ſollte es ſich
mit der ahnungsvollen friſchen Begeiſterung jener
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/65>, abgerufen am 24.11.2024.
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