Franzosen, sondern auch dem bedächtigen Englän¬ der, ja selbst dem knechtisch-feigen Italiener ein willkommner satyrischer Stoff sind -- sondern der Glaube an unsere Nation, das Vertrauen auf die Zeit, die Rosen und Ketten bricht, die Kenntniß unserer Geschichte, die uns einen Spiegel vorhält, worin wir eine bessere und glänzendere Vorzeit be¬ schauen.
Ja, ich bin im Gegentheil so weit entfernt von Kleinmuth, daß ich der Ueberzeugung lebe, keine einzige von den großen europäischen Natio¬ nen sei von der Natur besser bedacht, als eben die unsrige. Das sehen wir am Mittelalter, an demselben Mittelalter, das, als es veraltet war, Luthers Hand, und der dreißigjährige Krieg, und der siebenjährige, und die Revolution und Napo¬ leon und die Befreiungskriege, Alles, was auf Deutschland losgestürmt hat, nicht so weit hat zer¬ stören und abbrechen können, daß nicht noch ge¬ genwärtig die alten zerbröckelten Säulen und Bo¬ gengänge in Schulen und auf Universitäten, in Kirche und Staat vor unsern Augen daständen, und uns an eine Zeit ermahnten, deren geistiges Prinzip längst untergegangen ist, deren leiblicher Schutt aber noch immer unausgekehrt, Leben und Wachsthum hemmend in der Gegenwart liegt. So großartig baute jenes granitne Mittelalter,
Franzoſen, ſondern auch dem bedaͤchtigen Englaͤn¬ der, ja ſelbſt dem knechtiſch-feigen Italiener ein willkommner ſatyriſcher Stoff ſind — ſondern der Glaube an unſere Nation, das Vertrauen auf die Zeit, die Roſen und Ketten bricht, die Kenntniß unſerer Geſchichte, die uns einen Spiegel vorhaͤlt, worin wir eine beſſere und glaͤnzendere Vorzeit be¬ ſchauen.
Ja, ich bin im Gegentheil ſo weit entfernt von Kleinmuth, daß ich der Ueberzeugung lebe, keine einzige von den großen europaͤiſchen Natio¬ nen ſei von der Natur beſſer bedacht, als eben die unſrige. Das ſehen wir am Mittelalter, an demſelben Mittelalter, das, als es veraltet war, Luthers Hand, und der dreißigjaͤhrige Krieg, und der ſiebenjaͤhrige, und die Revolution und Napo¬ leon und die Befreiungskriege, Alles, was auf Deutſchland losgeſtuͤrmt hat, nicht ſo weit hat zer¬ ſtoͤren und abbrechen koͤnnen, daß nicht noch ge¬ genwaͤrtig die alten zerbroͤckelten Saͤulen und Bo¬ gengaͤnge in Schulen und auf Univerſitaͤten, in Kirche und Staat vor unſern Augen daſtaͤnden, und uns an eine Zeit ermahnten, deren geiſtiges Prinzip laͤngſt untergegangen iſt, deren leiblicher Schutt aber noch immer unausgekehrt, Leben und Wachsthum hemmend in der Gegenwart liegt. So großartig baute jenes granitne Mittelalter,
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Franzoſen, ſondern auch dem bedaͤchtigen Englaͤn¬
der, ja ſelbſt dem knechtiſch-feigen Italiener ein
willkommner ſatyriſcher Stoff ſind — ſondern der
Glaube an unſere Nation, das Vertrauen auf die
Zeit, die Roſen und Ketten bricht, die Kenntniß
unſerer Geſchichte, die uns einen Spiegel vorhaͤlt,
worin wir eine beſſere und glaͤnzendere Vorzeit be¬
ſchauen.
Ja, ich bin im Gegentheil ſo weit entfernt
von Kleinmuth, daß ich der Ueberzeugung lebe,
keine einzige von den großen europaͤiſchen Natio¬
nen ſei von der Natur beſſer bedacht, als eben
die unſrige. Das ſehen wir am Mittelalter, an
demſelben Mittelalter, das, als es veraltet war,
Luthers Hand, und der dreißigjaͤhrige Krieg, und
der ſiebenjaͤhrige, und die Revolution und Napo¬
leon und die Befreiungskriege, Alles, was auf
Deutſchland losgeſtuͤrmt hat, nicht ſo weit hat zer¬
ſtoͤren und abbrechen koͤnnen, daß nicht noch ge¬
genwaͤrtig die alten zerbroͤckelten Saͤulen und Bo¬
gengaͤnge in Schulen und auf Univerſitaͤten, in
Kirche und Staat vor unſern Augen daſtaͤnden,
und uns an eine Zeit ermahnten, deren geiſtiges
Prinzip laͤngſt untergegangen iſt, deren leiblicher
Schutt aber noch immer unausgekehrt, Leben und
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/34>, abgerufen am 22.11.2024.
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