Da dem Deutschen, fährt Jean Paul saty¬ risch-witzig fort, folglich zum Witz nichts fehlt, als Freiheit, so geb' er sich doch diese. Etwas glaubte er freilich für diese zu thun, daß er neue¬ rer Zeit ein und das andere rheinische Länderstück in Freiheit setzte, nämlich in französische und wie sonst den Adel, so jetzt (dieser Aufsatz ist unter Napo¬ leons Herrschaft geschrieben) die besten Länder, zur Bildung so zu sagen auf Reisen schickte zu einem Volk, das gewiß noch mehr frei ist, als groß.
Hier ist nur ein alter, aber unschuldiger Weltzirkel, der überall wieder vorkommt. Die Menschheit kann nie zur Freiheit gelangen ohne geistige hohe Ausbildung: Freiheit gibt Witz und Witz gibt Freiheit. Die Schuljugend übe man im Witz; das spätere Alter lasse sich zu dem Witz freilassen.
So weit Jean Paul. Er selbst hat zur gei¬ stigen Emanzipation der Deutschen durch Humor und Witz, mehr als irgend ein anderer Schrift¬ steller seiner Zeit, beigetragen. Ihm stand mehr Witz zu Gebot, als allen deutschen Schriftstellern zusammengenommen, eine einzige Seite seiner Schriften wird selbst durch den witzigsten Franzo¬ sen und Engländer kaum durch vier andere Sei¬ ten aufgewogen. Dennoch mangelte seinem Witz der Charakter der Einheit, welchen die Kunst und
Da dem Deutſchen, faͤhrt Jean Paul ſaty¬ riſch-witzig fort, folglich zum Witz nichts fehlt, als Freiheit, ſo geb' er ſich doch dieſe. Etwas glaubte er freilich fuͤr dieſe zu thun, daß er neue¬ rer Zeit ein und das andere rheiniſche Laͤnderſtuͤck in Freiheit ſetzte, naͤmlich in franzoͤſiſche und wie ſonſt den Adel, ſo jetzt (dieſer Aufſatz iſt unter Napo¬ leons Herrſchaft geſchrieben) die beſten Laͤnder, zur Bildung ſo zu ſagen auf Reiſen ſchickte zu einem Volk, das gewiß noch mehr frei iſt, als groß.
Hier iſt nur ein alter, aber unſchuldiger Weltzirkel, der uͤberall wieder vorkommt. Die Menſchheit kann nie zur Freiheit gelangen ohne geiſtige hohe Ausbildung: Freiheit gibt Witz und Witz gibt Freiheit. Die Schuljugend uͤbe man im Witz; das ſpaͤtere Alter laſſe ſich zu dem Witz freilaſſen.
So weit Jean Paul. Er ſelbſt hat zur gei¬ ſtigen Emanzipation der Deutſchen durch Humor und Witz, mehr als irgend ein anderer Schrift¬ ſteller ſeiner Zeit, beigetragen. Ihm ſtand mehr Witz zu Gebot, als allen deutſchen Schriftſtellern zuſammengenommen, eine einzige Seite ſeiner Schriften wird ſelbſt durch den witzigſten Franzo¬ ſen und Englaͤnder kaum durch vier andere Sei¬ ten aufgewogen. Dennoch mangelte ſeinem Witz der Charakter der Einheit, welchen die Kunſt und
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Da dem Deutſchen, faͤhrt Jean Paul ſaty¬
riſch-witzig fort, folglich zum Witz nichts fehlt,
als Freiheit, ſo geb' er ſich doch dieſe. Etwas
glaubte er freilich fuͤr dieſe zu thun, daß er neue¬
rer Zeit ein und das andere rheiniſche Laͤnderſtuͤck
in Freiheit ſetzte, naͤmlich in franzoͤſiſche und wie
ſonſt den Adel, ſo jetzt (dieſer Aufſatz iſt unter Napo¬
leons Herrſchaft geſchrieben) die beſten Laͤnder, zur
Bildung ſo zu ſagen auf Reiſen ſchickte zu einem
Volk, das gewiß noch mehr frei iſt, als groß.
Hier iſt nur ein alter, aber unſchuldiger
Weltzirkel, der uͤberall wieder vorkommt. Die
Menſchheit kann nie zur Freiheit gelangen ohne
geiſtige hohe Ausbildung: Freiheit gibt Witz und
Witz gibt Freiheit. Die Schuljugend uͤbe man
im Witz; das ſpaͤtere Alter laſſe ſich zu dem Witz
freilaſſen.
So weit Jean Paul. Er ſelbſt hat zur gei¬
ſtigen Emanzipation der Deutſchen durch Humor
und Witz, mehr als irgend ein anderer Schrift¬
ſteller ſeiner Zeit, beigetragen. Ihm ſtand mehr
Witz zu Gebot, als allen deutſchen Schriftſtellern
zuſammengenommen, eine einzige Seite ſeiner
Schriften wird ſelbſt durch den witzigſten Franzo¬
ſen und Englaͤnder kaum durch vier andere Sei¬
ten aufgewogen. Dennoch mangelte ſeinem Witz
der Charakter der Einheit, welchen die Kunſt und
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/317>, abgerufen am 22.11.2024.
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