lichkeit, besonders auch ihren Umgang mit der französischen Schwester, welcher sie außerordentlich viel zu verdanken hat. Der deutsche Prosaist ist seit der französischen Revolution und eben durch französische Schriften, Herr und Meister geworden über das ungeheure Material der Sprache, das den frühern Schriftstellern in ellenlangen Perioden nachschleppte, von Goethe aber freilich schon zu Kunstarbeiten glücklich verzimmert worden war. Die größte Meisterschaft hat sich Heine darin er¬ worben, der den flüchtigen Ruhm, Liederdichter zu sein, sehr bald mit dem größeren vertauscht hat, auf dem kolossalen, alle Töne der Welt umfassen¬ den Instrument zu spielen, das unsere deutsche Prosa darbietet.
Die Witzader ist bekanntlich die Hauptader der Heineschen Prosa, ja der ganzen Heineschen Person, der immer etwas auf den Lippen schwebt, was einem Witz ähnlich sieht. Der Witz ist das, was Heine's Schriften so verbreitet und wirksam macht, was aber auch zugleich die steifen Herren, die aristokratischen Herren, die pfäffischen Herren wider sie aufbringt. Es ist überhaupt in Deutsch¬ land noch nicht lange her, daß es den Schrift¬ stellern ungestraft hinging, witzig zu sein; die meisten Schriftsteller gehörten zur Klasse der Ge¬
lichkeit, beſonders auch ihren Umgang mit der franzoͤſiſchen Schweſter, welcher ſie außerordentlich viel zu verdanken hat. Der deutſche Proſaiſt iſt ſeit der franzoͤſiſchen Revolution und eben durch franzoͤſiſche Schriften, Herr und Meiſter geworden uͤber das ungeheure Material der Sprache, das den fruͤhern Schriftſtellern in ellenlangen Perioden nachſchleppte, von Goethe aber freilich ſchon zu Kunſtarbeiten gluͤcklich verzimmert worden war. Die groͤßte Meiſterſchaft hat ſich Heine darin er¬ worben, der den fluͤchtigen Ruhm, Liederdichter zu ſein, ſehr bald mit dem groͤßeren vertauſcht hat, auf dem koloſſalen, alle Toͤne der Welt umfaſſen¬ den Inſtrument zu ſpielen, das unſere deutſche Proſa darbietet.
Die Witzader iſt bekanntlich die Hauptader der Heineſchen Proſa, ja der ganzen Heineſchen Perſon, der immer etwas auf den Lippen ſchwebt, was einem Witz aͤhnlich ſieht. Der Witz iſt das, was Heine's Schriften ſo verbreitet und wirkſam macht, was aber auch zugleich die ſteifen Herren, die ariſtokratiſchen Herren, die pfaͤffiſchen Herren wider ſie aufbringt. Es iſt uͤberhaupt in Deutſch¬ land noch nicht lange her, daß es den Schrift¬ ſtellern ungeſtraft hinging, witzig zu ſein; die meiſten Schriftſteller gehoͤrten zur Klaſſe der Ge¬
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lichkeit, beſonders auch ihren Umgang mit der
franzoͤſiſchen Schweſter, welcher ſie außerordentlich
viel zu verdanken hat. Der deutſche Proſaiſt iſt
ſeit der franzoͤſiſchen Revolution und eben durch
franzoͤſiſche Schriften, Herr und Meiſter geworden
uͤber das ungeheure Material der Sprache, das
den fruͤhern Schriftſtellern in ellenlangen Perioden
nachſchleppte, von Goethe aber freilich ſchon zu
Kunſtarbeiten gluͤcklich verzimmert worden war.
Die groͤßte Meiſterſchaft hat ſich Heine darin er¬
worben, der den fluͤchtigen Ruhm, Liederdichter zu
ſein, ſehr bald mit dem groͤßeren vertauſcht hat,
auf dem koloſſalen, alle Toͤne der Welt umfaſſen¬
den Inſtrument zu ſpielen, das unſere deutſche
Proſa darbietet.
Die Witzader iſt bekanntlich die Hauptader
der Heineſchen Proſa, ja der ganzen Heineſchen
Perſon, der immer etwas auf den Lippen ſchwebt,
was einem Witz aͤhnlich ſieht. Der Witz iſt das,
was Heine's Schriften ſo verbreitet und wirkſam
macht, was aber auch zugleich die ſteifen Herren,
die ariſtokratiſchen Herren, die pfaͤffiſchen Herren
wider ſie aufbringt. Es iſt uͤberhaupt in Deutſch¬
land noch nicht lange her, daß es den Schrift¬
ſtellern ungeſtraft hinging, witzig zu ſein; die
meiſten Schriftſteller gehoͤrten zur Klaſſe der Ge¬
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/314>, abgerufen am 22.11.2024.
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