mons, und eben darum, weil wir im Stande sind, sie zu fühlen, entsagen wir dem nichtigen Kampf der Eitelkeit und verschreiben und ergeben uns ihm, um unsere Brust mit einem Gefühl anzuschwellen, das uns glücklicher, gewisser und stärker macht, als das Gefühl unserer eignen Exi¬ stenz, entblößt und nackt von jener Magie des fremden Willens. Dies ist wahr und gereicht uns zur Ehre, allein wir müssen eingestehen, daß die Rezeptivität für die Größe einer Persönlichkeit in uns sich theils nicht immer nach der geistigen Größe der Person, sondern oft nur nach ihrer äußern, angebornen richte, theils und überhaupt abhängig sei von dem mehr oder minder ent¬ schiedenen und thätigen Zustand unserer Seele, so daß wir, wenn wir selbst am Entschlos¬ sensten und Thätigsten sind, uns in dem Maaß am Wenigsten aufgelegt fühlen, in einem blos passiven und bewundernden Zustand überzugehen. Dieser Zustand der Entschlossenheit und Thätigkeit der Kraft des Selbstbewußtseins mangelte aber durchaus dem Deutschland, das Klopstock's Alter und Goethe's Jugend sah. Deutschland war so lange verödet gewesen an Helden und Dichtern, da erschien Friedrich und Klopstock und die Deut¬ schen gaben sich unbedingt dem Zuge ihres Her¬ zens hin, füllten ihre Phantasie mit den Bildern
mons, und eben darum, weil wir im Stande ſind, ſie zu fuͤhlen, entſagen wir dem nichtigen Kampf der Eitelkeit und verſchreiben und ergeben uns ihm, um unſere Bruſt mit einem Gefuͤhl anzuſchwellen, das uns gluͤcklicher, gewiſſer und ſtaͤrker macht, als das Gefuͤhl unſerer eignen Exi¬ ſtenz, entbloͤßt und nackt von jener Magie des fremden Willens. Dies iſt wahr und gereicht uns zur Ehre, allein wir muͤſſen eingeſtehen, daß die Rezeptivitaͤt fuͤr die Groͤße einer Perſoͤnlichkeit in uns ſich theils nicht immer nach der geiſtigen Groͤße der Perſon, ſondern oft nur nach ihrer aͤußern, angebornen richte, theils und uͤberhaupt abhaͤngig ſei von dem mehr oder minder ent¬ ſchiedenen und thaͤtigen Zuſtand unſerer Seele, ſo daß wir, wenn wir ſelbſt am Entſchloſ¬ ſenſten und Thaͤtigſten ſind, uns in dem Maaß am Wenigſten aufgelegt fuͤhlen, in einem blos paſſiven und bewundernden Zuſtand uͤberzugehen. Dieſer Zuſtand der Entſchloſſenheit und Thaͤtigkeit der Kraft des Selbſtbewußtſeins mangelte aber durchaus dem Deutſchland, das Klopſtock's Alter und Goethe's Jugend ſah. Deutſchland war ſo lange veroͤdet geweſen an Helden und Dichtern, da erſchien Friedrich und Klopſtock und die Deut¬ ſchen gaben ſich unbedingt dem Zuge ihres Her¬ zens hin, fuͤllten ihre Phantaſie mit den Bildern
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0277"n="263"/>
mons, und eben darum, weil wir im Stande<lb/>ſind, ſie zu fuͤhlen, entſagen wir dem nichtigen<lb/>
Kampf der Eitelkeit und verſchreiben und ergeben<lb/>
uns ihm, um unſere Bruſt mit einem Gefuͤhl<lb/>
anzuſchwellen, das uns gluͤcklicher, gewiſſer und<lb/>ſtaͤrker macht, als das Gefuͤhl unſerer eignen Exi¬<lb/>ſtenz, entbloͤßt und nackt von jener Magie des<lb/>
fremden Willens. Dies iſt wahr und gereicht uns<lb/>
zur Ehre, allein wir muͤſſen eingeſtehen, daß die<lb/>
Rezeptivitaͤt fuͤr die Groͤße einer Perſoͤnlichkeit in<lb/>
uns ſich theils nicht immer nach der geiſtigen<lb/>
Groͤße der Perſon, ſondern oft nur nach ihrer<lb/>
aͤußern, angebornen richte, theils und uͤberhaupt<lb/>
abhaͤngig ſei von dem mehr oder minder <hirendition="#g">ent</hi>¬<lb/><hirendition="#g">ſchiedenen</hi> und <hirendition="#g">thaͤtigen</hi> Zuſtand unſerer<lb/>
Seele, ſo daß wir, wenn wir ſelbſt am Entſchloſ¬<lb/>ſenſten und Thaͤtigſten ſind, uns in dem Maaß<lb/>
am Wenigſten aufgelegt fuͤhlen, in einem blos<lb/>
paſſiven und bewundernden Zuſtand uͤberzugehen.<lb/>
Dieſer Zuſtand der Entſchloſſenheit und Thaͤtigkeit<lb/>
der Kraft des Selbſtbewußtſeins mangelte aber<lb/>
durchaus dem Deutſchland, das Klopſtock's Alter<lb/>
und Goethe's Jugend ſah. Deutſchland war ſo<lb/>
lange veroͤdet geweſen an Helden und Dichtern,<lb/>
da erſchien Friedrich und Klopſtock und die Deut¬<lb/>ſchen gaben ſich unbedingt dem Zuge ihres Her¬<lb/>
zens hin, fuͤllten ihre Phantaſie mit den Bildern<lb/></p></div></body></text></TEI>
[263/0277]
mons, und eben darum, weil wir im Stande
ſind, ſie zu fuͤhlen, entſagen wir dem nichtigen
Kampf der Eitelkeit und verſchreiben und ergeben
uns ihm, um unſere Bruſt mit einem Gefuͤhl
anzuſchwellen, das uns gluͤcklicher, gewiſſer und
ſtaͤrker macht, als das Gefuͤhl unſerer eignen Exi¬
ſtenz, entbloͤßt und nackt von jener Magie des
fremden Willens. Dies iſt wahr und gereicht uns
zur Ehre, allein wir muͤſſen eingeſtehen, daß die
Rezeptivitaͤt fuͤr die Groͤße einer Perſoͤnlichkeit in
uns ſich theils nicht immer nach der geiſtigen
Groͤße der Perſon, ſondern oft nur nach ihrer
aͤußern, angebornen richte, theils und uͤberhaupt
abhaͤngig ſei von dem mehr oder minder ent¬
ſchiedenen und thaͤtigen Zuſtand unſerer
Seele, ſo daß wir, wenn wir ſelbſt am Entſchloſ¬
ſenſten und Thaͤtigſten ſind, uns in dem Maaß
am Wenigſten aufgelegt fuͤhlen, in einem blos
paſſiven und bewundernden Zuſtand uͤberzugehen.
Dieſer Zuſtand der Entſchloſſenheit und Thaͤtigkeit
der Kraft des Selbſtbewußtſeins mangelte aber
durchaus dem Deutſchland, das Klopſtock's Alter
und Goethe's Jugend ſah. Deutſchland war ſo
lange veroͤdet geweſen an Helden und Dichtern,
da erſchien Friedrich und Klopſtock und die Deut¬
ſchen gaben ſich unbedingt dem Zuge ihres Her¬
zens hin, fuͤllten ihre Phantaſie mit den Bildern
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/277>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.