gänger, ein Enthusiast für Friedrichs Siege und Eroberungen gewesen, so gut, wie Vater Gleim und der Frühlingssänger Kleist. Ich weiß nicht, wer es gesagt hat, aber es ist wahr, es liegt eine Ader in der menschlichen Natur, die muß bewun¬ dern und anbeten. Ich glaube, der Deutsche hat am meisten von dieser Art, es ist ihm von jeher ein Bedürfniß des Herzens gewesen, große, ent¬ schiedene, machtvolle, Resignation, Unterwürfig¬ keit gebietende Persönlichkeiten lebhaft zu verehren, kindlich-fromm unter die Heiligen seines Gemüths aufzunehmen. Wer wollte diesen Zug verdammen, gehört er doch mit zu den schönen, leider nur zu sehr geschwächten und entstellten Zügen unseres Nationalcharakters, wie die Geschichte uns densel¬ ben vor Augen führt. Das Thier bewundert den Menschen nicht, aber der Mensch den Engel, den Gott. In der Bewunderung eines über uns er¬ habenen Wesens liegt etwas vom Stoff jener Er¬ habenheit, die wir bewundern, etwas Heroisches, was der Knechtssinn nicht ahnt, der nur mit hün¬ discher Natur die Macht anwedelt, deren Ueberle¬ genheit ihm Prügel und Essen verschafft. Wir entäußern uns, nicht aus Furcht oder Interesse, sondern freiwillig unseres kleinen Ichs, um be¬ scheidentlich ein größeres Ich in uns walten zu lassen, wir fühlen die Nähe eines göttlichen Dä¬
gaͤnger, ein Enthuſiaſt fuͤr Friedrichs Siege und Eroberungen geweſen, ſo gut, wie Vater Gleim und der Fruͤhlingsſaͤnger Kleiſt. Ich weiß nicht, wer es geſagt hat, aber es iſt wahr, es liegt eine Ader in der menſchlichen Natur, die muß bewun¬ dern und anbeten. Ich glaube, der Deutſche hat am meiſten von dieſer Art, es iſt ihm von jeher ein Beduͤrfniß des Herzens geweſen, große, ent¬ ſchiedene, machtvolle, Reſignation, Unterwuͤrfig¬ keit gebietende Perſoͤnlichkeiten lebhaft zu verehren, kindlich-fromm unter die Heiligen ſeines Gemuͤths aufzunehmen. Wer wollte dieſen Zug verdammen, gehoͤrt er doch mit zu den ſchoͤnen, leider nur zu ſehr geſchwaͤchten und entſtellten Zuͤgen unſeres Nationalcharakters, wie die Geſchichte uns denſel¬ ben vor Augen fuͤhrt. Das Thier bewundert den Menſchen nicht, aber der Menſch den Engel, den Gott. In der Bewunderung eines uͤber uns er¬ habenen Weſens liegt etwas vom Stoff jener Er¬ habenheit, die wir bewundern, etwas Heroiſches, was der Knechtsſinn nicht ahnt, der nur mit huͤn¬ diſcher Natur die Macht anwedelt, deren Ueberle¬ genheit ihm Pruͤgel und Eſſen verſchafft. Wir entaͤußern uns, nicht aus Furcht oder Intereſſe, ſondern freiwillig unſeres kleinen Ichs, um be¬ ſcheidentlich ein groͤßeres Ich in uns walten zu laſſen, wir fuͤhlen die Naͤhe eines goͤttlichen Daͤ¬
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gaͤnger, ein Enthuſiaſt fuͤr Friedrichs Siege und
Eroberungen geweſen, ſo gut, wie Vater Gleim
und der Fruͤhlingsſaͤnger Kleiſt. Ich weiß nicht,
wer es geſagt hat, aber es iſt wahr, es liegt eine
Ader in der menſchlichen Natur, die muß bewun¬
dern und anbeten. Ich glaube, der Deutſche hat
am meiſten von dieſer Art, es iſt ihm von jeher
ein Beduͤrfniß des Herzens geweſen, große, ent¬
ſchiedene, machtvolle, Reſignation, Unterwuͤrfig¬
keit gebietende Perſoͤnlichkeiten lebhaft zu verehren,
kindlich-fromm unter die Heiligen ſeines Gemuͤths
aufzunehmen. Wer wollte dieſen Zug verdammen,
gehoͤrt er doch mit zu den ſchoͤnen, leider nur zu
ſehr geſchwaͤchten und entſtellten Zuͤgen unſeres
Nationalcharakters, wie die Geſchichte uns denſel¬
ben vor Augen fuͤhrt. Das Thier bewundert den
Menſchen nicht, aber der Menſch den Engel, den
Gott. In der Bewunderung eines uͤber uns er¬
habenen Weſens liegt etwas vom Stoff jener Er¬
habenheit, die wir bewundern, etwas Heroiſches,
was der Knechtsſinn nicht ahnt, der nur mit huͤn¬
diſcher Natur die Macht anwedelt, deren Ueberle¬
genheit ihm Pruͤgel und Eſſen verſchafft. Wir
entaͤußern uns, nicht aus Furcht oder Intereſſe,
ſondern freiwillig unſeres kleinen Ichs, um be¬
ſcheidentlich ein groͤßeres Ich in uns walten zu
laſſen, wir fuͤhlen die Naͤhe eines goͤttlichen Daͤ¬
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/276>, abgerufen am 22.11.2024.
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