Man sollte denken, daß die Musik diejenige un¬ ter den Künsten wäre, welche am wenigsten Ge¬ fahr liefe, ihr eigenthümliches Gebiet zu verken¬ nen; allein die Erfahrung hat gelehrt und lehrt noch täglich, daß der Musiker bald den Maler, bald den Dichter zu überbieten strebt und dabei die eigenthümliche Würde seiner Kunst außer Au¬ gen setzt. Im Gegensatz zu einer Musik, deren Noten weder einer Empfindung noch einer Idee entsprechen, die wie meistens die italienische, ins¬ besonders die frühere, ein reines, gedankenloses, schwelgerisches Tonspiel ausdrückten, bildete sich eine Charaktermusik, die aus lauter Andeutungen, physischen und geistigen, bestehen sollte, die Ge¬ witter, Mondscheinküsse, Pferdegalopp nachahmte
Siebzehnte Vorleſung.
Man ſollte denken, daß die Muſik diejenige un¬ ter den Kuͤnſten waͤre, welche am wenigſten Ge¬ fahr liefe, ihr eigenthuͤmliches Gebiet zu verken¬ nen; allein die Erfahrung hat gelehrt und lehrt noch taͤglich, daß der Muſiker bald den Maler, bald den Dichter zu uͤberbieten ſtrebt und dabei die eigenthuͤmliche Wuͤrde ſeiner Kunſt außer Au¬ gen ſetzt. Im Gegenſatz zu einer Muſik, deren Noten weder einer Empfindung noch einer Idee entſprechen, die wie meiſtens die italieniſche, ins¬ beſonders die fruͤhere, ein reines, gedankenloſes, ſchwelgeriſches Tonſpiel ausdruͤckten, bildete ſich eine Charaktermuſik, die aus lauter Andeutungen, phyſiſchen und geiſtigen, beſtehen ſollte, die Ge¬ witter, Mondſcheinkuͤſſe, Pferdegalopp nachahmte
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Siebzehnte Vorleſung.
Man ſollte denken, daß die Muſik diejenige un¬
ter den Kuͤnſten waͤre, welche am wenigſten Ge¬
fahr liefe, ihr eigenthuͤmliches Gebiet zu verken¬
nen; allein die Erfahrung hat gelehrt und lehrt
noch taͤglich, daß der Muſiker bald den Maler,
bald den Dichter zu uͤberbieten ſtrebt und dabei
die eigenthuͤmliche Wuͤrde ſeiner Kunſt außer Au¬
gen ſetzt. Im Gegenſatz zu einer Muſik, deren
Noten weder einer Empfindung noch einer Idee
entſprechen, die wie meiſtens die italieniſche, ins¬
beſonders die fruͤhere, ein reines, gedankenloſes,
ſchwelgeriſches Tonſpiel ausdruͤckten, bildete ſich
eine Charaktermuſik, die aus lauter Andeutungen,
phyſiſchen und geiſtigen, beſtehen ſollte, die Ge¬
witter, Mondſcheinkuͤſſe, Pferdegalopp nachahmte
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/227>, abgerufen am 24.11.2024.
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