soll, dahin fassen, daß wir bekennen, die göttli¬ chen Ideen, die Begriffe der Moral sind elemen¬ tarisch durch die ganze Welt zerstreut, und alle Menschen, wenn sie auf Moralität Anspruch ma¬ chen wollen, müssen den elementarischen Gott in ihrem Busen tragen, müssen die Keime der Liebe, der Gerechtigkeit u. s. w. sich eingepflanzt fühlen; obwohl dies zum moralischen Leben keineswegs hinreicht und das Göttliche in der Geschichte nicht elementarisch und abstrakt sich aufweiset, sondern als gebildet uns zu den verschiedenartigsten Cha¬ rakteren verarbeitet, zur Erscheinung kommt. Der¬ selbe Fall ist es mit der Kunst. Es kann eben so wenig eine abstrakte Kunst geben, die dem ganzen menschlichen Geschlecht angehörte, als eine Mo¬ ral; dagegen findet sich das Elementarische der Kunst, die ästhetischen Ideen in den Kunstwerken aller Zeiten und Völker wieder, und nur der in¬ dividuelle Komplex derselben, der organische Zu¬ sammenhang und Alles, was zur konkreten Leben¬ digkeit gehört, macht das Unterschiedliche und Ei¬ genthümliche in der Kunst der Völker aus. So also unterscheiden wir zunächst in der Einen Mo¬ ral und Kunst die besondere Weltanschauung, welche im Ganzen und Großen ihren Zeitcharakter bildet. Allein hierbei bleiben wir noch nicht ste¬ hen. Die eine Moral und Kunst der besondern
ſoll, dahin faſſen, daß wir bekennen, die goͤttli¬ chen Ideen, die Begriffe der Moral ſind elemen¬ tariſch durch die ganze Welt zerſtreut, und alle Menſchen, wenn ſie auf Moralitaͤt Anſpruch ma¬ chen wollen, muͤſſen den elementariſchen Gott in ihrem Buſen tragen, muͤſſen die Keime der Liebe, der Gerechtigkeit u. ſ. w. ſich eingepflanzt fuͤhlen; obwohl dies zum moraliſchen Leben keineswegs hinreicht und das Goͤttliche in der Geſchichte nicht elementariſch und abſtrakt ſich aufweiſet, ſondern als gebildet uns zu den verſchiedenartigſten Cha¬ rakteren verarbeitet, zur Erſcheinung kommt. Der¬ ſelbe Fall iſt es mit der Kunſt. Es kann eben ſo wenig eine abſtrakte Kunſt geben, die dem ganzen menſchlichen Geſchlecht angehoͤrte, als eine Mo¬ ral; dagegen findet ſich das Elementariſche der Kunſt, die aͤſthetiſchen Ideen in den Kunſtwerken aller Zeiten und Voͤlker wieder, und nur der in¬ dividuelle Komplex derſelben, der organiſche Zu¬ ſammenhang und Alles, was zur konkreten Leben¬ digkeit gehoͤrt, macht das Unterſchiedliche und Ei¬ genthuͤmliche in der Kunſt der Voͤlker aus. So alſo unterſcheiden wir zunaͤchſt in der Einen Mo¬ ral und Kunſt die beſondere Weltanſchauung, welche im Ganzen und Großen ihren Zeitcharakter bildet. Allein hierbei bleiben wir noch nicht ſte¬ hen. Die eine Moral und Kunſt der beſondern
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0196"n="182"/>ſoll, dahin faſſen, daß wir bekennen, die goͤttli¬<lb/>
chen Ideen, die Begriffe der Moral ſind elemen¬<lb/>
tariſch durch die ganze Welt zerſtreut, und alle<lb/>
Menſchen, wenn ſie auf Moralitaͤt Anſpruch ma¬<lb/>
chen wollen, muͤſſen den elementariſchen Gott in<lb/>
ihrem Buſen tragen, muͤſſen die Keime der Liebe,<lb/>
der Gerechtigkeit u. ſ. w. ſich eingepflanzt fuͤhlen;<lb/>
obwohl dies zum moraliſchen Leben keineswegs<lb/>
hinreicht und das Goͤttliche in der Geſchichte nicht<lb/>
elementariſch und abſtrakt ſich aufweiſet, ſondern<lb/>
als gebildet uns zu den verſchiedenartigſten Cha¬<lb/>
rakteren verarbeitet, zur Erſcheinung kommt. Der¬<lb/>ſelbe Fall iſt es mit der Kunſt. Es kann eben ſo<lb/>
wenig eine abſtrakte Kunſt geben, die dem ganzen<lb/>
menſchlichen Geſchlecht angehoͤrte, als eine Mo¬<lb/>
ral; dagegen findet ſich das Elementariſche der<lb/>
Kunſt, die aͤſthetiſchen Ideen in den Kunſtwerken<lb/>
aller Zeiten und Voͤlker wieder, und nur der in¬<lb/>
dividuelle Komplex derſelben, der organiſche Zu¬<lb/>ſammenhang und Alles, was zur konkreten Leben¬<lb/>
digkeit gehoͤrt, macht das Unterſchiedliche und Ei¬<lb/>
genthuͤmliche in der Kunſt der Voͤlker aus. So<lb/>
alſo unterſcheiden wir zunaͤchſt in der Einen Mo¬<lb/>
ral und Kunſt die beſondere Weltanſchauung, welche<lb/>
im Ganzen und Großen ihren <hirendition="#g">Zeitcharakter</hi><lb/>
bildet. Allein hierbei bleiben wir noch nicht ſte¬<lb/>
hen. Die <hirendition="#g">eine</hi> Moral und Kunſt der beſondern<lb/></p></div></body></text></TEI>
[182/0196]
ſoll, dahin faſſen, daß wir bekennen, die goͤttli¬
chen Ideen, die Begriffe der Moral ſind elemen¬
tariſch durch die ganze Welt zerſtreut, und alle
Menſchen, wenn ſie auf Moralitaͤt Anſpruch ma¬
chen wollen, muͤſſen den elementariſchen Gott in
ihrem Buſen tragen, muͤſſen die Keime der Liebe,
der Gerechtigkeit u. ſ. w. ſich eingepflanzt fuͤhlen;
obwohl dies zum moraliſchen Leben keineswegs
hinreicht und das Goͤttliche in der Geſchichte nicht
elementariſch und abſtrakt ſich aufweiſet, ſondern
als gebildet uns zu den verſchiedenartigſten Cha¬
rakteren verarbeitet, zur Erſcheinung kommt. Der¬
ſelbe Fall iſt es mit der Kunſt. Es kann eben ſo
wenig eine abſtrakte Kunſt geben, die dem ganzen
menſchlichen Geſchlecht angehoͤrte, als eine Mo¬
ral; dagegen findet ſich das Elementariſche der
Kunſt, die aͤſthetiſchen Ideen in den Kunſtwerken
aller Zeiten und Voͤlker wieder, und nur der in¬
dividuelle Komplex derſelben, der organiſche Zu¬
ſammenhang und Alles, was zur konkreten Leben¬
digkeit gehoͤrt, macht das Unterſchiedliche und Ei¬
genthuͤmliche in der Kunſt der Voͤlker aus. So
alſo unterſcheiden wir zunaͤchſt in der Einen Mo¬
ral und Kunſt die beſondere Weltanſchauung, welche
im Ganzen und Großen ihren Zeitcharakter
bildet. Allein hierbei bleiben wir noch nicht ſte¬
hen. Die eine Moral und Kunſt der beſondern
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/196>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.