stehe: allerdings muß zugegeben werden, daß das, was man gemeiniglich unter dem Namen schöne Kunst begreift, ihr besonderes Gewissen hat und auch nicht ohne Opfer von Seiten des Künstlers zu Stande kommt; allein damit ist es noch nicht gethan und die Moral von Kunst noch himmel¬ weit unterschieden, denn das Gewissen der Moral setzt unbedingt die Möglichkeit voraus, seinen An¬ forderungen Genüge zu leisten, da die Moral für Jedermann ist und alle ihre Gebote oder Anforde¬ rungen oder leise Winke, sowohl absolut zu erfül¬ lende, als, vermöge der menschlichen Freiheit, auch absolut erfüllbare sind. Es gibt nur eine Moral und nur eine Art, wie der Mensch sie ausübt, dagegen läßt die Kunst einen weiten Spielraum für verschiedene Bearbeitungen derselben und man spricht daher von mehreren Kunstschulen, von ita¬ lienischen, altdeutschen, holländischen Malerschulen, allein bisher ist es noch Niemand eingefallen, von einer besondern italienischen, deutschen oder fran¬ zösischen Moral zu sprechen. Darauf antworte ich denn Folgendes: wenn wir uns recht verstehen und einmal abstrahiren von der absolut thuenden Kathedermoral, welche der deutsche Student in sein Heft niederschreibt und es dabei bewenden läßt, falls er nicht rationalistischer Prediger, oder auch wieder Professor wird; wenn wir also statt
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ſtehe: allerdings muß zugegeben werden, daß das, was man gemeiniglich unter dem Namen ſchoͤne Kunſt begreift, ihr beſonderes Gewiſſen hat und auch nicht ohne Opfer von Seiten des Kuͤnſtlers zu Stande kommt; allein damit iſt es noch nicht gethan und die Moral von Kunſt noch himmel¬ weit unterſchieden, denn das Gewiſſen der Moral ſetzt unbedingt die Moͤglichkeit voraus, ſeinen An¬ forderungen Genuͤge zu leiſten, da die Moral fuͤr Jedermann iſt und alle ihre Gebote oder Anforde¬ rungen oder leiſe Winke, ſowohl abſolut zu erfuͤl¬ lende, als, vermoͤge der menſchlichen Freiheit, auch abſolut erfuͤllbare ſind. Es gibt nur eine Moral und nur eine Art, wie der Menſch ſie ausuͤbt, dagegen laͤßt die Kunſt einen weiten Spielraum fuͤr verſchiedene Bearbeitungen derſelben und man ſpricht daher von mehreren Kunſtſchulen, von ita¬ lieniſchen, altdeutſchen, hollaͤndiſchen Malerſchulen, allein bisher iſt es noch Niemand eingefallen, von einer beſondern italieniſchen, deutſchen oder fran¬ zoͤſiſchen Moral zu ſprechen. Darauf antworte ich denn Folgendes: wenn wir uns recht verſtehen und einmal abſtrahiren von der abſolut thuenden Kathedermoral, welche der deutſche Student in ſein Heft niederſchreibt und es dabei bewenden laͤßt, falls er nicht rationaliſtiſcher Prediger, oder auch wieder Profeſſor wird; wenn wir alſo ſtatt
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ſtehe: allerdings muß zugegeben werden, daß das,
was man gemeiniglich unter dem Namen ſchoͤne
Kunſt begreift, ihr beſonderes Gewiſſen hat und
auch nicht ohne Opfer von Seiten des Kuͤnſtlers
zu Stande kommt; allein damit iſt es noch nicht
gethan und die Moral von Kunſt noch himmel¬
weit unterſchieden, denn das Gewiſſen der Moral
ſetzt unbedingt die Moͤglichkeit voraus, ſeinen An¬
forderungen Genuͤge zu leiſten, da die Moral fuͤr
Jedermann iſt und alle ihre Gebote oder Anforde¬
rungen oder leiſe Winke, ſowohl abſolut zu erfuͤl¬
lende, als, vermoͤge der menſchlichen Freiheit, auch
abſolut erfuͤllbare ſind. Es gibt nur eine Moral
und nur eine Art, wie der Menſch ſie ausuͤbt,
dagegen laͤßt die Kunſt einen weiten Spielraum
fuͤr verſchiedene Bearbeitungen derſelben und man
ſpricht daher von mehreren Kunſtſchulen, von ita¬
lieniſchen, altdeutſchen, hollaͤndiſchen Malerſchulen,
allein bisher iſt es noch Niemand eingefallen, von
einer beſondern italieniſchen, deutſchen oder fran¬
zoͤſiſchen Moral zu ſprechen. Darauf antworte ich
denn Folgendes: wenn wir uns recht verſtehen
und einmal abſtrahiren von der abſolut thuenden
Kathedermoral, welche der deutſche Student in
ſein Heft niederſchreibt und es dabei bewenden
laͤßt, falls er nicht rationaliſtiſcher Prediger, oder
auch wieder Profeſſor wird; wenn wir alſo ſtatt
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/193>, abgerufen am 24.11.2024.
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