Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

freilich überall nur einen undeutlichen Ton von
sich, so daß Niemand sich leicht ihrethalben zum
Kampfe rüstet. Was sagt sie uns von der Mo¬
ralität oder Unmoralität unserer Staatseinrichtun¬
gen, was hat sie für ein Urtheil über Freiheit
und Knechtschaft? ist es moralisch oder unmora¬
lisch, oder gleichgültig, sich in den Kampf der
Zeit einzulassen, das Schwert für Recht und Frei¬
heit zu zücken, das Bollwerk der Privilegien, die
Mißbräuche des Kastenwesens anzugreifen? ist es
ein moralischer oder unmoralischer Zustand, daß
unser Volk kein vaterländisches, verständliches Recht
hat, daß es in so vielen Ländern noch keine
Stimme führt, wo es ihre vornehmlichsten und
heiligsten Interessen betrifft? Fragt sie über diese
und ähnliche Verhältnisse und Zustände und hört,
welch undeutlich zwitschernder Ton aus ihrem
Munde geht, wie sie im selben Athem zugestehen
und abläugnen, einräumen und beschränken, oder
gar, wie sie diese Fragen, die allein gegenwärtig
das Rad der Zeit umdrehen, als außer ihrem
Kreise liegende, außermoralische, oder außerakade¬
mische, was weiß ich, von sich ablehnen. Wirk¬
lich Letztere sind noch die Besten, man weiß doch,
woran man mit ihnen ist. Es ist unsers Amts
nicht, sagen sie, in der Moral über das Beste¬
hende und Werdende zu diskutiren, die Haupt¬

freilich uͤberall nur einen undeutlichen Ton von
ſich, ſo daß Niemand ſich leicht ihrethalben zum
Kampfe ruͤſtet. Was ſagt ſie uns von der Mo¬
ralitaͤt oder Unmoralitaͤt unſerer Staatseinrichtun¬
gen, was hat ſie fuͤr ein Urtheil uͤber Freiheit
und Knechtſchaft? iſt es moraliſch oder unmora¬
liſch, oder gleichguͤltig, ſich in den Kampf der
Zeit einzulaſſen, das Schwert fuͤr Recht und Frei¬
heit zu zuͤcken, das Bollwerk der Privilegien, die
Mißbraͤuche des Kaſtenweſens anzugreifen? iſt es
ein moraliſcher oder unmoraliſcher Zuſtand, daß
unſer Volk kein vaterlaͤndiſches, verſtaͤndliches Recht
hat, daß es in ſo vielen Laͤndern noch keine
Stimme fuͤhrt, wo es ihre vornehmlichſten und
heiligſten Intereſſen betrifft? Fragt ſie uͤber dieſe
und aͤhnliche Verhaͤltniſſe und Zuſtaͤnde und hoͤrt,
welch undeutlich zwitſchernder Ton aus ihrem
Munde geht, wie ſie im ſelben Athem zugeſtehen
und ablaͤugnen, einraͤumen und beſchraͤnken, oder
gar, wie ſie dieſe Fragen, die allein gegenwaͤrtig
das Rad der Zeit umdrehen, als außer ihrem
Kreiſe liegende, außermoraliſche, oder außerakade¬
miſche, was weiß ich, von ſich ablehnen. Wirk¬
lich Letztere ſind noch die Beſten, man weiß doch,
woran man mit ihnen iſt. Es iſt unſers Amts
nicht, ſagen ſie, in der Moral uͤber das Beſte¬
hende und Werdende zu diskutiren, die Haupt¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0182" n="168"/>
freilich u&#x0364;berall nur einen undeutlichen Ton von<lb/>
&#x017F;ich, &#x017F;o daß Niemand &#x017F;ich leicht ihrethalben zum<lb/>
Kampfe ru&#x0364;&#x017F;tet. Was &#x017F;agt &#x017F;ie uns von der Mo¬<lb/>
ralita&#x0364;t oder Unmoralita&#x0364;t un&#x017F;erer Staatseinrichtun¬<lb/>
gen, was hat &#x017F;ie fu&#x0364;r ein Urtheil u&#x0364;ber Freiheit<lb/>
und Knecht&#x017F;chaft? i&#x017F;t es morali&#x017F;ch oder unmora¬<lb/>
li&#x017F;ch, oder gleichgu&#x0364;ltig, &#x017F;ich in den Kampf der<lb/>
Zeit einzula&#x017F;&#x017F;en, das Schwert fu&#x0364;r Recht und Frei¬<lb/>
heit zu zu&#x0364;cken, das Bollwerk der Privilegien, die<lb/>
Mißbra&#x0364;uche des Ka&#x017F;tenwe&#x017F;ens anzugreifen? i&#x017F;t es<lb/>
ein morali&#x017F;cher oder unmorali&#x017F;cher Zu&#x017F;tand, daß<lb/>
un&#x017F;er Volk kein vaterla&#x0364;ndi&#x017F;ches, ver&#x017F;ta&#x0364;ndliches Recht<lb/>
hat, daß es in &#x017F;o vielen La&#x0364;ndern noch keine<lb/>
Stimme fu&#x0364;hrt, wo es ihre vornehmlich&#x017F;ten und<lb/>
heilig&#x017F;ten Intere&#x017F;&#x017F;en betrifft? Fragt &#x017F;ie u&#x0364;ber die&#x017F;e<lb/>
und a&#x0364;hnliche Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e und Zu&#x017F;ta&#x0364;nde und ho&#x0364;rt,<lb/>
welch undeutlich zwit&#x017F;chernder Ton aus ihrem<lb/>
Munde geht, wie &#x017F;ie im &#x017F;elben Athem zuge&#x017F;tehen<lb/>
und abla&#x0364;ugnen, einra&#x0364;umen und be&#x017F;chra&#x0364;nken, oder<lb/>
gar, wie &#x017F;ie die&#x017F;e Fragen, die allein gegenwa&#x0364;rtig<lb/>
das Rad der Zeit umdrehen, als außer ihrem<lb/>
Krei&#x017F;e liegende, außermorali&#x017F;che, oder außerakade¬<lb/>
mi&#x017F;che, was weiß ich, von &#x017F;ich ablehnen. Wirk¬<lb/>
lich Letztere &#x017F;ind noch die Be&#x017F;ten, man weiß doch,<lb/>
woran man mit ihnen i&#x017F;t. Es i&#x017F;t un&#x017F;ers Amts<lb/>
nicht, &#x017F;agen &#x017F;ie, in der Moral u&#x0364;ber das Be&#x017F;te¬<lb/>
hende und Werdende zu diskutiren, die Haupt¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0182] freilich uͤberall nur einen undeutlichen Ton von ſich, ſo daß Niemand ſich leicht ihrethalben zum Kampfe ruͤſtet. Was ſagt ſie uns von der Mo¬ ralitaͤt oder Unmoralitaͤt unſerer Staatseinrichtun¬ gen, was hat ſie fuͤr ein Urtheil uͤber Freiheit und Knechtſchaft? iſt es moraliſch oder unmora¬ liſch, oder gleichguͤltig, ſich in den Kampf der Zeit einzulaſſen, das Schwert fuͤr Recht und Frei¬ heit zu zuͤcken, das Bollwerk der Privilegien, die Mißbraͤuche des Kaſtenweſens anzugreifen? iſt es ein moraliſcher oder unmoraliſcher Zuſtand, daß unſer Volk kein vaterlaͤndiſches, verſtaͤndliches Recht hat, daß es in ſo vielen Laͤndern noch keine Stimme fuͤhrt, wo es ihre vornehmlichſten und heiligſten Intereſſen betrifft? Fragt ſie uͤber dieſe und aͤhnliche Verhaͤltniſſe und Zuſtaͤnde und hoͤrt, welch undeutlich zwitſchernder Ton aus ihrem Munde geht, wie ſie im ſelben Athem zugeſtehen und ablaͤugnen, einraͤumen und beſchraͤnken, oder gar, wie ſie dieſe Fragen, die allein gegenwaͤrtig das Rad der Zeit umdrehen, als außer ihrem Kreiſe liegende, außermoraliſche, oder außerakade¬ miſche, was weiß ich, von ſich ablehnen. Wirk¬ lich Letztere ſind noch die Beſten, man weiß doch, woran man mit ihnen iſt. Es iſt unſers Amts nicht, ſagen ſie, in der Moral uͤber das Beſte¬ hende und Werdende zu diskutiren, die Haupt¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/182
Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/182>, abgerufen am 22.11.2024.