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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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Und nun führt Schiller die Liebe an, die er
unter allen Neigungen, die von dem Schönheits¬
gefühl abstammen, diejenige nennt, die sich dem
moralischen Gefühl, als ein veredelter Affekt
vorzüglich empfehle und nachdem er erst eine dich¬
terische Schilderung von ihr gegeben, daß sie gött¬
liche Funken aus gemeinen Seelen schlage, daß
sie jede eigennützige Neigung verzehre, durch ihre
allmächtige Thatkraft Entschlüsse beschleunige, welche
die bloße Pflicht den schwachen Sterblichen um¬
sonst würde abgefordert haben, ruft er auf einmal
aus: aber man wage es ja nicht mit diesem Füh¬
rer, wenn man nicht schon vorher durch einen
besseren gesichert ist, was beiläufig zu sagen, so
viel heißt, als: man liebe nicht ohne Kant's kate¬
gorischen Imperativ.

Das Beispiel, das er nun anführt, mag uns
zugleich diensam sein, die Natur des Irrthums
über Pflicht und Schönheitssinn aufzudecken und
uns auf die richtige Spur zu leiten.

Der Fall soll eintreten, sagt Schiller, daß
der geliebte Gegenstand unglücklich ist, daß es
von uns abhängt, ihn durch Aufopferung einiger
moralischer Bedenklichkeiten glücklich zu machen.
Sollen wir ihn leiden lassen, um ein reines Ge¬
wissen zu behalten. Erlaubt dieses der uneigen¬
nützige, großmüthige, seinem Gegenstand ganz da¬

Und nun fuͤhrt Schiller die Liebe an, die er
unter allen Neigungen, die von dem Schoͤnheits¬
gefuͤhl abſtammen, diejenige nennt, die ſich dem
moraliſchen Gefuͤhl, als ein veredelter Affekt
vorzuͤglich empfehle und nachdem er erſt eine dich¬
teriſche Schilderung von ihr gegeben, daß ſie goͤtt¬
liche Funken aus gemeinen Seelen ſchlage, daß
ſie jede eigennuͤtzige Neigung verzehre, durch ihre
allmaͤchtige Thatkraft Entſchluͤſſe beſchleunige, welche
die bloße Pflicht den ſchwachen Sterblichen um¬
ſonſt wuͤrde abgefordert haben, ruft er auf einmal
aus: aber man wage es ja nicht mit dieſem Fuͤh¬
rer, wenn man nicht ſchon vorher durch einen
beſſeren geſichert iſt, was beilaͤufig zu ſagen, ſo
viel heißt, als: man liebe nicht ohne Kant's kate¬
goriſchen Imperativ.

Das Beiſpiel, das er nun anfuͤhrt, mag uns
zugleich dienſam ſein, die Natur des Irrthums
uͤber Pflicht und Schoͤnheitsſinn aufzudecken und
uns auf die richtige Spur zu leiten.

Der Fall ſoll eintreten, ſagt Schiller, daß
der geliebte Gegenſtand ungluͤcklich iſt, daß es
von uns abhaͤngt, ihn durch Aufopferung einiger
moraliſcher Bedenklichkeiten gluͤcklich zu machen.
Sollen wir ihn leiden laſſen, um ein reines Ge¬
wiſſen zu behalten. Erlaubt dieſes der uneigen¬
nuͤtzige, großmuͤthige, ſeinem Gegenſtand ganz da¬

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[157/0171] Und nun fuͤhrt Schiller die Liebe an, die er unter allen Neigungen, die von dem Schoͤnheits¬ gefuͤhl abſtammen, diejenige nennt, die ſich dem moraliſchen Gefuͤhl, als ein veredelter Affekt vorzuͤglich empfehle und nachdem er erſt eine dich¬ teriſche Schilderung von ihr gegeben, daß ſie goͤtt¬ liche Funken aus gemeinen Seelen ſchlage, daß ſie jede eigennuͤtzige Neigung verzehre, durch ihre allmaͤchtige Thatkraft Entſchluͤſſe beſchleunige, welche die bloße Pflicht den ſchwachen Sterblichen um¬ ſonſt wuͤrde abgefordert haben, ruft er auf einmal aus: aber man wage es ja nicht mit dieſem Fuͤh¬ rer, wenn man nicht ſchon vorher durch einen beſſeren geſichert iſt, was beilaͤufig zu ſagen, ſo viel heißt, als: man liebe nicht ohne Kant's kate¬ goriſchen Imperativ. Das Beiſpiel, das er nun anfuͤhrt, mag uns zugleich dienſam ſein, die Natur des Irrthums uͤber Pflicht und Schoͤnheitsſinn aufzudecken und uns auf die richtige Spur zu leiten. Der Fall ſoll eintreten, ſagt Schiller, daß der geliebte Gegenſtand ungluͤcklich iſt, daß es von uns abhaͤngt, ihn durch Aufopferung einiger moraliſcher Bedenklichkeiten gluͤcklich zu machen. Sollen wir ihn leiden laſſen, um ein reines Ge¬ wiſſen zu behalten. Erlaubt dieſes der uneigen¬ nuͤtzige, großmuͤthige, ſeinem Gegenſtand ganz da¬

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/171>, abgerufen am 24.11.2024.