Grundzüge ästhetischer Vorlesungen schrieb 1808 Heinrich Luden, die auf seine bekannte Weise geist¬ reich und gediegen sind. Blühender und an wah¬ rem ästhetischen Gehalt reicher ist die Vorschule der Aesthetik von Jean Paul, die 1813 eine neue Auflage erlebte.
Ich werde mein Urtheil über diese akademi¬ schen Schriften (die Jean Paulische gehört nicht in ihren Kreis) zusammenfassen und nur vorher bemerken, daß die Aesthetik nicht immer mit den Ansprüchen auf wissenschaftliche Form und Voll¬ ständigkeit in Deutschland aufgetreten, sondern daß es sehr interessante ästhetische Abhandlungen gibt, die sich ungebundener und freier auslassen. Dazu gehören die ästhetischen Abhandlungen von Schil¬ ler, die ich als bekannt voraussetze, z. B. sein Aufsatz über die ästhetische Erziehung des Men¬ schen, über die nothwendigen Grenzen beim Ge¬ brauch schöner Formen (!), über naive und senti¬ mentale Dichtung, über das Erhabene, seine Ge¬ danken über den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunst u. s. w. Auch lassen sich viele Aufsätze von Goethe in den Propyläen und in Kunst und Alterthum als sehr bedeutende Beiträge zu der Aesthetik des Goethischen Jahr¬ hunderts betrachten. Was Schiller betrifft, so behandelte er die Theorie des Schönen mehr in
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Grundzuͤge aͤſthetiſcher Vorleſungen ſchrieb 1808 Heinrich Luden, die auf ſeine bekannte Weiſe geiſt¬ reich und gediegen ſind. Bluͤhender und an wah¬ rem aͤſthetiſchen Gehalt reicher iſt die Vorſchule der Aeſthetik von Jean Paul, die 1813 eine neue Auflage erlebte.
Ich werde mein Urtheil uͤber dieſe akademi¬ ſchen Schriften (die Jean Pauliſche gehoͤrt nicht in ihren Kreis) zuſammenfaſſen und nur vorher bemerken, daß die Aeſthetik nicht immer mit den Anſpruͤchen auf wiſſenſchaftliche Form und Voll¬ ſtaͤndigkeit in Deutſchland aufgetreten, ſondern daß es ſehr intereſſante aͤſthetiſche Abhandlungen gibt, die ſich ungebundener und freier auslaſſen. Dazu gehoͤren die aͤſthetiſchen Abhandlungen von Schil¬ ler, die ich als bekannt vorausſetze, z. B. ſein Aufſatz uͤber die aͤſthetiſche Erziehung des Men¬ ſchen, uͤber die nothwendigen Grenzen beim Ge¬ brauch ſchoͤner Formen (!), uͤber naive und ſenti¬ mentale Dichtung, uͤber das Erhabene, ſeine Ge¬ danken uͤber den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunſt u. ſ. w. Auch laſſen ſich viele Aufſaͤtze von Goethe in den Propylaͤen und in Kunſt und Alterthum als ſehr bedeutende Beitraͤge zu der Aeſthetik des Goethiſchen Jahr¬ hunderts betrachten. Was Schiller betrifft, ſo behandelte er die Theorie des Schoͤnen mehr in
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Grundzuͤge aͤſthetiſcher Vorleſungen ſchrieb 1808
Heinrich Luden, die auf ſeine bekannte Weiſe geiſt¬
reich und gediegen ſind. Bluͤhender und an wah¬
rem aͤſthetiſchen Gehalt reicher iſt die Vorſchule
der Aeſthetik von Jean Paul, die 1813 eine neue
Auflage erlebte.
Ich werde mein Urtheil uͤber dieſe akademi¬
ſchen Schriften (die Jean Pauliſche gehoͤrt nicht
in ihren Kreis) zuſammenfaſſen und nur vorher
bemerken, daß die Aeſthetik nicht immer mit den
Anſpruͤchen auf wiſſenſchaftliche Form und Voll¬
ſtaͤndigkeit in Deutſchland aufgetreten, ſondern daß
es ſehr intereſſante aͤſthetiſche Abhandlungen gibt,
die ſich ungebundener und freier auslaſſen. Dazu
gehoͤren die aͤſthetiſchen Abhandlungen von Schil¬
ler, die ich als bekannt vorausſetze, z. B. ſein
Aufſatz uͤber die aͤſthetiſche Erziehung des Men¬
ſchen, uͤber die nothwendigen Grenzen beim Ge¬
brauch ſchoͤner Formen (!), uͤber naive und ſenti¬
mentale Dichtung, uͤber das Erhabene, ſeine Ge¬
danken uͤber den Gebrauch des Gemeinen und
Niedrigen in der Kunſt u. ſ. w. Auch laſſen
ſich viele Aufſaͤtze von Goethe in den Propylaͤen
und in Kunſt und Alterthum als ſehr bedeutende
Beitraͤge zu der Aeſthetik des Goethiſchen Jahr¬
hunderts betrachten. Was Schiller betrifft, ſo
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/17>, abgerufen am 21.11.2024.
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