Taschenspieler, der durch Reim und Klang, durch eine rhythmische Abwechselung von sechs metrischen Füßen, allerhand Phantome der Lust und des Schmerzes, der Furcht und der Begeisterung in der Seele seiner Zuhörer aufregen könnte; der Dichter nimmt Stoff und Begeisterung aus der That und die höchste Palme hat er errungen, wenn die Schönheit der That aus dem Leben in eine andere Welt, in die Kunstwelt, von ihm verpflanzt, sein Gedicht durchstrahlt und wieder vom Gedicht, wie ein Juwel in der Einfassung, neuen Glanz annimmt. So durchläuft die Schönheit einen doppelten Kreis und bringt zweifache Wirkung her¬ vor, einmal im Leben, als sittliche, poetische, histo¬ rische, gesellschaftliche, das andere Mal in der Dichtung, als künstlerische, dramatische, epische. In beiden Fällen wirkt sie ein ästhetisches Gefühl, aber im ersten mehr ein thätiges, im andern mehr ein leidendes, im ersten mehr ein unmit¬ telbar, im zweiten ein mehr mittelbar rückwirken¬ des. So sollte, wollte ich sagen, die Schön¬ heit einen doppelten Kreis durchlaufen und sowohl auf den Willen, wie auf das Gefühl ihren zau¬ bervollen Einfluß ausüben; allein wir gingen mit Recht davon aus, daß der Zauberstab der Schön¬ heit, womit sie die Zuschauer und Hörer schöner, großer Thaten, selbst wieder zu schöner und gro¬
Wienbarg, ästhet. Feldz. 10
Taſchenſpieler, der durch Reim und Klang, durch eine rhythmiſche Abwechſelung von ſechs metriſchen Fuͤßen, allerhand Phantome der Luſt und des Schmerzes, der Furcht und der Begeiſterung in der Seele ſeiner Zuhoͤrer aufregen koͤnnte; der Dichter nimmt Stoff und Begeiſterung aus der That und die hoͤchſte Palme hat er errungen, wenn die Schoͤnheit der That aus dem Leben in eine andere Welt, in die Kunſtwelt, von ihm verpflanzt, ſein Gedicht durchſtrahlt und wieder vom Gedicht, wie ein Juwel in der Einfaſſung, neuen Glanz annimmt. So durchlaͤuft die Schoͤnheit einen doppelten Kreis und bringt zweifache Wirkung her¬ vor, einmal im Leben, als ſittliche, poetiſche, hiſto¬ riſche, geſellſchaftliche, das andere Mal in der Dichtung, als kuͤnſtleriſche, dramatiſche, epiſche. In beiden Faͤllen wirkt ſie ein aͤſthetiſches Gefuͤhl, aber im erſten mehr ein thaͤtiges, im andern mehr ein leidendes, im erſten mehr ein unmit¬ telbar, im zweiten ein mehr mittelbar ruͤckwirken¬ des. So ſollte, wollte ich ſagen, die Schoͤn¬ heit einen doppelten Kreis durchlaufen und ſowohl auf den Willen, wie auf das Gefuͤhl ihren zau¬ bervollen Einfluß ausuͤben; allein wir gingen mit Recht davon aus, daß der Zauberſtab der Schoͤn¬ heit, womit ſie die Zuſchauer und Hoͤrer ſchoͤner, großer Thaten, ſelbſt wieder zu ſchoͤner und gro¬
Wienbarg, aͤſthet. Feldz. 10
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0159"n="145"/>
Taſchenſpieler, der durch Reim und Klang, durch<lb/>
eine rhythmiſche Abwechſelung von ſechs metriſchen<lb/>
Fuͤßen, allerhand Phantome der Luſt und des<lb/>
Schmerzes, der Furcht und der Begeiſterung in<lb/>
der Seele ſeiner Zuhoͤrer aufregen koͤnnte; der<lb/>
Dichter nimmt Stoff und Begeiſterung aus der<lb/>
That und die hoͤchſte Palme hat er errungen, wenn<lb/>
die Schoͤnheit der That aus dem Leben in eine<lb/>
andere Welt, in die Kunſtwelt, von ihm verpflanzt,<lb/>ſein Gedicht durchſtrahlt und wieder vom Gedicht,<lb/>
wie ein Juwel in der Einfaſſung, neuen Glanz<lb/>
annimmt. So durchlaͤuft die Schoͤnheit einen<lb/>
doppelten Kreis und bringt zweifache Wirkung her¬<lb/>
vor, einmal im Leben, als ſittliche, poetiſche, hiſto¬<lb/>
riſche, geſellſchaftliche, das andere Mal in der<lb/>
Dichtung, als kuͤnſtleriſche, dramatiſche, epiſche.<lb/>
In beiden Faͤllen wirkt ſie ein aͤſthetiſches Gefuͤhl,<lb/>
aber im erſten mehr ein thaͤtiges, im andern<lb/>
mehr ein leidendes, im erſten mehr ein unmit¬<lb/>
telbar, im zweiten ein mehr mittelbar ruͤckwirken¬<lb/>
des. So <hirendition="#g">ſollte</hi>, wollte ich ſagen, die Schoͤn¬<lb/>
heit einen doppelten Kreis durchlaufen und ſowohl<lb/>
auf den Willen, wie auf das Gefuͤhl ihren zau¬<lb/>
bervollen Einfluß ausuͤben; allein wir gingen mit<lb/>
Recht davon aus, daß der Zauberſtab der Schoͤn¬<lb/>
heit, womit ſie die Zuſchauer und Hoͤrer ſchoͤner,<lb/>
großer Thaten, ſelbſt wieder zu ſchoͤner und gro¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Wienbarg, aͤſthet. Feldz. 10<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[145/0159]
Taſchenſpieler, der durch Reim und Klang, durch
eine rhythmiſche Abwechſelung von ſechs metriſchen
Fuͤßen, allerhand Phantome der Luſt und des
Schmerzes, der Furcht und der Begeiſterung in
der Seele ſeiner Zuhoͤrer aufregen koͤnnte; der
Dichter nimmt Stoff und Begeiſterung aus der
That und die hoͤchſte Palme hat er errungen, wenn
die Schoͤnheit der That aus dem Leben in eine
andere Welt, in die Kunſtwelt, von ihm verpflanzt,
ſein Gedicht durchſtrahlt und wieder vom Gedicht,
wie ein Juwel in der Einfaſſung, neuen Glanz
annimmt. So durchlaͤuft die Schoͤnheit einen
doppelten Kreis und bringt zweifache Wirkung her¬
vor, einmal im Leben, als ſittliche, poetiſche, hiſto¬
riſche, geſellſchaftliche, das andere Mal in der
Dichtung, als kuͤnſtleriſche, dramatiſche, epiſche.
In beiden Faͤllen wirkt ſie ein aͤſthetiſches Gefuͤhl,
aber im erſten mehr ein thaͤtiges, im andern
mehr ein leidendes, im erſten mehr ein unmit¬
telbar, im zweiten ein mehr mittelbar ruͤckwirken¬
des. So ſollte, wollte ich ſagen, die Schoͤn¬
heit einen doppelten Kreis durchlaufen und ſowohl
auf den Willen, wie auf das Gefuͤhl ihren zau¬
bervollen Einfluß ausuͤben; allein wir gingen mit
Recht davon aus, daß der Zauberſtab der Schoͤn¬
heit, womit ſie die Zuſchauer und Hoͤrer ſchoͤner,
großer Thaten, ſelbſt wieder zu ſchoͤner und gro¬
Wienbarg, aͤſthet. Feldz. 10
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/159>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.