Zeit von solchen Menschen und Zeiten, die sich einer gemeinsamen Weltanschauung zu rühmen ha¬ ben? Nach dem Bisherigen und Ihrem eigenen Gefühl ist die Antwort: der Mangel an Einheit und daher der Mangel an Kraft und Sicherheit, und daher der Mangel an Wahrheit. Wir sind im Handeln eben so unsicher, wie im Genießen, im Schaffen eben so schwankend, wie im Beur¬ theilen, Kopf stößt sich an Kopf, Gefühl an Ge¬ fühl, es ist eine Welt von Dissonanzen, die ihren Generalbaß erst von der Zukunft erwartet.
Was ist schön? Was nennt man heutzu¬ tage unisono eine schöne That? Denken Sie an den Aufstand der Polen! -- Daß vor vielen Jahrhunderten die Schweizer sich von Oestreich losrissen, daß Tell den Gesler erschoß, daß Win¬ kelried der Freiheit eine Mauer war und die feind¬ lichen Lanzen in seine eigne Brust schob, das fin¬ den wir allerdings unisono schön und es ist jedem Deutschen sowohl polizeilich, als ästhetisch erlaubt, darüber in gelinden Enthusiasmus zu gerathen. Allein, daß ein schändlich zerstücktes und unter¬ drücktes Volk vor unsern Augen die Eisdecke der Tyrannei in die Luft sprengt, daß es eine Nacht gab, wo wir ruhig in unsern Betten schliefen und Gott weiß, von welcher Oper träumten, eine Nacht, wo eine Handvoll kühner Jünglinge
Zeit von ſolchen Menſchen und Zeiten, die ſich einer gemeinſamen Weltanſchauung zu ruͤhmen ha¬ ben? Nach dem Bisherigen und Ihrem eigenen Gefuͤhl iſt die Antwort: der Mangel an Einheit und daher der Mangel an Kraft und Sicherheit, und daher der Mangel an Wahrheit. Wir ſind im Handeln eben ſo unſicher, wie im Genießen, im Schaffen eben ſo ſchwankend, wie im Beur¬ theilen, Kopf ſtoͤßt ſich an Kopf, Gefuͤhl an Ge¬ fuͤhl, es iſt eine Welt von Diſſonanzen, die ihren Generalbaß erſt von der Zukunft erwartet.
Was iſt ſchoͤn? Was nennt man heutzu¬ tage unisono eine ſchoͤne That? Denken Sie an den Aufſtand der Polen! — Daß vor vielen Jahrhunderten die Schweizer ſich von Oeſtreich losriſſen, daß Tell den Gesler erſchoß, daß Win¬ kelried der Freiheit eine Mauer war und die feind¬ lichen Lanzen in ſeine eigne Bruſt ſchob, das fin¬ den wir allerdings unisono ſchoͤn und es iſt jedem Deutſchen ſowohl polizeilich, als aͤſthetiſch erlaubt, daruͤber in gelinden Enthuſiasmus zu gerathen. Allein, daß ein ſchaͤndlich zerſtuͤcktes und unter¬ druͤcktes Volk vor unſern Augen die Eisdecke der Tyrannei in die Luft ſprengt, daß es eine Nacht gab, wo wir ruhig in unſern Betten ſchliefen und Gott weiß, von welcher Oper traͤumten, eine Nacht, wo eine Handvoll kuͤhner Juͤnglinge
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Zeit von ſolchen Menſchen und Zeiten, die ſich
einer gemeinſamen Weltanſchauung zu ruͤhmen ha¬
ben? Nach dem Bisherigen und Ihrem eigenen
Gefuͤhl iſt die Antwort: der Mangel an Einheit
und daher der Mangel an Kraft und Sicherheit,
und daher der Mangel an Wahrheit. Wir ſind
im Handeln eben ſo unſicher, wie im Genießen,
im Schaffen eben ſo ſchwankend, wie im Beur¬
theilen, Kopf ſtoͤßt ſich an Kopf, Gefuͤhl an Ge¬
fuͤhl, es iſt eine Welt von Diſſonanzen, die ihren
Generalbaß erſt von der Zukunft erwartet.
Was iſt ſchoͤn? Was nennt man heutzu¬
tage unisono eine ſchoͤne That? Denken Sie an
den Aufſtand der Polen! — Daß vor vielen
Jahrhunderten die Schweizer ſich von Oeſtreich
losriſſen, daß Tell den Gesler erſchoß, daß Win¬
kelried der Freiheit eine Mauer war und die feind¬
lichen Lanzen in ſeine eigne Bruſt ſchob, das fin¬
den wir allerdings unisono ſchoͤn und es iſt jedem
Deutſchen ſowohl polizeilich, als aͤſthetiſch erlaubt,
daruͤber in gelinden Enthuſiasmus zu gerathen.
Allein, daß ein ſchaͤndlich zerſtuͤcktes und unter¬
druͤcktes Volk vor unſern Augen die Eisdecke der
Tyrannei in die Luft ſprengt, daß es eine Nacht
gab, wo wir ruhig in unſern Betten ſchliefen
und Gott weiß, von welcher Oper traͤumten,
eine Nacht, wo eine Handvoll kuͤhner Juͤnglinge
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/155>, abgerufen am 22.11.2024.
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