Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.der alte Leib und die Psyche der Menschheit ath¬ In solch verpupptem Zustande erscheint uns Täuschen wir uns nicht, Vieles scheint noch So steht es bei uns. Es ist eine drückende 8 *
der alte Leib und die Pſyche der Menſchheit ath¬ In ſolch verpupptem Zuſtande erſcheint uns Taͤuſchen wir uns nicht, Vieles ſcheint noch So ſteht es bei uns. Es iſt eine druͤckende 8 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0129" n="115"/> der alte Leib und die Pſyche der Menſchheit ath¬<lb/> met wieder die Freiheit ein.</p><lb/> <p>In ſolch verpupptem Zuſtande erſcheint uns<lb/> die Gegenwart. Sie traͤgt noch die Larve der<lb/> alten Zeit, die haͤßliche, runzligte Larve und das<lb/> Leben, das ſich im Innern entfaltet, iſt nur noch<lb/> ein huͤpfender Punkt, iſt noch gemiſcht aus Seuf¬<lb/> zern der Hoffnung und Seufzern des Schmerzes.<lb/> Aber es iſt ein neues Leben, ſo gewiß und wahr¬<lb/> haftig, als das alte todt iſt und nur noch mit ge¬<lb/> ſpenſtiſcher Huͤlle das junge druͤckt, verſchließt und<lb/> beaͤngſtigt.</p><lb/> <p>Taͤuſchen wir uns nicht, Vieles ſcheint noch<lb/> lebendig, weil es leibhaft vor uns ſteht. Groß iſt<lb/> die Macht, die im Schein des Sichtbaren liegt,<lb/> tiefgewurzelt die glaͤubige Gewohnheit hinter dem<lb/> Sichtbaren das Unſichtbare vorauszuſetzen. Nur<lb/> mehr, unendlich mehr, wir ſelbſt ſind die Traͤ¬<lb/> ger der abgeſtorbenen Zeit, wir ſelbſt ſind verhuͤllt<lb/> von Kopf bis zu Fuͤßen, ſprechen und handeln im<lb/> Charakter unſerer Maske, bewußtlos wie die Menge,<lb/> mit Bewußtſein, wie Viele. Nur Wenige haben<lb/> die Aufrichtigkeit, mit dem Finger auf ihre Maske<lb/> hinzudeuten, noch Wenigere den Muth, ſie ſich<lb/> und Andern vom Antlitz zu reißen.</p><lb/> <p>So ſteht es bei uns. Es iſt eine druͤckende<lb/> Zeit. Man iſt unwohl in ſeiner eigenen Haut<lb/> <fw place="bottom" type="sig">8 *<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [115/0129]
der alte Leib und die Pſyche der Menſchheit ath¬
met wieder die Freiheit ein.
In ſolch verpupptem Zuſtande erſcheint uns
die Gegenwart. Sie traͤgt noch die Larve der
alten Zeit, die haͤßliche, runzligte Larve und das
Leben, das ſich im Innern entfaltet, iſt nur noch
ein huͤpfender Punkt, iſt noch gemiſcht aus Seuf¬
zern der Hoffnung und Seufzern des Schmerzes.
Aber es iſt ein neues Leben, ſo gewiß und wahr¬
haftig, als das alte todt iſt und nur noch mit ge¬
ſpenſtiſcher Huͤlle das junge druͤckt, verſchließt und
beaͤngſtigt.
Taͤuſchen wir uns nicht, Vieles ſcheint noch
lebendig, weil es leibhaft vor uns ſteht. Groß iſt
die Macht, die im Schein des Sichtbaren liegt,
tiefgewurzelt die glaͤubige Gewohnheit hinter dem
Sichtbaren das Unſichtbare vorauszuſetzen. Nur
mehr, unendlich mehr, wir ſelbſt ſind die Traͤ¬
ger der abgeſtorbenen Zeit, wir ſelbſt ſind verhuͤllt
von Kopf bis zu Fuͤßen, ſprechen und handeln im
Charakter unſerer Maske, bewußtlos wie die Menge,
mit Bewußtſein, wie Viele. Nur Wenige haben
die Aufrichtigkeit, mit dem Finger auf ihre Maske
hinzudeuten, noch Wenigere den Muth, ſie ſich
und Andern vom Antlitz zu reißen.
So ſteht es bei uns. Es iſt eine druͤckende
Zeit. Man iſt unwohl in ſeiner eigenen Haut
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