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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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51.
Indessen kam der tag, vor dem ihr graut,
Stets näher. Babekan, um bey der spröden Braut
In beßre achtung sich zu schwingen,
Ließ wenig unversucht, nur wollte nichts gelingen.
Sie war bekanntlich stets den Tapfern sehr geneigt,
Er hatte sich noch nie in diesem licht gezeigt.
Laß, sprach er zu sich selbst, uns eine That vollbringen,
Der Unempfindlichen bewundrung abzuzwingen!
52.
Nun sezte seit geraumer zeit
Ein ungeheurer Löw das ganze land in schrecken;
Er fiel bey hellem tag in dörfer und in flecken,
Und würgte vieh und menschen ungescheut.
Man spricht, er habe drachenflügel,
Und klauen wie ein greif, und stacheln wie ein igel,
Sey größer als ein elefant,
Und wenn er schnaube, fahr's als wie ein sturm durchs land.
53.
Seit menschendenken ward kein solches thier gesehen.
Auch stund ein großer preis auf dessen kopf gesetzt;
Allein weil jedermann den seinen höher schäzt,
Will des verdiensts sich niemand unterstehen.
Nur Babekan hielts des versuches werth
Durch eine kühne that der Schönen stolz zu dämpfen.
Er steigt mit großem pomp zum Sultan und begehrt
Vergünstigung, den Löwen zu bekämpfen.
54. Und
F 4
51.
Indeſſen kam der tag, vor dem ihr graut,
Stets naͤher. Babekan, um bey der ſproͤden Braut
In beßre achtung ſich zu ſchwingen,
Ließ wenig unverſucht, nur wollte nichts gelingen.
Sie war bekanntlich ſtets den Tapfern ſehr geneigt,
Er hatte ſich noch nie in dieſem licht gezeigt.
Laß, ſprach er zu ſich ſelbſt, uns eine That vollbringen,
Der Unempfindlichen bewundrung abzuzwingen!
52.
Nun ſezte ſeit geraumer zeit
Ein ungeheurer Loͤw das ganze land in ſchrecken;
Er fiel bey hellem tag in doͤrfer und in flecken,
Und wuͤrgte vieh und menſchen ungeſcheut.
Man ſpricht, er habe drachenfluͤgel,
Und klauen wie ein greif, und ſtacheln wie ein igel,
Sey groͤßer als ein elefant,
Und wenn er ſchnaube, fahr's als wie ein ſturm durchs land.
53.
Seit menſchendenken ward kein ſolches thier geſehen.
Auch ſtund ein großer preis auf deſſen kopf geſetzt;
Allein weil jedermann den ſeinen hoͤher ſchaͤzt,
Will des verdienſts ſich niemand unterſtehen.
Nur Babekan hielts des verſuches werth
Durch eine kuͤhne that der Schoͤnen ſtolz zu daͤmpfen.
Er ſteigt mit großem pomp zum Sultan und begehrt
Verguͤnſtigung, den Loͤwen zu bekaͤmpfen.
54. Und
F 4
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[0093] 51. Indeſſen kam der tag, vor dem ihr graut, Stets naͤher. Babekan, um bey der ſproͤden Braut In beßre achtung ſich zu ſchwingen, Ließ wenig unverſucht, nur wollte nichts gelingen. Sie war bekanntlich ſtets den Tapfern ſehr geneigt, Er hatte ſich noch nie in dieſem licht gezeigt. Laß, ſprach er zu ſich ſelbſt, uns eine That vollbringen, Der Unempfindlichen bewundrung abzuzwingen! 52. Nun ſezte ſeit geraumer zeit Ein ungeheurer Loͤw das ganze land in ſchrecken; Er fiel bey hellem tag in doͤrfer und in flecken, Und wuͤrgte vieh und menſchen ungeſcheut. Man ſpricht, er habe drachenfluͤgel, Und klauen wie ein greif, und ſtacheln wie ein igel, Sey groͤßer als ein elefant, Und wenn er ſchnaube, fahr's als wie ein ſturm durchs land. 53. Seit menſchendenken ward kein ſolches thier geſehen. Auch ſtund ein großer preis auf deſſen kopf geſetzt; Allein weil jedermann den ſeinen hoͤher ſchaͤzt, Will des verdienſts ſich niemand unterſtehen. Nur Babekan hielts des verſuches werth Durch eine kuͤhne that der Schoͤnen ſtolz zu daͤmpfen. Er ſteigt mit großem pomp zum Sultan und begehrt Verguͤnſtigung, den Loͤwen zu bekaͤmpfen. 54. Und F 4

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/93>, abgerufen am 24.11.2024.