Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.Oberon Vierter Gesang. 1. Der Paladin beginnt nun seine traumgeschichteWie folget: Was du auch, mein guter Scherasmin, Von dem, was ich dir izt berichte, Im herzen denken magst, so ists doch kein gedichte, Daß ich, Gott sey es dank! noch stets an leib und sinn, So wie du hier mich siehst, ein reiner Jüngling bin. Nie hat vor diesem tag in meinem ganzen leben Mein unbefangnes herz der liebe raum gegeben. 2. Es hatte zwar der schönen Jungfraun vielAn meiner Mutter hof, und an gelegenheiten, Die einen Knaben leicht zur tändeley verleiten, Gebrach es nicht, zumal beym pfänderspiel: Da gabs wohl manchmal auch ein strumpfband aufzulösen; Allein der schönste fuß ließ meine fantasey In stolzer ruh; und wär's Genevrens fuß gewesen, Es war ein fuß, mehr dacht ich nicht dabey. 3. Daß
Oberon Vierter Geſang. 1. Der Paladin beginnt nun ſeine traumgeſchichteWie folget: Was du auch, mein guter Scherasmin, Von dem, was ich dir izt berichte, Im herzen denken magſt, ſo iſts doch kein gedichte, Daß ich, Gott ſey es dank! noch ſtets an leib und ſinn, So wie du hier mich ſiehſt, ein reiner Juͤngling bin. Nie hat vor dieſem tag in meinem ganzen leben Mein unbefangnes herz der liebe raum gegeben. 2. Es hatte zwar der ſchoͤnen Jungfraun vielAn meiner Mutter hof, und an gelegenheiten, Die einen Knaben leicht zur taͤndeley verleiten, Gebrach es nicht, zumal beym pfaͤnderſpiel: Da gabs wohl manchmal auch ein ſtrumpfband aufzuloͤſen; Allein der ſchoͤnſte fuß ließ meine fantaſey In ſtolzer ruh; und waͤr's Genevrens fuß geweſen, Es war ein fuß, mehr dacht ich nicht dabey. 3. Daß
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Oberon
Vierter Geſang.
1.
Der Paladin beginnt nun ſeine traumgeſchichte
Wie folget: Was du auch, mein guter Scherasmin,
Von dem, was ich dir izt berichte,
Im herzen denken magſt, ſo iſts doch kein gedichte,
Daß ich, Gott ſey es dank! noch ſtets an leib und ſinn,
So wie du hier mich ſiehſt, ein reiner Juͤngling bin.
Nie hat vor dieſem tag in meinem ganzen leben
Mein unbefangnes herz der liebe raum gegeben.
2.
Es hatte zwar der ſchoͤnen Jungfraun viel
An meiner Mutter hof, und an gelegenheiten,
Die einen Knaben leicht zur taͤndeley verleiten,
Gebrach es nicht, zumal beym pfaͤnderſpiel:
Da gabs wohl manchmal auch ein ſtrumpfband aufzuloͤſen;
Allein der ſchoͤnſte fuß ließ meine fantaſey
In ſtolzer ruh; und waͤr's Genevrens fuß geweſen,
Es war ein fuß, mehr dacht ich nicht dabey.
3. Daß
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Zitationshilfe: | Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/76>, abgerufen am 24.02.2025. |