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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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39.
Herr Hüon, als er sie gar ehrbar aufgehoben,
Erwiedert ihren dank mit aller höflichkeit
Der guten alten Ritterszeit,
Die zwar so fein wie unsre nicht gewoben,
Doch desto derber war, und besser farbe hielt.
Des Ritters große pflicht war jungfraun zu beschützen,
Und, wenn er gleich nicht mehr für die als jene fühlt,
Sein blut beym ersten ruf für jede zu verspritzen.
40.
Die Dame hatte noch nicht zeit und ruh genug
Gehabt, den jungen mann genauer zu erwägen;
Izt, da sie ihn vermocht die waffen abzulegen,
Izt hätte sie sich gleich mehr augen wünschen mögen
Als Junos pfau in seinem schweiffe trug,
So sehr däucht ihr der Ritter, zug vor zug,
Von kopf zu fuß, an bildung und gebärden,
An großheit und an reiz, der erste mann auf erden.
41.
Nicht, daß sie just mit jemand ihn verglich
Der zwischen ihm und ihrem herzen stünde;
Ganz arglos überließ sie ihren augen sich,
Und bloßes sehn ist freylich keine sünde.
Kein scrupel störte sie in dieser augenlust,
So sanft spielt noch um ihre junge brust
Der süße Trug; und was sie sicher machte
War, daß ihr herz dabey nicht an Alexis dachte.
42. Ein
39.
Herr Huͤon, als er ſie gar ehrbar aufgehoben,
Erwiedert ihren dank mit aller hoͤflichkeit
Der guten alten Ritterszeit,
Die zwar ſo fein wie unſre nicht gewoben,
Doch deſto derber war, und beſſer farbe hielt.
Des Ritters große pflicht war jungfraun zu beſchuͤtzen,
Und, wenn er gleich nicht mehr fuͤr die als jene fuͤhlt,
Sein blut beym erſten ruf fuͤr jede zu verſpritzen.
40.
Die Dame hatte noch nicht zeit und ruh genug
Gehabt, den jungen mann genauer zu erwaͤgen;
Izt, da ſie ihn vermocht die waffen abzulegen,
Izt haͤtte ſie ſich gleich mehr augen wuͤnſchen moͤgen
Als Junos pfau in ſeinem ſchweiffe trug,
So ſehr daͤucht ihr der Ritter, zug vor zug,
Von kopf zu fuß, an bildung und gebaͤrden,
An großheit und an reiz, der erſte mann auf erden.
41.
Nicht, daß ſie juſt mit jemand ihn verglich
Der zwiſchen ihm und ihrem herzen ſtuͤnde;
Ganz arglos uͤberließ ſie ihren augen ſich,
Und bloßes ſehn iſt freylich keine ſuͤnde.
Kein ſcrupel ſtoͤrte ſie in dieſer augenluſt,
So ſanft ſpielt noch um ihre junge bruſt
Der ſuͤße Trug; und was ſie ſicher machte
War, daß ihr herz dabey nicht an Alexis dachte.
42. Ein
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[0066] 39. Herr Huͤon, als er ſie gar ehrbar aufgehoben, Erwiedert ihren dank mit aller hoͤflichkeit Der guten alten Ritterszeit, Die zwar ſo fein wie unſre nicht gewoben, Doch deſto derber war, und beſſer farbe hielt. Des Ritters große pflicht war jungfraun zu beſchuͤtzen, Und, wenn er gleich nicht mehr fuͤr die als jene fuͤhlt, Sein blut beym erſten ruf fuͤr jede zu verſpritzen. 40. Die Dame hatte noch nicht zeit und ruh genug Gehabt, den jungen mann genauer zu erwaͤgen; Izt, da ſie ihn vermocht die waffen abzulegen, Izt haͤtte ſie ſich gleich mehr augen wuͤnſchen moͤgen Als Junos pfau in ſeinem ſchweiffe trug, So ſehr daͤucht ihr der Ritter, zug vor zug, Von kopf zu fuß, an bildung und gebaͤrden, An großheit und an reiz, der erſte mann auf erden. 41. Nicht, daß ſie juſt mit jemand ihn verglich Der zwiſchen ihm und ihrem herzen ſtuͤnde; Ganz arglos uͤberließ ſie ihren augen ſich, Und bloßes ſehn iſt freylich keine ſuͤnde. Kein ſcrupel ſtoͤrte ſie in dieſer augenluſt, So ſanft ſpielt noch um ihre junge bruſt Der ſuͤße Trug; und was ſie ſicher machte War, daß ihr herz dabey nicht an Alexis dachte. 42. Ein

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/66>, abgerufen am 22.12.2024.