Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
15.
Nun, merkt ihr, (flüstert er zum Ritter) wie es steht?
Und werdet ihr ein andermal mir glauben?
Triffts nicht ganz wörtlich ein? Die thiere, die ihr seht,
Die aus erbarmen uns so stark entgegen schnauben,
Sind menschen, sag ich euch; und wenn ihr weiter geht,
Glaubt mir, so haben wir den Kobold auf der hauben.
Seyd nicht so hart und rennt aus Eigensinn,
Trotz eines freundes rath, in euer unglück hin!
16.
Wie, Alter, spricht der held, ich geh mit diesen schritten
Nach Bagdad, den Kalifen um eine handvoll haar
Aus seinem bart und vier von seinen zähnen zu bitten,
Und du verlangst, ich soll von ungewisser fahr
Mich schrecken lassen? Wo ist dein sinn geblieben?
Wer weiß, der Kobold ist vielleicht mein guter freund.
Mit diesen wenigstens ists nicht so schlimm gemeint;
Sieh, wie sie all in einem huy zerstieben!
17.
Indem ers sagt, so sprengt er auf sie zu,
Und alles weicht wie luft und ist im huy verflogen.
Herr Hüon und sein führer zogen
Nun eine weile fort in ungestörter ruh,
Stillschweigend beyde. Der tag war nun gesunken,
Und ihren mohnsaft goß die braune nacht herab;
Rings um sie lag schon alles schlummertrunken,
Und durch den ganzen wald war's stille wie im grab.
18. Zulezt
C
15.
Nun, merkt ihr, (fluͤſtert er zum Ritter) wie es ſteht?
Und werdet ihr ein andermal mir glauben?
Triffts nicht ganz woͤrtlich ein? Die thiere, die ihr ſeht,
Die aus erbarmen uns ſo ſtark entgegen ſchnauben,
Sind menſchen, ſag ich euch; und wenn ihr weiter geht,
Glaubt mir, ſo haben wir den Kobold auf der hauben.
Seyd nicht ſo hart und rennt aus Eigenſinn,
Trotz eines freundes rath, in euer ungluͤck hin!
16.
Wie, Alter, ſpricht der held, ich geh mit dieſen ſchritten
Nach Bagdad, den Kalifen um eine handvoll haar
Aus ſeinem bart und vier von ſeinen zaͤhnen zu bitten,
Und du verlangſt, ich ſoll von ungewiſſer fahr
Mich ſchrecken laſſen? Wo iſt dein ſinn geblieben?
Wer weiß, der Kobold iſt vielleicht mein guter freund.
Mit dieſen wenigſtens iſts nicht ſo ſchlimm gemeint;
Sieh, wie ſie all in einem huy zerſtieben!
17.
Indem ers ſagt, ſo ſprengt er auf ſie zu,
Und alles weicht wie luft und iſt im huy verflogen.
Herr Huͤon und ſein fuͤhrer zogen
Nun eine weile fort in ungeſtoͤrter ruh,
Stillſchweigend beyde. Der tag war nun geſunken,
Und ihren mohnſaft goß die braune nacht herab;
Rings um ſie lag ſchon alles ſchlummertrunken,
Und durch den ganzen wald war's ſtille wie im grab.
18. Zulezt
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0039"/>
            <lg n="15">
              <head> <hi rendition="#c">15.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">N</hi>un, merkt ihr, (flu&#x0364;&#x017F;tert er zum Ritter) wie es &#x017F;teht?</l><lb/>
              <l>Und werdet ihr ein andermal mir glauben?</l><lb/>
              <l>Triffts nicht ganz wo&#x0364;rtlich ein? Die thiere, die ihr &#x017F;eht,</l><lb/>
              <l>Die aus erbarmen uns &#x017F;o &#x017F;tark entgegen &#x017F;chnauben,</l><lb/>
              <l>Sind men&#x017F;chen, &#x017F;ag ich euch; und wenn ihr weiter geht,</l><lb/>
              <l>Glaubt mir, &#x017F;o haben wir den Kobold auf der hauben.</l><lb/>
              <l>Seyd nicht &#x017F;o hart und rennt aus Eigen&#x017F;inn,</l><lb/>
              <l>Trotz eines freundes rath, in euer unglu&#x0364;ck hin!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="16">
              <head> <hi rendition="#c">16.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">W</hi>ie, Alter, &#x017F;pricht der held, ich geh mit die&#x017F;en &#x017F;chritten</l><lb/>
              <l>Nach Bagdad, den Kalifen um eine handvoll haar</l><lb/>
              <l>Aus &#x017F;einem bart und vier von &#x017F;einen za&#x0364;hnen zu bitten,</l><lb/>
              <l>Und du verlang&#x017F;t, ich &#x017F;oll von ungewi&#x017F;&#x017F;er fahr</l><lb/>
              <l>Mich &#x017F;chrecken la&#x017F;&#x017F;en? Wo i&#x017F;t dein &#x017F;inn geblieben?</l><lb/>
              <l>Wer weiß, der Kobold i&#x017F;t vielleicht mein guter freund.</l><lb/>
              <l>Mit die&#x017F;en wenig&#x017F;tens i&#x017F;ts nicht &#x017F;o &#x017F;chlimm gemeint;</l><lb/>
              <l>Sieh, wie &#x017F;ie all in einem huy zer&#x017F;tieben!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="17">
              <head> <hi rendition="#c">17.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">I</hi>ndem ers &#x017F;agt, &#x017F;o &#x017F;prengt er auf &#x017F;ie zu,</l><lb/>
              <l>Und alles weicht wie luft und i&#x017F;t im huy verflogen.</l><lb/>
              <l>Herr Hu&#x0364;on und &#x017F;ein fu&#x0364;hrer zogen</l><lb/>
              <l>Nun eine weile fort in unge&#x017F;to&#x0364;rter ruh,</l><lb/>
              <l>Still&#x017F;chweigend beyde. Der tag war nun ge&#x017F;unken,</l><lb/>
              <l>Und ihren mohn&#x017F;aft goß die braune nacht herab;</l><lb/>
              <l>Rings um &#x017F;ie lag &#x017F;chon alles &#x017F;chlummertrunken,</l><lb/>
              <l>Und durch den ganzen wald war's &#x017F;tille wie im grab.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">C</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">18. Zulezt</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0039] 15. Nun, merkt ihr, (fluͤſtert er zum Ritter) wie es ſteht? Und werdet ihr ein andermal mir glauben? Triffts nicht ganz woͤrtlich ein? Die thiere, die ihr ſeht, Die aus erbarmen uns ſo ſtark entgegen ſchnauben, Sind menſchen, ſag ich euch; und wenn ihr weiter geht, Glaubt mir, ſo haben wir den Kobold auf der hauben. Seyd nicht ſo hart und rennt aus Eigenſinn, Trotz eines freundes rath, in euer ungluͤck hin! 16. Wie, Alter, ſpricht der held, ich geh mit dieſen ſchritten Nach Bagdad, den Kalifen um eine handvoll haar Aus ſeinem bart und vier von ſeinen zaͤhnen zu bitten, Und du verlangſt, ich ſoll von ungewiſſer fahr Mich ſchrecken laſſen? Wo iſt dein ſinn geblieben? Wer weiß, der Kobold iſt vielleicht mein guter freund. Mit dieſen wenigſtens iſts nicht ſo ſchlimm gemeint; Sieh, wie ſie all in einem huy zerſtieben! 17. Indem ers ſagt, ſo ſprengt er auf ſie zu, Und alles weicht wie luft und iſt im huy verflogen. Herr Huͤon und ſein fuͤhrer zogen Nun eine weile fort in ungeſtoͤrter ruh, Stillſchweigend beyde. Der tag war nun geſunken, Und ihren mohnſaft goß die braune nacht herab; Rings um ſie lag ſchon alles ſchlummertrunken, Und durch den ganzen wald war's ſtille wie im grab. 18. Zulezt C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/39
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/39>, abgerufen am 22.12.2024.