Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.75. In einen sanften schlaf verlohr sich wonniglichDer sel'ge Traum. Und mit dem Tage fanden Sie beyde, Arm in Arm, wie neugeboren, sich Auf einer bank von moos. Zu ihrer seite standen, Reich aufgeschmükt, vier wunderschöne pferde, Und ringsum lag, bey hauffen, im gebüsch Ein prächtig schimmerndes gemisch Von waffen, schmuk und kleidern auf der erde. 76. Herr Hüon, dem das herz von freude überfloß,Wekt seinen Alten auf; Amande Sucht ihren Sohn, der noch auf Fatmens schoos Sanftschlummernd lag. Sie sehn sich um. Wie groß Ist ihr Erstaunen! -- Herr, in welchem lande Glaubt ihr zu seyn? ruft Scherasmin entzükt Dem Ritter zu -- Kommt, seht von diesem stande Nach westen hin, und sagt, was ihr erblikt? 77. Der Ritter schaut hinaus, und trautDem anblik kaum. -- Er, der so viel erfahren, Und dessen augen so gewöhnt an wunder waren, Glaubt kaum was er mit augen schaut. Es ist die Sein', an deren bord sie stehen! Es ist Paris, was sie verbreitet vor sich sehen! Er reibt sich aug und stirn, schaut immer wieder hin, Und ruft: ists möglich, daß ich schon am ziele bin? 78. Nicht lange schaut er hin, vor freude ganz betroffen,So stellt sich ihm ein neues Schauspiel dar. Ihm däucht, daß alles um die Burg in aufruhr war, Man hört trompetenschall, und eine Ritterschaar Trabt U 2
75. In einen ſanften ſchlaf verlohr ſich wonniglichDer ſel'ge Traum. Und mit dem Tage fanden Sie beyde, Arm in Arm, wie neugeboren, ſich Auf einer bank von moos. Zu ihrer ſeite ſtanden, Reich aufgeſchmuͤkt, vier wunderſchoͤne pferde, Und ringsum lag, bey hauffen, im gebuͤſch Ein praͤchtig ſchimmerndes gemiſch Von waffen, ſchmuk und kleidern auf der erde. 76. Herr Huͤon, dem das herz von freude uͤberfloß,Wekt ſeinen Alten auf; Amande Sucht ihren Sohn, der noch auf Fatmens ſchoos Sanftſchlummernd lag. Sie ſehn ſich um. Wie groß Iſt ihr Erſtaunen! — Herr, in welchem lande Glaubt ihr zu ſeyn? ruft Scherasmin entzuͤkt Dem Ritter zu — Kommt, ſeht von dieſem ſtande Nach weſten hin, und ſagt, was ihr erblikt? 77. Der Ritter ſchaut hinaus, und trautDem anblik kaum. — Er, der ſo viel erfahren, Und deſſen augen ſo gewoͤhnt an wunder waren, Glaubt kaum was er mit augen ſchaut. Es iſt die Sein', an deren bord ſie ſtehen! Es iſt Paris, was ſie verbreitet vor ſich ſehen! Er reibt ſich aug und ſtirn, ſchaut immer wieder hin, Und ruft: iſts moͤglich, daß ich ſchon am ziele bin? 78. Nicht lange ſchaut er hin, vor freude ganz betroffen,So ſtellt ſich ihm ein neues Schauſpiel dar. Ihm daͤucht, daß alles um die Burg in aufruhr war, Man hoͤrt trompetenſchall, und eine Ritterſchaar Trabt U 2
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75.
In einen ſanften ſchlaf verlohr ſich wonniglich
Der ſel'ge Traum. Und mit dem Tage fanden
Sie beyde, Arm in Arm, wie neugeboren, ſich
Auf einer bank von moos. Zu ihrer ſeite ſtanden,
Reich aufgeſchmuͤkt, vier wunderſchoͤne pferde,
Und ringsum lag, bey hauffen, im gebuͤſch
Ein praͤchtig ſchimmerndes gemiſch
Von waffen, ſchmuk und kleidern auf der erde.
76.
Herr Huͤon, dem das herz von freude uͤberfloß,
Wekt ſeinen Alten auf; Amande
Sucht ihren Sohn, der noch auf Fatmens ſchoos
Sanftſchlummernd lag. Sie ſehn ſich um. Wie groß
Iſt ihr Erſtaunen! — Herr, in welchem lande
Glaubt ihr zu ſeyn? ruft Scherasmin entzuͤkt
Dem Ritter zu — Kommt, ſeht von dieſem ſtande
Nach weſten hin, und ſagt, was ihr erblikt?
77.
Der Ritter ſchaut hinaus, und traut
Dem anblik kaum. — Er, der ſo viel erfahren,
Und deſſen augen ſo gewoͤhnt an wunder waren,
Glaubt kaum was er mit augen ſchaut.
Es iſt die Sein', an deren bord ſie ſtehen!
Es iſt Paris, was ſie verbreitet vor ſich ſehen!
Er reibt ſich aug und ſtirn, ſchaut immer wieder hin,
Und ruft: iſts moͤglich, daß ich ſchon am ziele bin?
78.
Nicht lange ſchaut er hin, vor freude ganz betroffen,
So ſtellt ſich ihm ein neues Schauſpiel dar.
Ihm daͤucht, daß alles um die Burg in aufruhr war,
Man hoͤrt trompetenſchall, und eine Ritterſchaar
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