Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.45. Begehr, o Schönste, spricht erstaunt und froh zugleich,Der Sultan: laß mich nicht in Ungewisheit schweben! Dir zu gefallen ist mein feurigstes bestreben; Begehre frey! Mein Schaz, mein Thron, mein Reich, Nichts ist zuviel, was Du verlangst und ich zu geben Vermag. Ein einzigs nur behält sich Mansor vor, Dich selbst! -- "Du schwörst es mir? --" Der liebestrunkne Mohr Beschwörts -- "So schenke mir des gärtners Hassan leben!" 46. Wie, ruft der Sultan mit bestürzter mine,Welch eine bitte, Zoradine? Was geht das leben dich von diesem Sclaven an? "O viel, Almansor, viel! Mein eignes hängt daran!" Sprichst du im Fieber? Schwärmest du? Verzeihe, Doch, du mißbrauchst des unbegrenzten Rechts Das dir die Schönheit giebt -- Am leben eines knechts Der sein Verbrechen büßt? -- "Er büßt für seine Treue!" 47. "Mir ist sein herz bekannt, er hält an seiner pflicht,Ist schuldlos, ist ein Mann von unverlezter Ehre; Und doch -- o Mansor! -- wenn er schuldig wäre, So räche sein vergehn an Zoradinen nicht!" Mit augen die von kaum verhaltnem grimme funkeln, Ruft Mansor: Grausame, was quält dein zögern mich? Welch ein geheimnis dämmert aus dem dunkeln Verhaßten räthsel auf? Was ist dir Hassan? Sprich! 48. "So T 5
45. Begehr, o Schoͤnſte, ſpricht erſtaunt und froh zugleich,Der Sultan: laß mich nicht in Ungewisheit ſchweben! Dir zu gefallen iſt mein feurigſtes beſtreben; Begehre frey! Mein Schaz, mein Thron, mein Reich, Nichts iſt zuviel, was Du verlangſt und ich zu geben Vermag. Ein einzigs nur behaͤlt ſich Manſor vor, Dich ſelbſt! — „Du ſchwoͤrſt es mir? —“ Der liebestrunkne Mohr Beſchwoͤrts — „So ſchenke mir des gaͤrtners Haſſan leben!“ 46. Wie, ruft der Sultan mit beſtuͤrzter mine,Welch eine bitte, Zoradine? Was geht das leben dich von dieſem Sclaven an? „O viel, Almanſor, viel! Mein eignes haͤngt daran!“ Sprichſt du im Fieber? Schwaͤrmeſt du? Verzeihe, Doch, du mißbrauchſt des unbegrenzten Rechts Das dir die Schoͤnheit giebt — Am leben eines knechts Der ſein Verbrechen buͤßt? — „Er buͤßt fuͤr ſeine Treue!“ 47. „Mir iſt ſein herz bekannt, er haͤlt an ſeiner pflicht,Iſt ſchuldlos, iſt ein Mann von unverlezter Ehre; Und doch — o Manſor! — wenn er ſchuldig waͤre, So raͤche ſein vergehn an Zoradinen nicht!“ Mit augen die von kaum verhaltnem grimme funkeln, Ruft Manſor: Grauſame, was quaͤlt dein zoͤgern mich? Welch ein geheimnis daͤmmert aus dem dunkeln Verhaßten raͤthſel auf? Was iſt dir Haſſan? Sprich! 48. „So T 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0303"/> <lg n="45"> <head> <hi rendition="#c">45.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">B</hi>egehr, o Schoͤnſte, ſpricht erſtaunt und froh zugleich,</l><lb/> <l>Der Sultan: laß mich nicht in Ungewisheit ſchweben!</l><lb/> <l>Dir zu gefallen iſt mein feurigſtes beſtreben;</l><lb/> <l>Begehre frey! Mein Schaz, mein Thron, mein Reich,</l><lb/> <l>Nichts iſt zuviel, was Du verlangſt und ich zu geben</l><lb/> <l>Vermag. Ein einzigs nur behaͤlt ſich Manſor vor,</l><lb/> <l>Dich ſelbſt! — „Du ſchwoͤrſt es mir? —“ Der liebestrunkne Mohr</l><lb/> <l>Beſchwoͤrts — „So ſchenke mir des gaͤrtners Haſſan leben!“</l> </lg><lb/> <lg n="46"> <head> <hi rendition="#c">46.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">W</hi>ie, ruft der Sultan mit beſtuͤrzter mine,</l><lb/> <l>Welch eine bitte, Zoradine?</l><lb/> <l>Was geht das leben dich von dieſem Sclaven an?</l><lb/> <l>„O viel, Almanſor, viel! Mein eignes haͤngt daran!“</l><lb/> <l>Sprichſt du im Fieber? Schwaͤrmeſt du? Verzeihe,</l><lb/> <l>Doch, du mißbrauchſt des unbegrenzten Rechts</l><lb/> <l>Das dir die Schoͤnheit giebt — Am leben eines knechts</l><lb/> <l>Der ſein Verbrechen buͤßt? — „Er buͤßt fuͤr ſeine Treue!“</l> </lg><lb/> <lg n="47"> <head> <hi rendition="#c">47.</hi> </head><lb/> <l>„<hi rendition="#in">M</hi>ir iſt ſein herz bekannt, er haͤlt an ſeiner pflicht,</l><lb/> <l>Iſt ſchuldlos, iſt ein Mann von unverlezter Ehre;</l><lb/> <l>Und doch — o Manſor! — wenn er ſchuldig waͤre,</l><lb/> <l>So raͤche ſein vergehn an Zoradinen nicht!“</l><lb/> <l>Mit augen die von kaum verhaltnem grimme funkeln,</l><lb/> <l>Ruft Manſor: Grauſame, was quaͤlt dein zoͤgern mich?</l><lb/> <l>Welch ein geheimnis daͤmmert aus dem dunkeln</l><lb/> <l>Verhaßten raͤthſel auf? Was iſt dir Haſſan? Sprich!</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">T 5</fw> <fw place="bottom" type="catch">48. „So</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0303]
45.
Begehr, o Schoͤnſte, ſpricht erſtaunt und froh zugleich,
Der Sultan: laß mich nicht in Ungewisheit ſchweben!
Dir zu gefallen iſt mein feurigſtes beſtreben;
Begehre frey! Mein Schaz, mein Thron, mein Reich,
Nichts iſt zuviel, was Du verlangſt und ich zu geben
Vermag. Ein einzigs nur behaͤlt ſich Manſor vor,
Dich ſelbſt! — „Du ſchwoͤrſt es mir? —“ Der liebestrunkne Mohr
Beſchwoͤrts — „So ſchenke mir des gaͤrtners Haſſan leben!“
46.
Wie, ruft der Sultan mit beſtuͤrzter mine,
Welch eine bitte, Zoradine?
Was geht das leben dich von dieſem Sclaven an?
„O viel, Almanſor, viel! Mein eignes haͤngt daran!“
Sprichſt du im Fieber? Schwaͤrmeſt du? Verzeihe,
Doch, du mißbrauchſt des unbegrenzten Rechts
Das dir die Schoͤnheit giebt — Am leben eines knechts
Der ſein Verbrechen buͤßt? — „Er buͤßt fuͤr ſeine Treue!“
47.
„Mir iſt ſein herz bekannt, er haͤlt an ſeiner pflicht,
Iſt ſchuldlos, iſt ein Mann von unverlezter Ehre;
Und doch — o Manſor! — wenn er ſchuldig waͤre,
So raͤche ſein vergehn an Zoradinen nicht!“
Mit augen die von kaum verhaltnem grimme funkeln,
Ruft Manſor: Grauſame, was quaͤlt dein zoͤgern mich?
Welch ein geheimnis daͤmmert aus dem dunkeln
Verhaßten raͤthſel auf? Was iſt dir Haſſan? Sprich!
48. „So
T 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |