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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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39.
Inzwischen hatte das gerüchte,
Das Unglüksmähren gern verbreitet und verziert,
Von ihrem Herrn die traurige geschichte
Auch Scherasmin und Fatmen zugeführt.
Der schöne Hassan, hieß es, sey im bade
Vom Sultan mit Almansaris allein
Gefunden worden, und morgen, ohne gnade,
Werd' er, im großen hof, ein raub der Flammen seyn.
40.
Ob Hüon schuldlos sey war ihnen keine frage;
Sie kannten ja der sachen wahre lage.
Doch, hätt' er auch gefehlt, so war er mitleidswerth.
In fällen dieser art wird ächte Treu bewährt.
Anstatt die zeit mit jammern zu verderben,
Beschlossen sie, das äusserste für ihn
Zu wagen, um ihn noch aus dieser noth zu ziehn,
Und, schlüg' es fehl, mit ihrem Herrn zu sterben.
41.
Kurz eh der tag begann, gelingt es Fatmens mut
Und wachsamkeit die Hüter zu betrügen,
Und unerkannt sich bis ins schlafgemach zu schmiegen
Wo Rezia, von Hüon träumend, ruht.
Des unverhoften wiedersehens freude
Macht einen augenblik sie sprachlos alle beyde.
Das erste wort das Fatme sprechen kann,
Ist Hüon, ist bericht von dem geliebten Mann.
42. Was
T 4
39.
Inzwiſchen hatte das geruͤchte,
Das Ungluͤksmaͤhren gern verbreitet und verziert,
Von ihrem Herrn die traurige geſchichte
Auch Scherasmin und Fatmen zugefuͤhrt.
Der ſchoͤne Haſſan, hieß es, ſey im bade
Vom Sultan mit Almanſaris allein
Gefunden worden, und morgen, ohne gnade,
Werd' er, im großen hof, ein raub der Flammen ſeyn.
40.
Ob Huͤon ſchuldlos ſey war ihnen keine frage;
Sie kannten ja der ſachen wahre lage.
Doch, haͤtt' er auch gefehlt, ſo war er mitleidswerth.
In faͤllen dieſer art wird aͤchte Treu bewaͤhrt.
Anſtatt die zeit mit jammern zu verderben,
Beſchloſſen ſie, das aͤuſſerſte fuͤr ihn
Zu wagen, um ihn noch aus dieſer noth zu ziehn,
Und, ſchluͤg' es fehl, mit ihrem Herrn zu ſterben.
41.
Kurz eh der tag begann, gelingt es Fatmens mut
Und wachſamkeit die Huͤter zu betruͤgen,
Und unerkannt ſich bis ins ſchlafgemach zu ſchmiegen
Wo Rezia, von Huͤon traͤumend, ruht.
Des unverhoften wiederſehens freude
Macht einen augenblik ſie ſprachlos alle beyde.
Das erſte wort das Fatme ſprechen kann,
Iſt Huͤon, iſt bericht von dem geliebten Mann.
42. Was
T 4
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[0301] 39. Inzwiſchen hatte das geruͤchte, Das Ungluͤksmaͤhren gern verbreitet und verziert, Von ihrem Herrn die traurige geſchichte Auch Scherasmin und Fatmen zugefuͤhrt. Der ſchoͤne Haſſan, hieß es, ſey im bade Vom Sultan mit Almanſaris allein Gefunden worden, und morgen, ohne gnade, Werd' er, im großen hof, ein raub der Flammen ſeyn. 40. Ob Huͤon ſchuldlos ſey war ihnen keine frage; Sie kannten ja der ſachen wahre lage. Doch, haͤtt' er auch gefehlt, ſo war er mitleidswerth. In faͤllen dieſer art wird aͤchte Treu bewaͤhrt. Anſtatt die zeit mit jammern zu verderben, Beſchloſſen ſie, das aͤuſſerſte fuͤr ihn Zu wagen, um ihn noch aus dieſer noth zu ziehn, Und, ſchluͤg' es fehl, mit ihrem Herrn zu ſterben. 41. Kurz eh der tag begann, gelingt es Fatmens mut Und wachſamkeit die Huͤter zu betruͤgen, Und unerkannt ſich bis ins ſchlafgemach zu ſchmiegen Wo Rezia, von Huͤon traͤumend, ruht. Des unverhoften wiederſehens freude Macht einen augenblik ſie ſprachlos alle beyde. Das erſte wort das Fatme ſprechen kann, Iſt Huͤon, iſt bericht von dem geliebten Mann. 42. Was T 4

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/301>, abgerufen am 24.11.2024.