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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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15.
Erblassend, ohne glanz, naht sich der Sylfe, blikt
Ihn schweigend an, und seine augen fragen
Dem kummer nach, der seinen König drükt;
Denn ehrfurcht hemmet ihn die frage laut zu wagen.
Schau auf, spricht Oberon. Und mit dem worte weist
In einer wolke, die mit ausgespanntem flügel
Vorüberfährt, sich dem bestürzten Geist
Des armen Hüons bild, als wie in einem spiegel.
16.
Versunken in der tiefsten noth,
An seines herzens offnen wunden
Verblutend, steht er da, verlassen und gebunden
Im öden wald, und stirbt den langen martertod.
In diesem hoffnunglosen stande
Hebt seine Seele noch das zürnende gefühl:
"Verdient' ich das? Verdiente das Amande?
Ist unser Elend nur der höhern Wesen spiel?"
17.
"Wie untheilnehmend bleibt bey meinem furchtbarn leiden,
Wie ruhig alles um mich her?
Kein Wesen fühlt mit mir; kein sandkorn rükt am meer
Aus seinem plaz, kein blat in diesen laubgebäuden
Fällt meinetwegen ab. Ein scharfer kiesel wär'
Um meine bande durchzuschneiden
Genugsam -- ach! im ganzen raum der zeit
Ist keine hand, die ihm dazu bewegung leiht!"
18. Und
Q 3
15.
Erblaſſend, ohne glanz, naht ſich der Sylfe, blikt
Ihn ſchweigend an, und ſeine augen fragen
Dem kummer nach, der ſeinen Koͤnig druͤkt;
Denn ehrfurcht hemmet ihn die frage laut zu wagen.
Schau auf, ſpricht Oberon. Und mit dem worte weiſt
In einer wolke, die mit ausgeſpanntem fluͤgel
Voruͤberfaͤhrt, ſich dem beſtuͤrzten Geiſt
Des armen Huͤons bild, als wie in einem ſpiegel.
16.
Verſunken in der tiefſten noth,
An ſeines herzens offnen wunden
Verblutend, ſteht er da, verlaſſen und gebunden
Im oͤden wald, und ſtirbt den langen martertod.
In dieſem hoffnungloſen ſtande
Hebt ſeine Seele noch das zuͤrnende gefuͤhl:
„Verdient' ich das? Verdiente das Amande?
Iſt unſer Elend nur der hoͤhern Weſen ſpiel?“
17.
Wie untheilnehmend bleibt bey meinem furchtbarn leiden,
Wie ruhig alles um mich her?
Kein Weſen fuͤhlt mit mir; kein ſandkorn ruͤkt am meer
Aus ſeinem plaz, kein blat in dieſen laubgebaͤuden
Faͤllt meinetwegen ab. Ein ſcharfer kieſel waͤr'
Um meine bande durchzuſchneiden
Genugſam — ach! im ganzen raum der zeit
Iſt keine hand, die ihm dazu bewegung leiht!“
18. Und
Q 3
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[0251] 15. Erblaſſend, ohne glanz, naht ſich der Sylfe, blikt Ihn ſchweigend an, und ſeine augen fragen Dem kummer nach, der ſeinen Koͤnig druͤkt; Denn ehrfurcht hemmet ihn die frage laut zu wagen. Schau auf, ſpricht Oberon. Und mit dem worte weiſt In einer wolke, die mit ausgeſpanntem fluͤgel Voruͤberfaͤhrt, ſich dem beſtuͤrzten Geiſt Des armen Huͤons bild, als wie in einem ſpiegel. 16. Verſunken in der tiefſten noth, An ſeines herzens offnen wunden Verblutend, ſteht er da, verlaſſen und gebunden Im oͤden wald, und ſtirbt den langen martertod. In dieſem hoffnungloſen ſtande Hebt ſeine Seele noch das zuͤrnende gefuͤhl: „Verdient' ich das? Verdiente das Amande? Iſt unſer Elend nur der hoͤhern Weſen ſpiel?“ 17. „Wie untheilnehmend bleibt bey meinem furchtbarn leiden, Wie ruhig alles um mich her? Kein Weſen fuͤhlt mit mir; kein ſandkorn ruͤkt am meer Aus ſeinem plaz, kein blat in dieſen laubgebaͤuden Faͤllt meinetwegen ab. Ein ſcharfer kieſel waͤr' Um meine bande durchzuſchneiden Genugſam — ach! im ganzen raum der zeit Iſt keine hand, die ihm dazu bewegung leiht!“ 18. Und Q 3

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/251>, abgerufen am 24.11.2024.