Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.6. Der ist des todes (fährt er fort,Mit einem blik und ton, der alles volk am bord Erzittern macht) der je des frevels sich verwäget Und seine hand an diesen schleyer leget! Betrachtet sie von diesem augenblik Als ein juwel, das schon Almansorn angehöret. Er sagts, und zieht, damit sie ungestöret Der ruhe pflegen kann, kniebeugend sich zurük. 7. Amanda, ohne auf des räubers wort zu hören,Bewegunglos, betäubt von ihrem unglük, sizt, Die hände vor der stirn, die arme aufgestüzt Auf ihre knie', mit starren, thränenleeren Erloschnen augen da. Ihr jammer ist zu groß Ihn auszusprechen, ihn zu tragen Ihr starkes herz zu schwach. Nur diesen lezten stoß Erträgt sie nicht. Sie sinkt; doch sinkt sie ohne klagen. 8. Sie schaut nach trost sich um, und findet keinen -- leerUnd hoffnunglos und nacht, wie ihre seele, Ist alles, alles um sie her; Die ganze welt verkehrt in eine mörderhöle! Sie starrt zum Himmel auf -- auch Der Hat keinen trost, hat keinen Engel mehr! Am abgrund der verzweiflung, wo sie schwebet, Steht noch der tod allein, der sie im sinken hebet. 9. Mit-
6. Der iſt des todes (faͤhrt er fort,Mit einem blik und ton, der alles volk am bord Erzittern macht) der je des frevels ſich verwaͤget Und ſeine hand an dieſen ſchleyer leget! Betrachtet ſie von dieſem augenblik Als ein juwel, das ſchon Almanſorn angehoͤret. Er ſagts, und zieht, damit ſie ungeſtoͤret Der ruhe pflegen kann, kniebeugend ſich zuruͤk. 7. Amanda, ohne auf des raͤubers wort zu hoͤren,Bewegunglos, betaͤubt von ihrem ungluͤk, ſizt, Die haͤnde vor der ſtirn, die arme aufgeſtuͤzt Auf ihre knie', mit ſtarren, thraͤnenleeren Erloſchnen augen da. Ihr jammer iſt zu groß Ihn auszuſprechen, ihn zu tragen Ihr ſtarkes herz zu ſchwach. Nur dieſen lezten ſtoß Ertraͤgt ſie nicht. Sie ſinkt; doch ſinkt ſie ohne klagen. 8. Sie ſchaut nach troſt ſich um, und findet keinen — leerUnd hoffnunglos und nacht, wie ihre ſeele, Iſt alles, alles um ſie her; Die ganze welt verkehrt in eine moͤrderhoͤle! Sie ſtarrt zum Himmel auf — auch Der Hat keinen troſt, hat keinen Engel mehr! Am abgrund der verzweiflung, wo ſie ſchwebet, Steht noch der tod allein, der ſie im ſinken hebet. 9. Mit-
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6.
Der iſt des todes (faͤhrt er fort,
Mit einem blik und ton, der alles volk am bord
Erzittern macht) der je des frevels ſich verwaͤget
Und ſeine hand an dieſen ſchleyer leget!
Betrachtet ſie von dieſem augenblik
Als ein juwel, das ſchon Almanſorn angehoͤret.
Er ſagts, und zieht, damit ſie ungeſtoͤret
Der ruhe pflegen kann, kniebeugend ſich zuruͤk.
7.
Amanda, ohne auf des raͤubers wort zu hoͤren,
Bewegunglos, betaͤubt von ihrem ungluͤk, ſizt,
Die haͤnde vor der ſtirn, die arme aufgeſtuͤzt
Auf ihre knie', mit ſtarren, thraͤnenleeren
Erloſchnen augen da. Ihr jammer iſt zu groß
Ihn auszuſprechen, ihn zu tragen
Ihr ſtarkes herz zu ſchwach. Nur dieſen lezten ſtoß
Ertraͤgt ſie nicht. Sie ſinkt; doch ſinkt ſie ohne klagen.
8.
Sie ſchaut nach troſt ſich um, und findet keinen — leer
Und hoffnunglos und nacht, wie ihre ſeele,
Iſt alles, alles um ſie her;
Die ganze welt verkehrt in eine moͤrderhoͤle!
Sie ſtarrt zum Himmel auf — auch Der
Hat keinen troſt, hat keinen Engel mehr!
Am abgrund der verzweiflung, wo ſie ſchwebet,
Steht noch der tod allein, der ſie im ſinken hebet.
9. Mit-
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