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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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59.
Kaum sprach er's aus, so kömmts ihm vor,
Als hör' er wie das rieseln einer quelle
Nicht fern von ihm. Er lauscht mit scharfem ohr;
Es rieselt fort -- Entzükt dankt er empor,
Und sucht umher; und, bey der schwachen Helle
Der dämmerung, entdekt er bald die stelle.
In eine muschel faßt er auf den süßen thau,
Und eilt zurük und labt die fast verlechzte Frau.
60.
Gemächlicher des labsals zu genießen
Trägt er sie selbst zur nahen quelle hin.
Es war nur Wasser -- doch, dem halberstorbnen sinn
Scheint Lebensgeist den gaum hinabzufließen,
Däucht jeder zug herzstärkender als wein
Und süß wie milch und sanft wie öl zu seyn;
Es hat die kraft zu speisen und zu tränken,
Und alles leiden in vergessenheit zu senken.
61.
Erquikt, gestärkt, und neuen glaubens voll
Erstatten sie dem, der zum zweytenmale
Sie nun dem tod entriß, des dankes frohen zoll;
Umarmen sich, und, nach der lezten schale,
Strikt unvermerkt, am quell auf kühlem moos,
Der süße Tröster alles kummers
Das band der müden glieder los,
Und lieblich ruhn sie aus im weichen arm des schlummers.
Obe-
M
59.
Kaum ſprach er's aus, ſo koͤmmts ihm vor,
Als hoͤr' er wie das rieſeln einer quelle
Nicht fern von ihm. Er lauſcht mit ſcharfem ohr;
Es rieſelt fort — Entzuͤkt dankt er empor,
Und ſucht umher; und, bey der ſchwachen Helle
Der daͤmmerung, entdekt er bald die ſtelle.
In eine muſchel faßt er auf den ſuͤßen thau,
Und eilt zuruͤk und labt die faſt verlechzte Frau.
60.
Gemaͤchlicher des labſals zu genießen
Traͤgt er ſie ſelbſt zur nahen quelle hin.
Es war nur Waſſer — doch, dem halberſtorbnen ſinn
Scheint Lebensgeiſt den gaum hinabzufließen,
Daͤucht jeder zug herzſtaͤrkender als wein
Und ſuͤß wie milch und ſanft wie oͤl zu ſeyn;
Es hat die kraft zu ſpeiſen und zu traͤnken,
Und alles leiden in vergeſſenheit zu ſenken.
61.
Erquikt, geſtaͤrkt, und neuen glaubens voll
Erſtatten ſie dem, der zum zweytenmale
Sie nun dem tod entriß, des dankes frohen zoll;
Umarmen ſich, und, nach der lezten ſchale,
Strikt unvermerkt, am quell auf kuͤhlem moos,
Der ſuͤße Troͤſter alles kummers
Das band der muͤden glieder los,
Und lieblich ruhn ſie aus im weichen arm des ſchlummers.
Obe-
M
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[0183] 59. Kaum ſprach er's aus, ſo koͤmmts ihm vor, Als hoͤr' er wie das rieſeln einer quelle Nicht fern von ihm. Er lauſcht mit ſcharfem ohr; Es rieſelt fort — Entzuͤkt dankt er empor, Und ſucht umher; und, bey der ſchwachen Helle Der daͤmmerung, entdekt er bald die ſtelle. In eine muſchel faßt er auf den ſuͤßen thau, Und eilt zuruͤk und labt die faſt verlechzte Frau. 60. Gemaͤchlicher des labſals zu genießen Traͤgt er ſie ſelbſt zur nahen quelle hin. Es war nur Waſſer — doch, dem halberſtorbnen ſinn Scheint Lebensgeiſt den gaum hinabzufließen, Daͤucht jeder zug herzſtaͤrkender als wein Und ſuͤß wie milch und ſanft wie oͤl zu ſeyn; Es hat die kraft zu ſpeiſen und zu traͤnken, Und alles leiden in vergeſſenheit zu ſenken. 61. Erquikt, geſtaͤrkt, und neuen glaubens voll Erſtatten ſie dem, der zum zweytenmale Sie nun dem tod entriß, des dankes frohen zoll; Umarmen ſich, und, nach der lezten ſchale, Strikt unvermerkt, am quell auf kuͤhlem moos, Der ſuͤße Troͤſter alles kummers Das band der muͤden glieder los, Und lieblich ruhn ſie aus im weichen arm des ſchlummers. Obe- M

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/183>, abgerufen am 24.11.2024.