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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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29.
Und mit entschloßnem schritt naht sich der Paladin
Dem Bord des schiffs. Auf einmal stürzt die Schöne,
Die eine weile her lebloser marmor schien,
Gleich einer rasenden durch alles volk auf ihn:
Es weht im sturm ihr haar wie eines Löwen mähne;
Mit hochgeschwellter brust und augen ohne thräne
Schlingt sie den starken arm in liebevoller wut
Um Hüon her, und reißt ihn mit sich in die flut.
30.
Verzweifelnd will ihr nach die treue Fatme springen;
Man hält sie mit gewalt. Sie sieht die holden Zwey,
So fest umarmt, wie reben sich umschlingen,
Schnell fortgewälzt, nur schwach noch mit den wogen ringen,
Und da sie nichts mehr sieht, erfüllt ihr angstgeschrey
Das ganze Schiff. Wer kann ihr wiederbringen
Was sie verliehrt? Mit ihrer Königin
Ist alles was sie liebt und hofft auf ewig hin.
31.
Indessen hatte kaum die aufgebrachten wogen
Des Ritters haupt berührt, so legt, o wunder! sich
Des Ungewitters grimm! Der donner schweigt; entflogen.
Ist straks der winde schaar; das meer, so fürchterlich
Kaum aufgebirgt, sinkt wieder bis zur glätte
Des hellsten teichs, wallt wie ein lilienbette:
Das schiff sezt seinen weg mit rudern munter fort,
Und, nur zween tage noch, so ruht's im sichern port.
32. Wie
L 4
29.
Und mit entſchloßnem ſchritt naht ſich der Paladin
Dem Bord des ſchiffs. Auf einmal ſtuͤrzt die Schoͤne,
Die eine weile her lebloſer marmor ſchien,
Gleich einer raſenden durch alles volk auf ihn:
Es weht im ſturm ihr haar wie eines Loͤwen maͤhne;
Mit hochgeſchwellter bruſt und augen ohne thraͤne
Schlingt ſie den ſtarken arm in liebevoller wut
Um Huͤon her, und reißt ihn mit ſich in die flut.
30.
Verzweifelnd will ihr nach die treue Fatme ſpringen;
Man haͤlt ſie mit gewalt. Sie ſieht die holden Zwey,
So feſt umarmt, wie reben ſich umſchlingen,
Schnell fortgewaͤlzt, nur ſchwach noch mit den wogen ringen,
Und da ſie nichts mehr ſieht, erfuͤllt ihr angſtgeſchrey
Das ganze Schiff. Wer kann ihr wiederbringen
Was ſie verliehrt? Mit ihrer Koͤnigin
Iſt alles was ſie liebt und hofft auf ewig hin.
31.
Indeſſen hatte kaum die aufgebrachten wogen
Des Ritters haupt beruͤhrt, ſo legt, o wunder! ſich
Des Ungewitters grimm! Der donner ſchweigt; entflogen.
Iſt ſtraks der winde ſchaar; das meer, ſo fuͤrchterlich
Kaum aufgebirgt, ſinkt wieder bis zur glaͤtte
Des hellſten teichs, wallt wie ein lilienbette:
Das ſchiff ſezt ſeinen weg mit rudern munter fort,
Und, nur zween tage noch, ſo ruht's im ſichern port.
32. Wie
L 4
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[0173] 29. Und mit entſchloßnem ſchritt naht ſich der Paladin Dem Bord des ſchiffs. Auf einmal ſtuͤrzt die Schoͤne, Die eine weile her lebloſer marmor ſchien, Gleich einer raſenden durch alles volk auf ihn: Es weht im ſturm ihr haar wie eines Loͤwen maͤhne; Mit hochgeſchwellter bruſt und augen ohne thraͤne Schlingt ſie den ſtarken arm in liebevoller wut Um Huͤon her, und reißt ihn mit ſich in die flut. 30. Verzweifelnd will ihr nach die treue Fatme ſpringen; Man haͤlt ſie mit gewalt. Sie ſieht die holden Zwey, So feſt umarmt, wie reben ſich umſchlingen, Schnell fortgewaͤlzt, nur ſchwach noch mit den wogen ringen, Und da ſie nichts mehr ſieht, erfuͤllt ihr angſtgeſchrey Das ganze Schiff. Wer kann ihr wiederbringen Was ſie verliehrt? Mit ihrer Koͤnigin Iſt alles was ſie liebt und hofft auf ewig hin. 31. Indeſſen hatte kaum die aufgebrachten wogen Des Ritters haupt beruͤhrt, ſo legt, o wunder! ſich Des Ungewitters grimm! Der donner ſchweigt; entflogen. Iſt ſtraks der winde ſchaar; das meer, ſo fuͤrchterlich Kaum aufgebirgt, ſinkt wieder bis zur glaͤtte Des hellſten teichs, wallt wie ein lilienbette: Das ſchiff ſezt ſeinen weg mit rudern munter fort, Und, nur zween tage noch, ſo ruht's im ſichern port. 32. Wie L 4

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/173>, abgerufen am 26.11.2024.