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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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21.
Und was entschädigt sie? Der Stadt gesell'ge freuden,
Tanz, schauspiel, alles das ist ihr verbotne frucht!
Von niemand wird ihr altes schloß besucht;
Als giengen Geister drinn scheint jeder es zu meiden.
Ein großer garten, hoch mit einer mau'r umfaßt,
Ist alles was sie hat -- im kreis sich zu bewegen;
Zum träumen kann sie da an einen baum sich legen,
Und dann sogar ist ihr der blinde mann zur last.
22.
Ein junger Edelknecht, in Gangolfs schloß erzogen
Und über seinen stall gesezt,
Wird izt zum erstenmal betrachtenswert geschäzt.
Er hatte zwar schon lange sich verwogen,
Mit schmachtender begier die Dame anzusehn,
Und oft gesucht ihr's mündlich zu gestehn,
Doch, da sie stets dem anlas ausgebogen,
Auch wieder ehrfurchtsvoll zurücke sich gezogen.
23.
Itzt aber, da verdruß und gram
Und langeweil bey tag, und noch langweil'gers wachen
Bey nacht, zerstreuungen ihr zum bedürfnis machen,
Kein wunder, daß sie izt die sache anders nahm.
Es däucht ihr hart, in ihren schönsten tagen
So gänzlich allem trost des lebens zu entsagen;
Und Walter, dessen blik izt wieder mut bekam,
War unermüdet, sich zum tröster anzutragen.
24. Sein
21.
Und was entſchaͤdigt ſie? Der Stadt geſell'ge freuden,
Tanz, ſchauſpiel, alles das iſt ihr verbotne frucht!
Von niemand wird ihr altes ſchloß beſucht;
Als giengen Geiſter drinn ſcheint jeder es zu meiden.
Ein großer garten, hoch mit einer mau'r umfaßt,
Iſt alles was ſie hat — im kreis ſich zu bewegen;
Zum traͤumen kann ſie da an einen baum ſich legen,
Und dann ſogar iſt ihr der blinde mann zur laſt.
22.
Ein junger Edelknecht, in Gangolfs ſchloß erzogen
Und uͤber ſeinen ſtall geſezt,
Wird izt zum erſtenmal betrachtenswert geſchaͤzt.
Er hatte zwar ſchon lange ſich verwogen,
Mit ſchmachtender begier die Dame anzuſehn,
Und oft geſucht ihr's muͤndlich zu geſtehn,
Doch, da ſie ſtets dem anlas ausgebogen,
Auch wieder ehrfurchtsvoll zuruͤcke ſich gezogen.
23.
Itzt aber, da verdruß und gram
Und langeweil bey tag, und noch langweil'gers wachen
Bey nacht, zerſtreuungen ihr zum beduͤrfnis machen,
Kein wunder, daß ſie izt die ſache anders nahm.
Es daͤucht ihr hart, in ihren ſchoͤnſten tagen
So gaͤnzlich allem troſt des lebens zu entſagen;
Und Walter, deſſen blik izt wieder mut bekam,
War unermuͤdet, ſich zum troͤſter anzutragen.
24. Sein
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[0146] 21. Und was entſchaͤdigt ſie? Der Stadt geſell'ge freuden, Tanz, ſchauſpiel, alles das iſt ihr verbotne frucht! Von niemand wird ihr altes ſchloß beſucht; Als giengen Geiſter drinn ſcheint jeder es zu meiden. Ein großer garten, hoch mit einer mau'r umfaßt, Iſt alles was ſie hat — im kreis ſich zu bewegen; Zum traͤumen kann ſie da an einen baum ſich legen, Und dann ſogar iſt ihr der blinde mann zur laſt. 22. Ein junger Edelknecht, in Gangolfs ſchloß erzogen Und uͤber ſeinen ſtall geſezt, Wird izt zum erſtenmal betrachtenswert geſchaͤzt. Er hatte zwar ſchon lange ſich verwogen, Mit ſchmachtender begier die Dame anzuſehn, Und oft geſucht ihr's muͤndlich zu geſtehn, Doch, da ſie ſtets dem anlas ausgebogen, Auch wieder ehrfurchtsvoll zuruͤcke ſich gezogen. 23. Itzt aber, da verdruß und gram Und langeweil bey tag, und noch langweil'gers wachen Bey nacht, zerſtreuungen ihr zum beduͤrfnis machen, Kein wunder, daß ſie izt die ſache anders nahm. Es daͤucht ihr hart, in ihren ſchoͤnſten tagen So gaͤnzlich allem troſt des lebens zu entſagen; Und Walter, deſſen blik izt wieder mut bekam, War unermuͤdet, ſich zum troͤſter anzutragen. 24. Sein

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/146>, abgerufen am 27.11.2024.