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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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18.
Der sclaverey, worinn das gute junge weib
Seit dieser zeit verlechzt, ist keine zu vergleichen;
Stets angeschnallt an seinen siechen leib
Darf sie ihm tag und nacht nicht von der seite weichen.
Mißtrauisch aufgeschrekt von jedem leisen wort,
Trägt er die augen nun an seinen finger-enden,
Und nachts liegt eine stets von seinen knot'gen händen
Bald da, bald dort auf ihr, aus furcht sie schleich' ihm fort.
19.
So sanft Rosette war, so fiel doch solch betragen
Ihr schwer aufs herz. Er nennt es Liebe zwar:
Allein sie sah zuwohl nur was es war,
Und fieng, anstatt sich fruchtlos zu beklagen,
Zu überlegen an. So neben einem Mann
Von siebenzig, mit gicht und stein beladen,
Durchs leben, wie durch einen sumpf, zu waden,
Und noch gequält dazu, däucht ihr ein harter bann.
20.
Gar vieles, was sie sonst geduldig übersehen,
Scheint in dem licht, worinn sie izt es sehen muß,
Höchst widerlich und gar nicht auszustehen.
Sein zärtlichthun ist izt ihr herzlichster verdruß,
Sein scherz unleidlich plump, und eckelhaft sein kuß;
Wagt er noch mehr, so möchte man vergehen!
Und sie, o grausam! sie ist jung und schön für ihn,
Und was ihm unnütz ist, muß sie sich selbst entziehn!
21. Und
18.
Der ſclaverey, worinn das gute junge weib
Seit dieſer zeit verlechzt, iſt keine zu vergleichen;
Stets angeſchnallt an ſeinen ſiechen leib
Darf ſie ihm tag und nacht nicht von der ſeite weichen.
Mißtrauiſch aufgeſchrekt von jedem leiſen wort,
Traͤgt er die augen nun an ſeinen finger-enden,
Und nachts liegt eine ſtets von ſeinen knot'gen haͤnden
Bald da, bald dort auf ihr, aus furcht ſie ſchleich' ihm fort.
19.
So ſanft Roſette war, ſo fiel doch ſolch betragen
Ihr ſchwer aufs herz. Er nennt es Liebe zwar:
Allein ſie ſah zuwohl nur was es war,
Und fieng, anſtatt ſich fruchtlos zu beklagen,
Zu uͤberlegen an. So neben einem Mann
Von ſiebenzig, mit gicht und ſtein beladen,
Durchs leben, wie durch einen ſumpf, zu waden,
Und noch gequaͤlt dazu, daͤucht ihr ein harter bann.
20.
Gar vieles, was ſie ſonſt geduldig uͤberſehen,
Scheint in dem licht, worinn ſie izt es ſehen muß,
Hoͤchſt widerlich und gar nicht auszuſtehen.
Sein zaͤrtlichthun iſt izt ihr herzlichſter verdruß,
Sein ſcherz unleidlich plump, und eckelhaft ſein kuß;
Wagt er noch mehr, ſo moͤchte man vergehen!
Und ſie, o grauſam! ſie iſt jung und ſchoͤn fuͤr ihn,
Und was ihm unnuͤtz iſt, muß ſie ſich ſelbſt entziehn!
21. Und
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[0145] 18. Der ſclaverey, worinn das gute junge weib Seit dieſer zeit verlechzt, iſt keine zu vergleichen; Stets angeſchnallt an ſeinen ſiechen leib Darf ſie ihm tag und nacht nicht von der ſeite weichen. Mißtrauiſch aufgeſchrekt von jedem leiſen wort, Traͤgt er die augen nun an ſeinen finger-enden, Und nachts liegt eine ſtets von ſeinen knot'gen haͤnden Bald da, bald dort auf ihr, aus furcht ſie ſchleich' ihm fort. 19. So ſanft Roſette war, ſo fiel doch ſolch betragen Ihr ſchwer aufs herz. Er nennt es Liebe zwar: Allein ſie ſah zuwohl nur was es war, Und fieng, anſtatt ſich fruchtlos zu beklagen, Zu uͤberlegen an. So neben einem Mann Von ſiebenzig, mit gicht und ſtein beladen, Durchs leben, wie durch einen ſumpf, zu waden, Und noch gequaͤlt dazu, daͤucht ihr ein harter bann. 20. Gar vieles, was ſie ſonſt geduldig uͤberſehen, Scheint in dem licht, worinn ſie izt es ſehen muß, Hoͤchſt widerlich und gar nicht auszuſtehen. Sein zaͤrtlichthun iſt izt ihr herzlichſter verdruß, Sein ſcherz unleidlich plump, und eckelhaft ſein kuß; Wagt er noch mehr, ſo moͤchte man vergehen! Und ſie, o grauſam! ſie iſt jung und ſchoͤn fuͤr ihn, Und was ihm unnuͤtz iſt, muß ſie ſich ſelbſt entziehn! 21. Und

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/145>, abgerufen am 24.11.2024.