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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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44.
Er fühlt die süße gefahr. O, soll es möglich seyn
Du Schönste, ruft er oft, bis Rom es auszuhalten,
So wikle dich in sieben schleyer ein!
Verstecke jeden reiz in tausend kleine falten;
Laß über dieses arms lebend'ges elfenbein
Die weiten ärmel bis zur fingerspitze fallen,
Und ach! freund Oberon, vor allen
Verwandle bis dahin mein herz in kalten stein!
45.
Es war, wiewohl ihm oft die kräfte schier versagen,
Des Ritters ganzer ernst, den sieg davon zu tragen
In diesem kampf. Es däucht' ihn groß und schön
Das schwere abentheu'r der tugend anzugehn,
Schon groß und schön, es nur zu wagen,
Und zehnfach schön und groß, es rühmlich zu bestehn.
Allein, die möglichkeit so einen feind zu dämpfen,
Der immer stärker wird, jemehr wir mit ihm kämpfen?
46.
Nichts ist, was diesem feind so bald gewonnen giebt,
Als bey der Schönen, die man liebt,
Sich dem gefühl stillschweigend überlassen.
Zum glük erinnert sich Herr Hüon seiner pflicht,
Nach ritterlichem brauch, sich mit dem unterricht
Der Sultanstochter zu befassen.
Denn ach! das arme kind lag noch im Heidenthum,
Und glaubt' an Mahommed, unwissend zwar warum.
47. Der
44.
Er fuͤhlt die ſuͤße gefahr. O, ſoll es moͤglich ſeyn
Du Schoͤnſte, ruft er oft, bis Rom es auszuhalten,
So wikle dich in ſieben ſchleyer ein!
Verſtecke jeden reiz in tauſend kleine falten;
Laß uͤber dieſes arms lebend'ges elfenbein
Die weiten aͤrmel bis zur fingerſpitze fallen,
Und ach! freund Oberon, vor allen
Verwandle bis dahin mein herz in kalten ſtein!
45.
Es war, wiewohl ihm oft die kraͤfte ſchier verſagen,
Des Ritters ganzer ernſt, den ſieg davon zu tragen
In dieſem kampf. Es daͤucht' ihn groß und ſchoͤn
Das ſchwere abentheu'r der tugend anzugehn,
Schon groß und ſchoͤn, es nur zu wagen,
Und zehnfach ſchoͤn und groß, es ruͤhmlich zu beſtehn.
Allein, die moͤglichkeit ſo einen feind zu daͤmpfen,
Der immer ſtaͤrker wird, jemehr wir mit ihm kaͤmpfen?
46.
Nichts iſt, was dieſem feind ſo bald gewonnen giebt,
Als bey der Schoͤnen, die man liebt,
Sich dem gefuͤhl ſtillſchweigend uͤberlaſſen.
Zum gluͤk erinnert ſich Herr Huͤon ſeiner pflicht,
Nach ritterlichem brauch, ſich mit dem unterricht
Der Sultanstochter zu befaſſen.
Denn ach! das arme kind lag noch im Heidenthum,
Und glaubt' an Mahommed, unwiſſend zwar warum.
47. Der
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[0134] 44. Er fuͤhlt die ſuͤße gefahr. O, ſoll es moͤglich ſeyn Du Schoͤnſte, ruft er oft, bis Rom es auszuhalten, So wikle dich in ſieben ſchleyer ein! Verſtecke jeden reiz in tauſend kleine falten; Laß uͤber dieſes arms lebend'ges elfenbein Die weiten aͤrmel bis zur fingerſpitze fallen, Und ach! freund Oberon, vor allen Verwandle bis dahin mein herz in kalten ſtein! 45. Es war, wiewohl ihm oft die kraͤfte ſchier verſagen, Des Ritters ganzer ernſt, den ſieg davon zu tragen In dieſem kampf. Es daͤucht' ihn groß und ſchoͤn Das ſchwere abentheu'r der tugend anzugehn, Schon groß und ſchoͤn, es nur zu wagen, Und zehnfach ſchoͤn und groß, es ruͤhmlich zu beſtehn. Allein, die moͤglichkeit ſo einen feind zu daͤmpfen, Der immer ſtaͤrker wird, jemehr wir mit ihm kaͤmpfen? 46. Nichts iſt, was dieſem feind ſo bald gewonnen giebt, Als bey der Schoͤnen, die man liebt, Sich dem gefuͤhl ſtillſchweigend uͤberlaſſen. Zum gluͤk erinnert ſich Herr Huͤon ſeiner pflicht, Nach ritterlichem brauch, ſich mit dem unterricht Der Sultanstochter zu befaſſen. Denn ach! das arme kind lag noch im Heidenthum, Und glaubt' an Mahommed, unwiſſend zwar warum. 47. Der

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/134>, abgerufen am 29.11.2024.