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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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20.
Ein neuer wonnetraum, ein seeliges entzücken
Ins Paradeis, dünkt sie ihr gegenwärt'ger stand;
Sie können nichts als stumm, mit nimmersatten blicken,
Sich anschaun, eins des andern warme hand
Ans volle herz in süßer inbrunst drücken,
Und, während himmel und erd' aus ihren augen schwand,
Und sie allein noch übrig sind, sich fragen:
Ist's, oder träumt uns noch? Sind wir in Einem wagen?
21.
"So war's kein traum als ich im traum dich sah,
(Rief jedes aus) "so war es Rezia?
"War's Hüon? und ein Gott hat dich mich finden lassen?
"Du Mein? -- ich Dein? -- wer durft' es hoffen, wer?
"So wundervoll vereint, uns nimmer nimmermehr
"Zu trennen! Kann das herz so viele wonne fassen?"
Und dann von neuem stets einander angeblikt,
Von neuem hand um hand an mund und herz gedrükt!
22.
Vergebens hüllt die Nacht mit dunstbeladnen flügeln
Den luftkreis ein; dies hemmt der Liebe sehkraft nicht;
Aus ihren augen strahlt ein überirdisch licht,
Worinn die seelen selbst sich in einander spiegeln.
Nacht ist nicht nacht für sie; Elysium
Und Himmelreich ist alles um und um;
Ihr sonnenschein ergießet sich von innen,
Und jeder augenblick entfaltet neue sinnen.
23. All-
20.
Ein neuer wonnetraum, ein ſeeliges entzuͤcken
Ins Paradeis, duͤnkt ſie ihr gegenwaͤrt'ger ſtand;
Sie koͤnnen nichts als ſtumm, mit nimmerſatten blicken,
Sich anſchaun, eins des andern warme hand
Ans volle herz in ſuͤßer inbrunſt druͤcken,
Und, waͤhrend himmel und erd' aus ihren augen ſchwand,
Und ſie allein noch uͤbrig ſind, ſich fragen:
Iſt's, oder traͤumt uns noch? Sind wir in Einem wagen?
21.
So war's kein traum als ich im traum dich ſah,
(Rief jedes aus) „ſo war es Rezia?
„War's Huͤon? und ein Gott hat dich mich finden laſſen?
„Du Mein? — ich Dein? — wer durft' es hoffen, wer?
„So wundervoll vereint, uns nimmer nimmermehr
„Zu trennen! Kann das herz ſo viele wonne faſſen?“
Und dann von neuem ſtets einander angeblikt,
Von neuem hand um hand an mund und herz gedruͤkt!
22.
Vergebens huͤllt die Nacht mit dunſtbeladnen fluͤgeln
Den luftkreis ein; dies hemmt der Liebe ſehkraft nicht;
Aus ihren augen ſtrahlt ein uͤberirdiſch licht,
Worinn die ſeelen ſelbſt ſich in einander ſpiegeln.
Nacht iſt nicht nacht fuͤr ſie; Elyſium
Und Himmelreich iſt alles um und um;
Ihr ſonnenſchein ergießet ſich von innen,
Und jeder augenblick entfaltet neue ſinnen.
23. All-
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[0126] 20. Ein neuer wonnetraum, ein ſeeliges entzuͤcken Ins Paradeis, duͤnkt ſie ihr gegenwaͤrt'ger ſtand; Sie koͤnnen nichts als ſtumm, mit nimmerſatten blicken, Sich anſchaun, eins des andern warme hand Ans volle herz in ſuͤßer inbrunſt druͤcken, Und, waͤhrend himmel und erd' aus ihren augen ſchwand, Und ſie allein noch uͤbrig ſind, ſich fragen: Iſt's, oder traͤumt uns noch? Sind wir in Einem wagen? 21. „So war's kein traum als ich im traum dich ſah, (Rief jedes aus) „ſo war es Rezia? „War's Huͤon? und ein Gott hat dich mich finden laſſen? „Du Mein? — ich Dein? — wer durft' es hoffen, wer? „So wundervoll vereint, uns nimmer nimmermehr „Zu trennen! Kann das herz ſo viele wonne faſſen?“ Und dann von neuem ſtets einander angeblikt, Von neuem hand um hand an mund und herz gedruͤkt! 22. Vergebens huͤllt die Nacht mit dunſtbeladnen fluͤgeln Den luftkreis ein; dies hemmt der Liebe ſehkraft nicht; Aus ihren augen ſtrahlt ein uͤberirdiſch licht, Worinn die ſeelen ſelbſt ſich in einander ſpiegeln. Nacht iſt nicht nacht fuͤr ſie; Elyſium Und Himmelreich iſt alles um und um; Ihr ſonnenſchein ergießet ſich von innen, Und jeder augenblick entfaltet neue ſinnen. 23. All-

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/126>, abgerufen am 29.11.2024.