Stunde über ihre Gegnerin erhielt, daß er die an- muthsvollen Asiatischen Ufer aus seinen Augen ver- schwinden sah, ohne den Abschied, den er auf ewig von ihnen nahm, nur mit einer einzigen Thräne zu zieren.
So? -- Und was wurde nun (so däucht mich hör' ich irgend eine junge Schöne fragen, der ihr Herz sagt, daß sie es der Tugend nicht verzeihen würde, wenn sie ihr ihren Liebhaber so unbarmherzig entführen wollte) -- was wurde nun aus der armen Danae? Von dieser war nun die Rede nicht mehr? Und der tugendhafte Agathon bekümmerte sich wenig darum, ob seine Untreue, ein Herz welches ihn glüklich gemacht hatte, in Stüken brechen werde oder nicht? -- Aber, meine schöne Dame, was hätte er thun sollen, nachdem er nun einmal entschlossen war? Um nach Syracus zu gehen mußte er Smyrna verlassen; und nach Syracus mußte er doch gehen, wenn sie alle Um- stände unpartheyisch in Betrachtung ziehen; denn sie werden doch nicht wollen, daß ein Agathon sein ganzes Leben wie ein Veneris passerculus (lassen Sie Sich das von Jhrem Liebhaber verdeutschen) am Busen der zärtlichen Danae hätte hinweg buhlen sollen? Und sie nach Syracus mit zunehmen, war aus mehr als einer Betrachtung auch nicht rathsam; gesezt auch, daß sie um seinetwillen Smyrna hätte verlassen wollen. Oder mey- nen Sie vielleicht er hätte warten, und die Einwil- ligung seiner Freundin zu erhalten suchen sollen? --
Das
Agathon.
Stunde uͤber ihre Gegnerin erhielt, daß er die an- muthsvollen Aſiatiſchen Ufer aus ſeinen Augen ver- ſchwinden ſah, ohne den Abſchied, den er auf ewig von ihnen nahm, nur mit einer einzigen Thraͤne zu zieren.
So? — Und was wurde nun (ſo daͤucht mich hoͤr’ ich irgend eine junge Schoͤne fragen, der ihr Herz ſagt, daß ſie es der Tugend nicht verzeihen wuͤrde, wenn ſie ihr ihren Liebhaber ſo unbarmherzig entfuͤhren wollte) — was wurde nun aus der armen Danae? Von dieſer war nun die Rede nicht mehr? Und der tugendhafte Agathon bekuͤmmerte ſich wenig darum, ob ſeine Untreue, ein Herz welches ihn gluͤklich gemacht hatte, in Stuͤken brechen werde oder nicht? — Aber, meine ſchoͤne Dame, was haͤtte er thun ſollen, nachdem er nun einmal entſchloſſen war? Um nach Syracus zu gehen mußte er Smyrna verlaſſen; und nach Syracus mußte er doch gehen, wenn ſie alle Um- ſtaͤnde unpartheyiſch in Betrachtung ziehen; denn ſie werden doch nicht wollen, daß ein Agathon ſein ganzes Leben wie ein Veneris paſſerculus (laſſen Sie Sich das von Jhrem Liebhaber verdeutſchen) am Buſen der zaͤrtlichen Danae haͤtte hinweg buhlen ſollen? Und ſie nach Syracus mit zunehmen, war aus mehr als einer Betrachtung auch nicht rathſam; geſezt auch, daß ſie um ſeinetwillen Smyrna haͤtte verlaſſen wollen. Oder mey- nen Sie vielleicht er haͤtte warten, und die Einwil- ligung ſeiner Freundin zu erhalten ſuchen ſollen? —
Das
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Agathon.
Stunde uͤber ihre Gegnerin erhielt, daß er die an-
muthsvollen Aſiatiſchen Ufer aus ſeinen Augen ver-
ſchwinden ſah, ohne den Abſchied, den er auf ewig von
ihnen nahm, nur mit einer einzigen Thraͤne zu zieren.
So? — Und was wurde nun (ſo daͤucht mich
hoͤr’ ich irgend eine junge Schoͤne fragen, der ihr Herz
ſagt, daß ſie es der Tugend nicht verzeihen wuͤrde,
wenn ſie ihr ihren Liebhaber ſo unbarmherzig entfuͤhren
wollte) — was wurde nun aus der armen Danae?
Von dieſer war nun die Rede nicht mehr? Und der
tugendhafte Agathon bekuͤmmerte ſich wenig darum,
ob ſeine Untreue, ein Herz welches ihn gluͤklich gemacht
hatte, in Stuͤken brechen werde oder nicht? —
Aber, meine ſchoͤne Dame, was haͤtte er thun ſollen,
nachdem er nun einmal entſchloſſen war? Um nach
Syracus zu gehen mußte er Smyrna verlaſſen; und
nach Syracus mußte er doch gehen, wenn ſie alle Um-
ſtaͤnde unpartheyiſch in Betrachtung ziehen; denn ſie
werden doch nicht wollen, daß ein Agathon ſein ganzes
Leben wie ein Veneris paſſerculus (laſſen Sie Sich
das von Jhrem Liebhaber verdeutſchen) am Buſen der
zaͤrtlichen Danae haͤtte hinweg buhlen ſollen? Und ſie
nach Syracus mit zunehmen, war aus mehr als einer
Betrachtung auch nicht rathſam; geſezt auch, daß ſie um
ſeinetwillen Smyrna haͤtte verlaſſen wollen. Oder mey-
nen Sie vielleicht er haͤtte warten, und die Einwil-
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/56>, abgerufen am 16.02.2025.
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