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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
Abentheur machte, um soviel natürlicher und interessan-
ter seyn sollten, als er sich würklich in dem Falle befand,
worein wir uns erst durch Hülfe der Einbildungs-Kraft
sezen müßten, und die Gedanken sich ihm freywillig dar-
boten, ja wol wider Willen aufdrangen, welche wir
erst aufsuchen müßten. Wir wollen also warten, bis
er sich in der ruhigern Gemüthsverfassung befinden wird,
worinn die sich selbst wiedergegebene Seele aufgelegt ist,
das Vergangene mit prüfendem Auge zu übersehen. Nur
mög' es uus erlaubt seyn, eh wir unsre Erzählung fort-
sezen, zum besten unsrer jungen Leser, zu welchen wir
uns nicht entbrechen können eine vorzügliche Zuneigung
zu tragen, einige Anmerkungen zu machen, für welche
wir keinen schiklichern Plaz wissen, und welche diejeni-
gen, die wie Shah Baham keine Liebhaber vom morali-
sieren sind, füglich überschlagen, oder, bis wir damit
fertig sind, sich indessen, wenn es ihnen beliebt, die
Zeit damit vertreiben können, die Spize ihrer Nase an-
zuschauen.

Was würdet ihr also dazu sagen, meine jungen
Freunde, wenn ich euch mit der Amts-Mine eines
Sittenlehrers auf der Catheder, in geometrischer Me-
thode beweisen würde, daß ihr zu einer vollkommnen
Unempfindlichkeit gegen diese liebenswürdige Geschöpfe
verbunden seyt, für welche eure Augen, euer Herz,
und eure Einbildungs-Kraft sich vereinigen, euch einen
Hang einzuflössen, der, so lang er in einem unbestimm-

ten

Agathon.
Abentheur machte, um ſoviel natuͤrlicher und intereſſan-
ter ſeyn ſollten, als er ſich wuͤrklich in dem Falle befand,
worein wir uns erſt durch Huͤlfe der Einbildungs-Kraft
ſezen muͤßten, und die Gedanken ſich ihm freywillig dar-
boten, ja wol wider Willen aufdrangen, welche wir
erſt aufſuchen muͤßten. Wir wollen alſo warten, bis
er ſich in der ruhigern Gemuͤthsverfaſſung befinden wird,
worinn die ſich ſelbſt wiedergegebene Seele aufgelegt iſt,
das Vergangene mit pruͤfendem Auge zu uͤberſehen. Nur
moͤg’ es uus erlaubt ſeyn, eh wir unſre Erzaͤhlung fort-
ſezen, zum beſten unſrer jungen Leſer, zu welchen wir
uns nicht entbrechen koͤnnen eine vorzuͤgliche Zuneigung
zu tragen, einige Anmerkungen zu machen, fuͤr welche
wir keinen ſchiklichern Plaz wiſſen, und welche diejeni-
gen, die wie Shah Baham keine Liebhaber vom morali-
ſieren ſind, fuͤglich uͤberſchlagen, oder, bis wir damit
fertig ſind, ſich indeſſen, wenn es ihnen beliebt, die
Zeit damit vertreiben koͤnnen, die Spize ihrer Naſe an-
zuſchauen.

Was wuͤrdet ihr alſo dazu ſagen, meine jungen
Freunde, wenn ich euch mit der Amts-Mine eines
Sittenlehrers auf der Catheder, in geometriſcher Me-
thode beweiſen wuͤrde, daß ihr zu einer vollkommnen
Unempfindlichkeit gegen dieſe liebenswuͤrdige Geſchoͤpfe
verbunden ſeyt, fuͤr welche eure Augen, euer Herz,
und eure Einbildungs-Kraft ſich vereinigen, euch einen
Hang einzufloͤſſen, der, ſo lang er in einem unbeſtimm-

ten
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[42/0044] Agathon. Abentheur machte, um ſoviel natuͤrlicher und intereſſan- ter ſeyn ſollten, als er ſich wuͤrklich in dem Falle befand, worein wir uns erſt durch Huͤlfe der Einbildungs-Kraft ſezen muͤßten, und die Gedanken ſich ihm freywillig dar- boten, ja wol wider Willen aufdrangen, welche wir erſt aufſuchen muͤßten. Wir wollen alſo warten, bis er ſich in der ruhigern Gemuͤthsverfaſſung befinden wird, worinn die ſich ſelbſt wiedergegebene Seele aufgelegt iſt, das Vergangene mit pruͤfendem Auge zu uͤberſehen. Nur moͤg’ es uus erlaubt ſeyn, eh wir unſre Erzaͤhlung fort- ſezen, zum beſten unſrer jungen Leſer, zu welchen wir uns nicht entbrechen koͤnnen eine vorzuͤgliche Zuneigung zu tragen, einige Anmerkungen zu machen, fuͤr welche wir keinen ſchiklichern Plaz wiſſen, und welche diejeni- gen, die wie Shah Baham keine Liebhaber vom morali- ſieren ſind, fuͤglich uͤberſchlagen, oder, bis wir damit fertig ſind, ſich indeſſen, wenn es ihnen beliebt, die Zeit damit vertreiben koͤnnen, die Spize ihrer Naſe an- zuſchauen. Was wuͤrdet ihr alſo dazu ſagen, meine jungen Freunde, wenn ich euch mit der Amts-Mine eines Sittenlehrers auf der Catheder, in geometriſcher Me- thode beweiſen wuͤrde, daß ihr zu einer vollkommnen Unempfindlichkeit gegen dieſe liebenswuͤrdige Geſchoͤpfe verbunden ſeyt, fuͤr welche eure Augen, euer Herz, und eure Einbildungs-Kraft ſich vereinigen, euch einen Hang einzufloͤſſen, der, ſo lang er in einem unbeſtimm- ten

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/44>, abgerufen am 27.11.2024.