Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Agathon. zu befriedigen, unruhmlich verschwendet zu haben? Ertrieb die Vorwürffe, welche er bey diesen gelbsüchtigen Vorstellungen sich selbst machte, so weit als sie der Affect einer allzufeurigen, aber mit angebohrner Liebe zur Tugend durchdrungenen Seele treiben kan. Die Schmer- zen wovon sein Gemüth dadurch zerrissen wurde, waren so heftig, daß er die ganze Nacht, welche auf diesen traurigen Tag folgte, in einer fiebrischen Hize zubrachte, welche, mit dem Zustande, worinn sich seine Seele be- fand, zusammengenommen, ein sehr fügliches Bild derjenigen Pein hätte abgeben können, worinn, nach dem allgemeinen Glauben aller Völker, die Lasterhaf- ten in einem andern Leben die Verbrechen des gegen- wärtigen büssen. Wir haben schon einmal angemerkt, daß das Miß- Jrthums
Agathon. zu befriedigen, unruhmlich verſchwendet zu haben? Ertrieb die Vorwuͤrffe, welche er bey dieſen gelbſuͤchtigen Vorſtellungen ſich ſelbſt machte, ſo weit als ſie der Affect einer allzufeurigen, aber mit angebohrner Liebe zur Tugend durchdrungenen Seele treiben kan. Die Schmer- zen wovon ſein Gemuͤth dadurch zerriſſen wurde, waren ſo heftig, daß er die ganze Nacht, welche auf dieſen traurigen Tag folgte, in einer fiebriſchen Hize zubrachte, welche, mit dem Zuſtande, worinn ſich ſeine Seele be- fand, zuſammengenommen, ein ſehr fuͤgliches Bild derjenigen Pein haͤtte abgeben koͤnnen, worinn, nach dem allgemeinen Glauben aller Voͤlker, die Laſterhaf- ten in einem andern Leben die Verbrechen des gegen- waͤrtigen buͤſſen. Wir haben ſchon einmal angemerkt, daß das Miß- Jrthums
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Agathon.
zu befriedigen, unruhmlich verſchwendet zu haben? Er
trieb die Vorwuͤrffe, welche er bey dieſen gelbſuͤchtigen
Vorſtellungen ſich ſelbſt machte, ſo weit als ſie der Affect
einer allzufeurigen, aber mit angebohrner Liebe zur
Tugend durchdrungenen Seele treiben kan. Die Schmer-
zen wovon ſein Gemuͤth dadurch zerriſſen wurde, waren
ſo heftig, daß er die ganze Nacht, welche auf dieſen
traurigen Tag folgte, in einer fiebriſchen Hize zubrachte,
welche, mit dem Zuſtande, worinn ſich ſeine Seele be-
fand, zuſammengenommen, ein ſehr fuͤgliches Bild
derjenigen Pein haͤtte abgeben koͤnnen, worinn, nach
dem allgemeinen Glauben aller Voͤlker, die Laſterhaf-
ten in einem andern Leben die Verbrechen des gegen-
waͤrtigen buͤſſen.
Wir haben ſchon einmal angemerkt, daß das Miß-
vergnuͤgen uͤber uns ſelbſt ein allzuſchmerzhafter Zuſtand
ſey, als daß ihn unſre Seele lange ausdauern koͤnnte.
Es iſt natuͤrlich, daß die Selbſtliebe allen ihren Kraͤf-
ten aufbeut, um ſich Linderung zu verſchaffen; und
wenn wir betrachten, wie wenig Gutes ein anhalten-
des Gefuͤhl von Schaam und Verachtung ſeiner ſelbſt
wuͤrken kan, und wie nachtheilig im Gegentheil Gram
und Nidergeſchlagenheit, ihre natuͤrliche Folgen, der
wiederkehrenden Tugend ſeyn muͤſſen: ſo haben wir viel-
leicht Urſache, die Geſchaͤftigkeit der Eigenliebe, uns
bey uns ſelbſt zu entſchuldigen, fuͤr eine von den noͤthig-
ſten Springfedern unſrer Seele, in dieſem Stande des
Jrthums
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