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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
räubers rettete. Das Schif scheiterte an der Jtaliä-
nischen Küste, einige Meilen von Capua; und Psyche,
von den Nereiden oder Liebes-Göttern beschirmt, war
die einzige Person auf dem Schiffe, welche auf einem
Brette glüklich von den Zephyrn ans Land getragen
wurde. Die Zephyrn allein wären hiezu vielleicht nicht
hinreichend gewesen; aber mit Hülfe einiger Fischer,
welche glüklicher Weise bey der Hand waren, hatte die
Sache keine Schwierigkeit. Das war nun alles sehr
glüklich; aber es ist nichts in Vergleichung mit dem,
was nun folgen wird. Einer von den Fischern (der
mitleidigste ohne Zweifel) führte die verkleidete Psyche,
welche sehr vonnöthen hatte, sich zu troknen, und von
dem ausgestandenen Ungemach zu erholen, zu seinem
Weib in seine Hütte. Die Fischerin, (eine hübsche,
dike Frau von drey oder vier und vierzig Jahren)
welche die Mine hatte, in ihrer Jugend kein unempfind-
liches Herz gehabt zu haben, bezeugte ungemeines Mit-
leiden mit dem Unglük eines so liebenswürdigen jungen
Herrn, als die schöne Psyche zu seyn schien; sie pflegte
seiner, so gut es nur immer möglich war, und konnte
sich nicht satt an ihm sehen. Es war ihr immer,
sagte sie, als ob sie schon einmal ein solches Gesicht
gesehen hätte, wie das seinige; und sie konnte es kaum
erwarten, bis der schöne Fremdling im Stande war,
nach eingeführter Gewohnheit, seine Geschichte zu er-
zählen. Aber Psyche hatte der Ruhe vonnöthen; sie
wurde also zu Bethe gebracht; und bey dieser Gelegen-
heit entdekte die Fischerin, welche auf die kleinsten Um-
stände aufmerksam war, daß der vermeynte Jüngling

ein

Agathon.
raͤubers rettete. Das Schif ſcheiterte an der Jtaliaͤ-
niſchen Kuͤſte, einige Meilen von Capua; und Pſyche,
von den Nereiden oder Liebes-Goͤttern beſchirmt, war
die einzige Perſon auf dem Schiffe, welche auf einem
Brette gluͤklich von den Zephyrn ans Land getragen
wurde. Die Zephyrn allein waͤren hiezu vielleicht nicht
hinreichend geweſen; aber mit Huͤlfe einiger Fiſcher,
welche gluͤklicher Weiſe bey der Hand waren, hatte die
Sache keine Schwierigkeit. Das war nun alles ſehr
gluͤklich; aber es iſt nichts in Vergleichung mit dem,
was nun folgen wird. Einer von den Fiſchern (der
mitleidigſte ohne Zweifel) fuͤhrte die verkleidete Pſyche,
welche ſehr vonnoͤthen hatte, ſich zu troknen, und von
dem ausgeſtandenen Ungemach zu erholen, zu ſeinem
Weib in ſeine Huͤtte. Die Fiſcherin, (eine huͤbſche,
dike Frau von drey oder vier und vierzig Jahren)
welche die Mine hatte, in ihrer Jugend kein unempfind-
liches Herz gehabt zu haben, bezeugte ungemeines Mit-
leiden mit dem Ungluͤk eines ſo liebenswuͤrdigen jungen
Herrn, als die ſchoͤne Pſyche zu ſeyn ſchien; ſie pflegte
ſeiner, ſo gut es nur immer moͤglich war, und konnte
ſich nicht ſatt an ihm ſehen. Es war ihr immer,
ſagte ſie, als ob ſie ſchon einmal ein ſolches Geſicht
geſehen haͤtte, wie das ſeinige; und ſie konnte es kaum
erwarten, bis der ſchoͤne Fremdling im Stande war,
nach eingefuͤhrter Gewohnheit, ſeine Geſchichte zu er-
zaͤhlen. Aber Pſyche hatte der Ruhe vonnoͤthen; ſie
wurde alſo zu Bethe gebracht; und bey dieſer Gelegen-
heit entdekte die Fiſcherin, welche auf die kleinſten Um-
ſtaͤnde aufmerkſam war, daß der vermeynte Juͤngling

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[322/0324] Agathon. raͤubers rettete. Das Schif ſcheiterte an der Jtaliaͤ- niſchen Kuͤſte, einige Meilen von Capua; und Pſyche, von den Nereiden oder Liebes-Goͤttern beſchirmt, war die einzige Perſon auf dem Schiffe, welche auf einem Brette gluͤklich von den Zephyrn ans Land getragen wurde. Die Zephyrn allein waͤren hiezu vielleicht nicht hinreichend geweſen; aber mit Huͤlfe einiger Fiſcher, welche gluͤklicher Weiſe bey der Hand waren, hatte die Sache keine Schwierigkeit. Das war nun alles ſehr gluͤklich; aber es iſt nichts in Vergleichung mit dem, was nun folgen wird. Einer von den Fiſchern (der mitleidigſte ohne Zweifel) fuͤhrte die verkleidete Pſyche, welche ſehr vonnoͤthen hatte, ſich zu troknen, und von dem ausgeſtandenen Ungemach zu erholen, zu ſeinem Weib in ſeine Huͤtte. Die Fiſcherin, (eine huͤbſche, dike Frau von drey oder vier und vierzig Jahren) welche die Mine hatte, in ihrer Jugend kein unempfind- liches Herz gehabt zu haben, bezeugte ungemeines Mit- leiden mit dem Ungluͤk eines ſo liebenswuͤrdigen jungen Herrn, als die ſchoͤne Pſyche zu ſeyn ſchien; ſie pflegte ſeiner, ſo gut es nur immer moͤglich war, und konnte ſich nicht ſatt an ihm ſehen. Es war ihr immer, ſagte ſie, als ob ſie ſchon einmal ein ſolches Geſicht geſehen haͤtte, wie das ſeinige; und ſie konnte es kaum erwarten, bis der ſchoͤne Fremdling im Stande war, nach eingefuͤhrter Gewohnheit, ſeine Geſchichte zu er- zaͤhlen. Aber Pſyche hatte der Ruhe vonnoͤthen; ſie wurde alſo zu Bethe gebracht; und bey dieſer Gelegen- heit entdekte die Fiſcherin, welche auf die kleinſten Um- ſtaͤnde aufmerkſam war, daß der vermeynte Juͤngling ein

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/324>, abgerufen am 24.11.2024.