Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Eilftes Buch, drittes Capitel. seine Verwirrung, und hielt ihn zurük, sich der Freudezu überlassen, welche ein eben so erwünschter als wenig verhoffter Anblik über seine Seele ergoß. Psyche sah nicht so aus, als ob sie eine Sclavin in diesem Hause vorstelle; was konnte er also anders denken, als daß sie die Gemahlin eines von den Söhnen des Archytas seyn müßte? Es ist wahr, er hätte eben so wol denken können, daß sie seine wiedergefundene Tochter seyn könnte; aber in solchen Umständen bildet man sich im- mer das ein, was man am meisten fürchtet. Jn der That errieth er die Sache aufs erstemal; Psyche war seit einigen Monaten die Gemahlin des Critolaus. Unsere Leser sehen nun auf den ersten Blik, was für chen,
Eilftes Buch, drittes Capitel. ſeine Verwirrung, und hielt ihn zuruͤk, ſich der Freudezu uͤberlaſſen, welche ein eben ſo erwuͤnſchter als wenig verhoffter Anblik uͤber ſeine Seele ergoß. Pſyche ſah nicht ſo aus, als ob ſie eine Sclavin in dieſem Hauſe vorſtelle; was konnte er alſo anders denken, als daß ſie die Gemahlin eines von den Soͤhnen des Archytas ſeyn muͤßte? Es iſt wahr, er haͤtte eben ſo wol denken koͤnnen, daß ſie ſeine wiedergefundene Tochter ſeyn koͤnnte; aber in ſolchen Umſtaͤnden bildet man ſich im- mer das ein, was man am meiſten fuͤrchtet. Jn der That errieth er die Sache aufs erſtemal; Pſyche war ſeit einigen Monaten die Gemahlin des Critolaus. Unſere Leſer ſehen nun auf den erſten Blik, was fuͤr chen,
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Eilftes Buch, drittes Capitel.
ſeine Verwirrung, und hielt ihn zuruͤk, ſich der Freude
zu uͤberlaſſen, welche ein eben ſo erwuͤnſchter als wenig
verhoffter Anblik uͤber ſeine Seele ergoß. Pſyche ſah
nicht ſo aus, als ob ſie eine Sclavin in dieſem Hauſe
vorſtelle; was konnte er alſo anders denken, als daß
ſie die Gemahlin eines von den Soͤhnen des Archytas
ſeyn muͤßte? Es iſt wahr, er haͤtte eben ſo wol denken
koͤnnen, daß ſie ſeine wiedergefundene Tochter ſeyn
koͤnnte; aber in ſolchen Umſtaͤnden bildet man ſich im-
mer das ein, was man am meiſten fuͤrchtet. Jn der
That errieth er die Sache aufs erſtemal; Pſyche war
ſeit einigen Monaten die Gemahlin des Critolaus.
Unſere Leſer ſehen nun auf den erſten Blik, was fuͤr
ſchoͤne Gelegenheit zu pathetiſchen Beſchreibungen und
tragiſchen Auftritten uns dieſer kleine Umſtand giebt ‒‒
was fuͤr eine Situation! Den Gegenſtand der zaͤrtlich-
ſten Neigung ſeines Herzens, ſeine erſte Liebe, nach
einer langen ſchmerzlichen Trennung unverhoft wieder
finden, aber nur dazu wieder finden, um ſie in den
Armen eines andern, und was uns nicht einmal das
Recht zu klagen, zu wuͤthen und Rache zu ſchnauben
uͤbrig laͤßt, in den Armen unſers liebſten Freundes zu
ſehen! ‒‒ Zu gutem Gluͤk fuͤr unſern Helden ‒‒ und fuͤr
den Autor ‒‒ waren diejenigen, welche in dieſem Augen-
blik Zeugen von ſeiner Beſtuͤrzung waren, keine ſo
paſſionierte Liebhaber pathetiſcher Auftritte, daß ſie
haͤtten faͤhig ſeyn koͤnnen, an ſeiner Quaal Vergnuͤgen
zu finden. Sie wollten ſich ein Vergnuͤgen daraus ma-
chen,
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