Fehler zu seyn -- eine nothwendige und vielleicht die grösseste Kunst eines Gesezgebers, deren genauere Unter- suchung und Analyse wir, beyläuffig, denenjenigen empfohlen haben wollen, welche zu der schweren, und vermuthlich spätern Zeiten aufbehaltnen, aber mögli- chen Auflösung eines Problems, welches nur von Lil- liputtischen Seelen für schimärisch gehalten wird, der Aufgabe, welche Gesezgebung unter gegebenen Bedingun- gen, die beste sey? etwas beyzutragen sich beruffen fühlen.
Agathon entdekte beym ersten Blik an die Jtalischen Ufer, seinen Freund Critolaus, der mit einem Ge- folge der edelsten Jünglinge von Tarent ihm entgegen- geflogen war, um ihn in einer Art von freundschaftli- chem Triumph in eine Stadt einzuführen, welche sich's zur Ehre rechnete, von einem Manne wie Agathon, vor andern zu seinem Aufenthalt erwählt zu werden. Die angenehme Luft dieser von einem günstigen Himmel umflossenen Ufer, der Anblik eines der schönsten Länder unter der Sonne, und der noch süssere Anblik eines Freundes, von dem er bis zur Schwärmerey geliebt wurde, machten unsern Helden in einem einzigen Augen- blik alles Ungemach vergessen, das er in Sicilien und in seinem ganzen Leben ausgestanden hatte. Ein frohes ahnendes Erwarten der Glükseligkeit, die in diesem zum erstenmal betretenen Lande auf ihn wartete, verbreitete eine Art von angenehmer Empfindung durch sein gan- zes Wesen, welche sich nicht beschreiben läßt. Die un- bestimmte Wollust, welche alle seine Sinnen zugleich
ein-
Agathon.
Fehler zu ſeyn ‒‒ eine nothwendige und vielleicht die groͤſſeſte Kunſt eines Geſezgebers, deren genauere Unter- ſuchung und Analyſe wir, beylaͤuffig, denenjenigen empfohlen haben wollen, welche zu der ſchweren, und vermuthlich ſpaͤtern Zeiten aufbehaltnen, aber moͤgli- chen Aufloͤſung eines Problems, welches nur von Lil- liputtiſchen Seelen fuͤr ſchimaͤriſch gehalten wird, der Aufgabe, welche Geſezgebung unter gegebenen Bedingun- gen, die beſte ſey? etwas beyzutragen ſich beruffen fuͤhlen.
Agathon entdekte beym erſten Blik an die Jtaliſchen Ufer, ſeinen Freund Critolaus, der mit einem Ge- folge der edelſten Juͤnglinge von Tarent ihm entgegen- geflogen war, um ihn in einer Art von freundſchaftli- chem Triumph in eine Stadt einzufuͤhren, welche ſich’s zur Ehre rechnete, von einem Manne wie Agathon, vor andern zu ſeinem Aufenthalt erwaͤhlt zu werden. Die angenehme Luft dieſer von einem guͤnſtigen Himmel umfloſſenen Ufer, der Anblik eines der ſchoͤnſten Laͤnder unter der Sonne, und der noch ſuͤſſere Anblik eines Freundes, von dem er bis zur Schwaͤrmerey geliebt wurde, machten unſern Helden in einem einzigen Augen- blik alles Ungemach vergeſſen, das er in Sicilien und in ſeinem ganzen Leben ausgeſtanden hatte. Ein frohes ahnendes Erwarten der Gluͤkſeligkeit, die in dieſem zum erſtenmal betretenen Lande auf ihn wartete, verbreitete eine Art von angenehmer Empfindung durch ſein gan- zes Weſen, welche ſich nicht beſchreiben laͤßt. Die un- beſtimmte Wolluſt, welche alle ſeine Sinnen zugleich
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Agathon.
Fehler zu ſeyn ‒‒ eine nothwendige und vielleicht die
groͤſſeſte Kunſt eines Geſezgebers, deren genauere Unter-
ſuchung und Analyſe wir, beylaͤuffig, denenjenigen
empfohlen haben wollen, welche zu der ſchweren, und
vermuthlich ſpaͤtern Zeiten aufbehaltnen, aber moͤgli-
chen Aufloͤſung eines Problems, welches nur von Lil-
liputtiſchen Seelen fuͤr ſchimaͤriſch gehalten wird, der
Aufgabe, welche Geſezgebung unter gegebenen Bedingun-
gen, die beſte ſey? etwas beyzutragen ſich beruffen fuͤhlen.
Agathon entdekte beym erſten Blik an die Jtaliſchen
Ufer, ſeinen Freund Critolaus, der mit einem Ge-
folge der edelſten Juͤnglinge von Tarent ihm entgegen-
geflogen war, um ihn in einer Art von freundſchaftli-
chem Triumph in eine Stadt einzufuͤhren, welche ſich’s
zur Ehre rechnete, von einem Manne wie Agathon,
vor andern zu ſeinem Aufenthalt erwaͤhlt zu werden.
Die angenehme Luft dieſer von einem guͤnſtigen Himmel
umfloſſenen Ufer, der Anblik eines der ſchoͤnſten Laͤnder
unter der Sonne, und der noch ſuͤſſere Anblik eines
Freundes, von dem er bis zur Schwaͤrmerey geliebt
wurde, machten unſern Helden in einem einzigen Augen-
blik alles Ungemach vergeſſen, das er in Sicilien und
in ſeinem ganzen Leben ausgeſtanden hatte. Ein frohes
ahnendes Erwarten der Gluͤkſeligkeit, die in dieſem zum
erſtenmal betretenen Lande auf ihn wartete, verbreitete
eine Art von angenehmer Empfindung durch ſein gan-
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/306>, abgerufen am 15.08.2024.
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