Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Agathon. ten, oder als andere ihrer Gattung thun? -- Jst dasnicht alles was sie wünschen? Und gebrauchen sie mich dazu? Was sollte mich bewegen, mir diese Verdienste um sie zu machen? Jst vielleicht nur ein einziger unter ihnen, der bey allem was er unternimmt, eine edlere Absicht hat, als seine eigne Befriedigung? Bin ich ihnen etwan einige Hochachtung oder Dankbarkeit dafür schuldig, daß sie für meine Bedürfnisse oder für mein Vergnügen arbeiten? Jch bin schuldig, sie dafür zu be- zahlen; das ist alles was sie wollen, und alles was sie an mich fordern können. Himmel! -- so däucht mich, höre ich hier einige "ist
Agathon. ten, oder als andere ihrer Gattung thun? ‒‒ Jſt dasnicht alles was ſie wuͤnſchen? Und gebrauchen ſie mich dazu? Was ſollte mich bewegen, mir dieſe Verdienſte um ſie zu machen? Jſt vielleicht nur ein einziger unter ihnen, der bey allem was er unternimmt, eine edlere Abſicht hat, als ſeine eigne Befriedigung? Bin ich ihnen etwan einige Hochachtung oder Dankbarkeit dafuͤr ſchuldig, daß ſie fuͤr meine Beduͤrfniſſe oder fuͤr mein Vergnuͤgen arbeiten? Jch bin ſchuldig, ſie dafuͤr zu be- zahlen; das iſt alles was ſie wollen, und alles was ſie an mich fordern koͤnnen. Himmel! ‒‒ ſo daͤucht mich, hoͤre ich hier einige „iſt
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Agathon.
ten, oder als andere ihrer Gattung thun? ‒‒ Jſt das
nicht alles was ſie wuͤnſchen? Und gebrauchen ſie mich
dazu? Was ſollte mich bewegen, mir dieſe Verdienſte
um ſie zu machen? Jſt vielleicht nur ein einziger unter
ihnen, der bey allem was er unternimmt, eine edlere
Abſicht hat, als ſeine eigne Befriedigung? Bin ich
ihnen etwan einige Hochachtung oder Dankbarkeit dafuͤr
ſchuldig, daß ſie fuͤr meine Beduͤrfniſſe oder fuͤr mein
Vergnuͤgen arbeiten? Jch bin ſchuldig, ſie dafuͤr zu be-
zahlen; das iſt alles was ſie wollen, und alles was ſie
an mich fordern koͤnnen.
Himmel! ‒‒ ſo daͤucht mich, hoͤre ich hier einige
ruͤhrende Stimmen ausruffen ‒‒ iſt’s moͤglich? Konnte
Agathon ſo denken? So klein, ſo unedel ‒‒ ſo kalt,
meine ſchoͤnen Damen, ſo kalt! Und ſie werden mir ge-
ſtehen, daß man in einer Einkerkerung von zween
oder drey Monaten, die man ſich ganz allein durch
groſſe und edle Geſinnungen zugezogen, gute Gelegen-
heit hat, ſich von der Hize der großmuͤthigen Schwaͤr-
merey ein wenig abzukuͤhlen ‒‒ Aber was wird nun
aus der Tugend unſers Helden werden? ‒‒ Was iſt die
Tugend ohne dieſes ſchoͤne Feuer, ohne dieſe erhabene
Begeiſterung, welche den Menſchen uͤber die uͤbrigen
ſeiner Gattung, welche ihn uͤber ſich ſelbſt erhoͤht, und
zu einem allgemeinen Wolthaͤter, zu einem Genius, zu
einer ſubalternen Gottheit macht? ‒‒ Wir geſtehen es,
ſie iſt ohne dieſe aͤtheriſche Flamme ein ſehr unanſehn-
liches, ſehr wenig glaͤnzendes Ding ‒‒ „Und wie traurig
„iſt
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