wenn er dem Rathe des weisen Aristippus ein paar Monate früher gefolget hätte!
Einer von den zuverlässigsten und seltensten Beweisen der Tugend eines ersten Ministers ist, wenn er armer oder doch wenigstens nicht reicher in seine einsame Hütte zurükkehrt, als er gewesen war, da er auf den Schau- plaz des öffentlichen Lebens versezt wurde. Die Epa- minondas, die Walsinghams, die More, und Tessins sind freylich zu allen Zeiten selten; aber wenn etwas, welches den verstoktesten Tugend-Läugner, einen Hip- pias selbst, zwingen muß, die Würklichkeit der Tugend zu gestehen, und auch wider seinen Willen ihre Gött- lichkeit zu erkennen: So sind es die Beyspiele solcher Manner. Der Himmel verhüte, daß ich die Hippiasse jemals einer andern Widerlegung würdigen sollte! Sie mögen nach Aekerö reisen! Und wenn sie den einzigen Anblik unter dem Himmel, auf welchen (nach dem Ausdruk eines weisen Alten) die Gottheit selbst mit Vergnügen herabsieht, wenn sie den ehrwürdigen Greis gesehen haben, der daselbst, zufrieden mit der edeln beneidenswürdigen Armuth des Fabricius und Cincinna- tus, doch zu tugendhaft um stolz darauf zu seyn, die einzige Belohnung eines langen, ruhmwürdigen, Gott, seinem Könige und seinem Vaterland aufgeopferten Le- bens in dem stillen Bewustseyn seiner Selbst, und (so oft er seinen Telemach erblikt) in der Hofnung, nicht ganz umsonst gearbeitet zu haben, findet -- und, verges- sen, vielleicht so gar verfolgt von einer undankbaren
Zeit,
Agathon.
wenn er dem Rathe des weiſen Ariſtippus ein paar Monate fruͤher gefolget haͤtte!
Einer von den zuverlaͤſſigſten und ſeltenſten Beweiſen der Tugend eines erſten Miniſters iſt, wenn er armer oder doch wenigſtens nicht reicher in ſeine einſame Huͤtte zuruͤkkehrt, als er geweſen war, da er auf den Schau- plaz des oͤffentlichen Lebens verſezt wurde. Die Epa- minondas, die Walſinghams, die More, und Teſſins ſind freylich zu allen Zeiten ſelten; aber wenn etwas, welches den verſtokteſten Tugend-Laͤugner, einen Hip- pias ſelbſt, zwingen muß, die Wuͤrklichkeit der Tugend zu geſtehen, und auch wider ſeinen Willen ihre Goͤtt- lichkeit zu erkennen: So ſind es die Beyſpiele ſolcher Manner. Der Himmel verhuͤte, daß ich die Hippiaſſe jemals einer andern Widerlegung wuͤrdigen ſollte! Sie moͤgen nach Aekeroͤ reiſen! Und wenn ſie den einzigen Anblik unter dem Himmel, auf welchen (nach dem Ausdruk eines weiſen Alten) die Gottheit ſelbſt mit Vergnuͤgen herabſieht, wenn ſie den ehrwuͤrdigen Greis geſehen haben, der daſelbſt, zufrieden mit der edeln beneidenswuͤrdigen Armuth des Fabricius und Cincinna- tus, doch zu tugendhaft um ſtolz darauf zu ſeyn, die einzige Belohnung eines langen, ruhmwuͤrdigen, Gott, ſeinem Koͤnige und ſeinem Vaterland aufgeopferten Le- bens in dem ſtillen Bewuſtſeyn ſeiner Selbſt, und (ſo oft er ſeinen Telemach erblikt) in der Hofnung, nicht ganz umſonſt gearbeitet zu haben, findet ‒‒ und, vergeſ- ſen, vielleicht ſo gar verfolgt von einer undankbaren
Zeit,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0264"n="262"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Agathon.</hi></hi></fw><lb/>
wenn er dem Rathe des weiſen Ariſtippus ein paar<lb/>
Monate fruͤher gefolget haͤtte!</p><lb/><p>Einer von den zuverlaͤſſigſten und ſeltenſten Beweiſen<lb/>
der Tugend eines erſten Miniſters iſt, wenn er armer<lb/>
oder doch wenigſtens nicht reicher in ſeine einſame Huͤtte<lb/>
zuruͤkkehrt, als er geweſen war, da er auf den Schau-<lb/>
plaz des oͤffentlichen Lebens verſezt wurde. Die Epa-<lb/>
minondas, die Walſinghams, die More, und Teſſins<lb/>ſind freylich zu allen Zeiten ſelten; aber wenn etwas,<lb/>
welches den verſtokteſten Tugend-Laͤugner, einen Hip-<lb/>
pias ſelbſt, zwingen muß, die Wuͤrklichkeit der Tugend<lb/>
zu geſtehen, und auch wider ſeinen Willen ihre Goͤtt-<lb/>
lichkeit zu erkennen: So ſind es die Beyſpiele ſolcher<lb/>
Manner. Der Himmel verhuͤte, daß ich die Hippiaſſe<lb/>
jemals einer andern Widerlegung wuͤrdigen ſollte! Sie<lb/>
moͤgen nach Aekeroͤ reiſen! Und wenn ſie den einzigen<lb/>
Anblik unter dem Himmel, auf welchen (nach dem<lb/>
Ausdruk eines weiſen Alten) die Gottheit ſelbſt mit<lb/>
Vergnuͤgen herabſieht, wenn ſie den ehrwuͤrdigen Greis<lb/>
geſehen haben, der daſelbſt, zufrieden mit der edeln<lb/>
beneidenswuͤrdigen Armuth des Fabricius und Cincinna-<lb/>
tus, doch zu tugendhaft um ſtolz darauf zu ſeyn, die<lb/>
einzige Belohnung eines langen, ruhmwuͤrdigen, Gott,<lb/>ſeinem Koͤnige und ſeinem Vaterland aufgeopferten Le-<lb/>
bens in dem ſtillen Bewuſtſeyn ſeiner Selbſt, und (ſo<lb/>
oft er ſeinen Telemach erblikt) in der Hofnung, nicht<lb/>
ganz umſonſt gearbeitet zu haben, findet ‒‒ und, vergeſ-<lb/>ſen, vielleicht ſo gar verfolgt von einer undankbaren<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Zeit,</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[262/0264]
Agathon.
wenn er dem Rathe des weiſen Ariſtippus ein paar
Monate fruͤher gefolget haͤtte!
Einer von den zuverlaͤſſigſten und ſeltenſten Beweiſen
der Tugend eines erſten Miniſters iſt, wenn er armer
oder doch wenigſtens nicht reicher in ſeine einſame Huͤtte
zuruͤkkehrt, als er geweſen war, da er auf den Schau-
plaz des oͤffentlichen Lebens verſezt wurde. Die Epa-
minondas, die Walſinghams, die More, und Teſſins
ſind freylich zu allen Zeiten ſelten; aber wenn etwas,
welches den verſtokteſten Tugend-Laͤugner, einen Hip-
pias ſelbſt, zwingen muß, die Wuͤrklichkeit der Tugend
zu geſtehen, und auch wider ſeinen Willen ihre Goͤtt-
lichkeit zu erkennen: So ſind es die Beyſpiele ſolcher
Manner. Der Himmel verhuͤte, daß ich die Hippiaſſe
jemals einer andern Widerlegung wuͤrdigen ſollte! Sie
moͤgen nach Aekeroͤ reiſen! Und wenn ſie den einzigen
Anblik unter dem Himmel, auf welchen (nach dem
Ausdruk eines weiſen Alten) die Gottheit ſelbſt mit
Vergnuͤgen herabſieht, wenn ſie den ehrwuͤrdigen Greis
geſehen haben, der daſelbſt, zufrieden mit der edeln
beneidenswuͤrdigen Armuth des Fabricius und Cincinna-
tus, doch zu tugendhaft um ſtolz darauf zu ſeyn, die
einzige Belohnung eines langen, ruhmwuͤrdigen, Gott,
ſeinem Koͤnige und ſeinem Vaterland aufgeopferten Le-
bens in dem ſtillen Bewuſtſeyn ſeiner Selbſt, und (ſo
oft er ſeinen Telemach erblikt) in der Hofnung, nicht
ganz umſonſt gearbeitet zu haben, findet ‒‒ und, vergeſ-
ſen, vielleicht ſo gar verfolgt von einer undankbaren
Zeit,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/264>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.