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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Zehentes Buch, drittes Capitel.
Philistus für rathsamer, die Sache als ein Staats-Ge-
heimniß zu behandeln. Agathon wurde, unter dem
Vorwande verschiedener Staats-Verbrechen in Verhaft
genommen, ohne daß dem Publico etwas bestimmtes,
am allerwenigsten aber die wahre Ursache, bekannt
wurde. Man fand für besser, die Parthey des Dion,
(welche man sich aus Panischem Schreken grösser vor-
stellte als sie würklich war) in Verlegenheit zu sezen,
als zur Verzweiflung zu treiben; und gewann indessen,
daß man sich begnügte sie aufs genaueste zu beobachten,
Zeit, sich gegen einen feindlichen Ueberfall in gehörige
Verfassung zu sezen.

Wir sind es schon gewohnt, unsern Helden niemals
grösser zu sehen als im widrigen Glüke. Auf das ärgste
gefaßt, was er von seinen Feinden erwarten konnte,
sezte er sich vor, ihnen den Triumph nicht zu gewäh-
ren, den Agathon zu etwas das seiner unwürdig wäre,
erniedriget zu haben. Er weigerte sich schlechterdings,
dem Philistus und Timocrates, welche zu Untersuchung
seiner angeblichen Verbrechen ernannt waren, Antwort
zu geben. Er verlangte von dem Prinzen selbst gehört
zu werden, und berief sich deßhalb auf den Vertrag,
der zwischen ihnen errichtet worden war. Aber Dio-
nys hatte den Muth nicht, eine geheime Unterredung
mit seinem ehmaligen Günstling auszuhalten. Man ver-
suchte es, seine Standhaftigkeit durch eine harte Begeg-
nung und Drohungen zu erschüttern; und die schöne
Cleonissa würde ihre Stimme zu dem strengesten Ur-

theil
[Agath. II. Th.] R

Zehentes Buch, drittes Capitel.
Philiſtus fuͤr rathſamer, die Sache als ein Staats-Ge-
heimniß zu behandeln. Agathon wurde, unter dem
Vorwande verſchiedener Staats-Verbrechen in Verhaft
genommen, ohne daß dem Publico etwas beſtimmtes,
am allerwenigſten aber die wahre Urſache, bekannt
wurde. Man fand fuͤr beſſer, die Parthey des Dion,
(welche man ſich aus Paniſchem Schreken groͤſſer vor-
ſtellte als ſie wuͤrklich war) in Verlegenheit zu ſezen,
als zur Verzweiflung zu treiben; und gewann indeſſen,
daß man ſich begnuͤgte ſie aufs genaueſte zu beobachten,
Zeit, ſich gegen einen feindlichen Ueberfall in gehoͤrige
Verfaſſung zu ſezen.

Wir ſind es ſchon gewohnt, unſern Helden niemals
groͤſſer zu ſehen als im widrigen Gluͤke. Auf das aͤrgſte
gefaßt, was er von ſeinen Feinden erwarten konnte,
ſezte er ſich vor, ihnen den Triumph nicht zu gewaͤh-
ren, den Agathon zu etwas das ſeiner unwuͤrdig waͤre,
erniedriget zu haben. Er weigerte ſich ſchlechterdings,
dem Philiſtus und Timocrates, welche zu Unterſuchung
ſeiner angeblichen Verbrechen ernannt waren, Antwort
zu geben. Er verlangte von dem Prinzen ſelbſt gehoͤrt
zu werden, und berief ſich deßhalb auf den Vertrag,
der zwiſchen ihnen errichtet worden war. Aber Dio-
nys hatte den Muth nicht, eine geheime Unterredung
mit ſeinem ehmaligen Guͤnſtling auszuhalten. Man ver-
ſuchte es, ſeine Standhaftigkeit durch eine harte Begeg-
nung und Drohungen zu erſchuͤttern; und die ſchoͤne
Cleoniſſa wuͤrde ihre Stimme zu dem ſtrengeſten Ur-

theil
[Agath. II. Th.] R
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[257/0259] Zehentes Buch, drittes Capitel. Philiſtus fuͤr rathſamer, die Sache als ein Staats-Ge- heimniß zu behandeln. Agathon wurde, unter dem Vorwande verſchiedener Staats-Verbrechen in Verhaft genommen, ohne daß dem Publico etwas beſtimmtes, am allerwenigſten aber die wahre Urſache, bekannt wurde. Man fand fuͤr beſſer, die Parthey des Dion, (welche man ſich aus Paniſchem Schreken groͤſſer vor- ſtellte als ſie wuͤrklich war) in Verlegenheit zu ſezen, als zur Verzweiflung zu treiben; und gewann indeſſen, daß man ſich begnuͤgte ſie aufs genaueſte zu beobachten, Zeit, ſich gegen einen feindlichen Ueberfall in gehoͤrige Verfaſſung zu ſezen. Wir ſind es ſchon gewohnt, unſern Helden niemals groͤſſer zu ſehen als im widrigen Gluͤke. Auf das aͤrgſte gefaßt, was er von ſeinen Feinden erwarten konnte, ſezte er ſich vor, ihnen den Triumph nicht zu gewaͤh- ren, den Agathon zu etwas das ſeiner unwuͤrdig waͤre, erniedriget zu haben. Er weigerte ſich ſchlechterdings, dem Philiſtus und Timocrates, welche zu Unterſuchung ſeiner angeblichen Verbrechen ernannt waren, Antwort zu geben. Er verlangte von dem Prinzen ſelbſt gehoͤrt zu werden, und berief ſich deßhalb auf den Vertrag, der zwiſchen ihnen errichtet worden war. Aber Dio- nys hatte den Muth nicht, eine geheime Unterredung mit ſeinem ehmaligen Guͤnſtling auszuhalten. Man ver- ſuchte es, ſeine Standhaftigkeit durch eine harte Begeg- nung und Drohungen zu erſchuͤttern; und die ſchoͤne Cleoniſſa wuͤrde ihre Stimme zu dem ſtrengeſten Ur- theil [Agath. II. Th.] R

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/259>, abgerufen am 25.11.2024.