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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
zweydeutiges Licht auf die Enthaltsamkeit unsers Helden
und die Treue der schönen Bacchidion zu werfen schienen.
Dieser Minister fand vermuthlich die Absichten seines
Herrn auf seine tugendhafte Gemahlin so rein und un-
schuldig, daß es anstössig, und lächerlich gewesen wäre,
über die Freundschaft, womit er sie beehrte, eifersüch,
tig zu seyn. Ein täglicher Zuwachs der königlichen
Gunst rechtfertigte und belohnte eine so edelmüthige Ge-
fälligkeit. Timocrat fand bey diesen Umständen Gelegen-
heit, sich gleichfalls wieder in das alte Vertrauen zu sezen;
und beyde vereinigten sich nunmehr mit der triumphiren-
den Cleonissa, den Fall unsers Helden desto eifriger zu
beschleunigen, je mehr sie ihn mit Versicherungen ihrer
Freundschaft überhäuften.

Wir haben in diesem und dem vorigen Capitel ein
so merkwürdiges Beyspiel gesehen, (und wollte Gott!
diese Beyspiele kämen uns nicht so oft im Leben selbst
vor) wie leicht es ist, einem lasterhaften Character,
einer schwarzen, hassenswürdigen Seele, den Anstrich
der Tugend zu geben. Agathon erfuhr nunmehr, daß
es eben so leicht ist, die reineste Tugend mit verhaßten
Farben zu übersudeln. Er hatte dieses zu Athen schon
erfahren; aber bey der Vergleichung die er zwischen
jenem Fall und seinem izigen anstellte, schienen ihm seine
Atheniensische Feinde, im Gegensaz mit den verächtli-
chen Creaturen, denen er sich nun auf ein mal aufge-
opfert sah, so weiß zu werden, als sie ihm ehmals,
da er noch keine schlimmere Leute kannte, schwarz vorge-

kommen

Agathon.
zweydeutiges Licht auf die Enthaltſamkeit unſers Helden
und die Treue der ſchoͤnen Bacchidion zu werfen ſchienen.
Dieſer Miniſter fand vermuthlich die Abſichten ſeines
Herrn auf ſeine tugendhafte Gemahlin ſo rein und un-
ſchuldig, daß es anſtoͤſſig, und laͤcherlich geweſen waͤre,
uͤber die Freundſchaft, womit er ſie beehrte, eiferſuͤch,
tig zu ſeyn. Ein taͤglicher Zuwachs der koͤniglichen
Gunſt rechtfertigte und belohnte eine ſo edelmuͤthige Ge-
faͤlligkeit. Timocrat fand bey dieſen Umſtaͤnden Gelegen-
heit, ſich gleichfalls wieder in das alte Vertrauen zu ſezen;
und beyde vereinigten ſich nunmehr mit der triumphiren-
den Cleoniſſa, den Fall unſers Helden deſto eifriger zu
beſchleunigen, je mehr ſie ihn mit Verſicherungen ihrer
Freundſchaft uͤberhaͤuften.

Wir haben in dieſem und dem vorigen Capitel ein
ſo merkwuͤrdiges Beyſpiel geſehen, (und wollte Gott!
dieſe Beyſpiele kaͤmen uns nicht ſo oft im Leben ſelbſt
vor) wie leicht es iſt, einem laſterhaften Character,
einer ſchwarzen, haſſenswuͤrdigen Seele, den Anſtrich
der Tugend zu geben. Agathon erfuhr nunmehr, daß
es eben ſo leicht iſt, die reineſte Tugend mit verhaßten
Farben zu uͤberſudeln. Er hatte dieſes zu Athen ſchon
erfahren; aber bey der Vergleichung die er zwiſchen
jenem Fall und ſeinem izigen anſtellte, ſchienen ihm ſeine
Athenienſiſche Feinde, im Gegenſaz mit den veraͤchtli-
chen Creaturen, denen er ſich nun auf ein mal aufge-
opfert ſah, ſo weiß zu werden, als ſie ihm ehmals,
da er noch keine ſchlimmere Leute kannte, ſchwarz vorge-

kommen
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[242/0244] Agathon. zweydeutiges Licht auf die Enthaltſamkeit unſers Helden und die Treue der ſchoͤnen Bacchidion zu werfen ſchienen. Dieſer Miniſter fand vermuthlich die Abſichten ſeines Herrn auf ſeine tugendhafte Gemahlin ſo rein und un- ſchuldig, daß es anſtoͤſſig, und laͤcherlich geweſen waͤre, uͤber die Freundſchaft, womit er ſie beehrte, eiferſuͤch, tig zu ſeyn. Ein taͤglicher Zuwachs der koͤniglichen Gunſt rechtfertigte und belohnte eine ſo edelmuͤthige Ge- faͤlligkeit. Timocrat fand bey dieſen Umſtaͤnden Gelegen- heit, ſich gleichfalls wieder in das alte Vertrauen zu ſezen; und beyde vereinigten ſich nunmehr mit der triumphiren- den Cleoniſſa, den Fall unſers Helden deſto eifriger zu beſchleunigen, je mehr ſie ihn mit Verſicherungen ihrer Freundſchaft uͤberhaͤuften. Wir haben in dieſem und dem vorigen Capitel ein ſo merkwuͤrdiges Beyſpiel geſehen, (und wollte Gott! dieſe Beyſpiele kaͤmen uns nicht ſo oft im Leben ſelbſt vor) wie leicht es iſt, einem laſterhaften Character, einer ſchwarzen, haſſenswuͤrdigen Seele, den Anſtrich der Tugend zu geben. Agathon erfuhr nunmehr, daß es eben ſo leicht iſt, die reineſte Tugend mit verhaßten Farben zu uͤberſudeln. Er hatte dieſes zu Athen ſchon erfahren; aber bey der Vergleichung die er zwiſchen jenem Fall und ſeinem izigen anſtellte, ſchienen ihm ſeine Athenienſiſche Feinde, im Gegenſaz mit den veraͤchtli- chen Creaturen, denen er ſich nun auf ein mal aufge- opfert ſah, ſo weiß zu werden, als ſie ihm ehmals, da er noch keine ſchlimmere Leute kannte, ſchwarz vorge- kommen

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/244>, abgerufen am 27.11.2024.