in dem Gegenstande seiner Anbetung beleidigten Liebha- bers wegen des zweydeutigen Tons zu Rede, womit er sich anmasse, von einer Person wie Danae zu sprechen; und sein Unwille sowohl als seine Verwirrung stieg auf den äussersten Grad, da ein Satyr-mässiges Gelächter die ganze Antwort des Hippias war.
Es ist so leicht voraus zu sehen, was für einen Aus- gang diese Scene nehmen mußte, daß wir nach allem was von den Absichten des Sophisten bereits gesagt wor- den ist, den Leser seiner eignen Einbildung überlassen können. Ungeduldige Fragen auf der einen -- Aus- flüchte und schalkhafte Wendungen auf der andern Seite; bis sich Hippias auf vieles Zureden endlich das Geheim- niß des wahren Standes der schönen Danae, und der- jenigen Anecdoten, welche wir (wiewol aus unschul- digern Absichten) unsern Lesern schon im dritten Capi- tel des vierten Buches verrathen haben, mit einer Ge- walt, welcher seine vorgebliche Freundschaft für Agathon nicht widerstehen konnte, abnöthigen ließ.
Wir haben schon bemerkt, wie viel es bey Erzäh- lung einer Begebenheit auf die Absicht des Erzählers an- komme, und wie verschieden die Wendungen seyen, welche sie durch die Verschiedenheit derselben erhält. Danae erzählte ihre Geschichte mit der unschuldigen Ab- sicht zu gefallen. Sie sah natürlicher Weise ihre Auf- führung, ihre Schwachheiten, ihre Fehltritte selbst in
einem
Agathon.
in dem Gegenſtande ſeiner Anbetung beleidigten Liebha- bers wegen des zweydeutigen Tons zu Rede, womit er ſich anmaſſe, von einer Perſon wie Danae zu ſprechen; und ſein Unwille ſowohl als ſeine Verwirrung ſtieg auf den aͤuſſerſten Grad, da ein Satyr-maͤſſiges Gelaͤchter die ganze Antwort des Hippias war.
Es iſt ſo leicht voraus zu ſehen, was fuͤr einen Aus- gang dieſe Scene nehmen mußte, daß wir nach allem was von den Abſichten des Sophiſten bereits geſagt wor- den iſt, den Leſer ſeiner eignen Einbildung uͤberlaſſen koͤnnen. Ungeduldige Fragen auf der einen — Aus- fluͤchte und ſchalkhafte Wendungen auf der andern Seite; bis ſich Hippias auf vieles Zureden endlich das Geheim- niß des wahren Standes der ſchoͤnen Danae, und der- jenigen Anecdoten, welche wir (wiewol aus unſchul- digern Abſichten) unſern Leſern ſchon im dritten Capi- tel des vierten Buches verrathen haben, mit einer Ge- walt, welcher ſeine vorgebliche Freundſchaft fuͤr Agathon nicht widerſtehen konnte, abnoͤthigen ließ.
Wir haben ſchon bemerkt, wie viel es bey Erzaͤh- lung einer Begebenheit auf die Abſicht des Erzaͤhlers an- komme, und wie verſchieden die Wendungen ſeyen, welche ſie durch die Verſchiedenheit derſelben erhaͤlt. Danae erzaͤhlte ihre Geſchichte mit der unſchuldigen Ab- ſicht zu gefallen. Sie ſah natuͤrlicher Weiſe ihre Auf- fuͤhrung, ihre Schwachheiten, ihre Fehltritte ſelbſt in
einem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0022"n="20"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Agathon</hi>.</hi></fw><lb/>
in dem Gegenſtande ſeiner Anbetung beleidigten Liebha-<lb/>
bers wegen des zweydeutigen Tons zu Rede, womit er<lb/>ſich anmaſſe, von einer Perſon wie Danae zu ſprechen;<lb/>
und ſein Unwille ſowohl als ſeine Verwirrung ſtieg auf<lb/>
den aͤuſſerſten Grad, da ein Satyr-maͤſſiges Gelaͤchter<lb/>
die ganze Antwort des Hippias war.</p><lb/><p>Es iſt ſo leicht voraus zu ſehen, was fuͤr einen Aus-<lb/>
gang dieſe Scene nehmen mußte, daß wir nach allem<lb/>
was von den Abſichten des Sophiſten bereits geſagt wor-<lb/>
den iſt, den Leſer ſeiner eignen Einbildung uͤberlaſſen<lb/>
koͤnnen. Ungeduldige Fragen auf der einen — Aus-<lb/>
fluͤchte und ſchalkhafte Wendungen auf der andern Seite;<lb/>
bis ſich Hippias auf vieles Zureden endlich das Geheim-<lb/>
niß des wahren Standes der ſchoͤnen Danae, und der-<lb/>
jenigen Anecdoten, welche wir (wiewol aus unſchul-<lb/>
digern Abſichten) unſern Leſern ſchon im dritten Capi-<lb/>
tel des vierten Buches verrathen haben, mit einer Ge-<lb/>
walt, welcher ſeine vorgebliche Freundſchaft fuͤr Agathon<lb/>
nicht widerſtehen konnte, abnoͤthigen ließ.</p><lb/><p>Wir haben ſchon bemerkt, wie viel es bey Erzaͤh-<lb/>
lung einer Begebenheit auf die Abſicht des Erzaͤhlers an-<lb/>
komme, und wie verſchieden die Wendungen ſeyen,<lb/>
welche ſie durch die Verſchiedenheit derſelben erhaͤlt.<lb/>
Danae erzaͤhlte ihre Geſchichte mit der unſchuldigen Ab-<lb/>ſicht zu gefallen. Sie ſah natuͤrlicher Weiſe ihre Auf-<lb/>
fuͤhrung, ihre Schwachheiten, ihre Fehltritte ſelbſt in<lb/><fwplace="bottom"type="catch">einem</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[20/0022]
Agathon.
in dem Gegenſtande ſeiner Anbetung beleidigten Liebha-
bers wegen des zweydeutigen Tons zu Rede, womit er
ſich anmaſſe, von einer Perſon wie Danae zu ſprechen;
und ſein Unwille ſowohl als ſeine Verwirrung ſtieg auf
den aͤuſſerſten Grad, da ein Satyr-maͤſſiges Gelaͤchter
die ganze Antwort des Hippias war.
Es iſt ſo leicht voraus zu ſehen, was fuͤr einen Aus-
gang dieſe Scene nehmen mußte, daß wir nach allem
was von den Abſichten des Sophiſten bereits geſagt wor-
den iſt, den Leſer ſeiner eignen Einbildung uͤberlaſſen
koͤnnen. Ungeduldige Fragen auf der einen — Aus-
fluͤchte und ſchalkhafte Wendungen auf der andern Seite;
bis ſich Hippias auf vieles Zureden endlich das Geheim-
niß des wahren Standes der ſchoͤnen Danae, und der-
jenigen Anecdoten, welche wir (wiewol aus unſchul-
digern Abſichten) unſern Leſern ſchon im dritten Capi-
tel des vierten Buches verrathen haben, mit einer Ge-
walt, welcher ſeine vorgebliche Freundſchaft fuͤr Agathon
nicht widerſtehen konnte, abnoͤthigen ließ.
Wir haben ſchon bemerkt, wie viel es bey Erzaͤh-
lung einer Begebenheit auf die Abſicht des Erzaͤhlers an-
komme, und wie verſchieden die Wendungen ſeyen,
welche ſie durch die Verſchiedenheit derſelben erhaͤlt.
Danae erzaͤhlte ihre Geſchichte mit der unſchuldigen Ab-
ſicht zu gefallen. Sie ſah natuͤrlicher Weiſe ihre Auf-
fuͤhrung, ihre Schwachheiten, ihre Fehltritte ſelbſt in
einem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/22>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.