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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Zehentes Buch, zweytes Capitel.
baren Glükseligkeit emporschwang, welche unverdienter
Weise, der Gegenstand der Bewunderung aller kleinen,
und des Neides aller zugleich boßhaften Seelen zu seyn
pflegt: So müssen wir gestehen, daß diese lannische un-
erklärbare Macht, welche man Glük oder Zufall nennt,
den wenigsten Antheil daran hatte. Die Verdienste,
die er sich in so kurzer Zeit um den Prinzen sowol als
die Nation machte, die Beruhigung Siciliens, das be-
sestigte Ansehen von Syracus, die Verschönerung die-
ser Hauptstadt, die Verbesserung ihrer Policey, die Be-
lebung der Künste und Gewerbe, und die allgemeine
Zuneigung, welche er einer vormals verabscheueten Re-
gierung zuwandte -- alles dieses legte ein unverwerfli-
ches Zeugniß für die Weisheit seiner Staats-Verwaltung
ab; und da alle diese Verdienste durch die Uneigennüzig-
keit und Regelmässigkeit seines Betragens in ein Licht
gestellt wurden, welches keine Mißdeutung zu zulassen
schien; so blieb seinen heimlichen Feinden, ohne die un-
gewisse Hülfe irgend eines Zufalls, von dem sie selbst
noch keine Vorstellung hatten, wenig Hofnung übrig, ihn
so bald wieder zu stürzen, als sie es für ihre Privat-
Absichten wünschen mochten.

Die heimlichen Feinde Agathons -- wie konnte ein
Mann, der sich so untadelich betrug, und um jeder-
mann Gutes verdiente, Feinde haben? -- werden die-
jenige vielleicht denken, welche bey Gelegenheit, zu ver-
gessen scheinen, daß der weise Mann nothwendig alle
Narren, und der Rechtschaffene, unvermeidlicher Weise,

alle
O 3

Zehentes Buch, zweytes Capitel.
baren Gluͤkſeligkeit emporſchwang, welche unverdienter
Weiſe, der Gegenſtand der Bewunderung aller kleinen,
und des Neides aller zugleich boßhaften Seelen zu ſeyn
pflegt: So muͤſſen wir geſtehen, daß dieſe lanniſche un-
erklaͤrbare Macht, welche man Gluͤk oder Zufall nennt,
den wenigſten Antheil daran hatte. Die Verdienſte,
die er ſich in ſo kurzer Zeit um den Prinzen ſowol als
die Nation machte, die Beruhigung Siciliens, das be-
ſeſtigte Anſehen von Syracus, die Verſchoͤnerung die-
ſer Hauptſtadt, die Verbeſſerung ihrer Policey, die Be-
lebung der Kuͤnſte und Gewerbe, und die allgemeine
Zuneigung, welche er einer vormals verabſcheueten Re-
gierung zuwandte ‒‒ alles dieſes legte ein unverwerfli-
ches Zeugniß fuͤr die Weisheit ſeiner Staats-Verwaltung
ab; und da alle dieſe Verdienſte durch die Uneigennuͤzig-
keit und Regelmaͤſſigkeit ſeines Betragens in ein Licht
geſtellt wurden, welches keine Mißdeutung zu zulaſſen
ſchien; ſo blieb ſeinen heimlichen Feinden, ohne die un-
gewiſſe Huͤlfe irgend eines Zufalls, von dem ſie ſelbſt
noch keine Vorſtellung hatten, wenig Hofnung uͤbrig, ihn
ſo bald wieder zu ſtuͤrzen, als ſie es fuͤr ihre Privat-
Abſichten wuͤnſchen mochten.

Die heimlichen Feinde Agathons ‒‒ wie konnte ein
Mann, der ſich ſo untadelich betrug, und um jeder-
mann Gutes verdiente, Feinde haben? ‒‒ werden die-
jenige vielleicht denken, welche bey Gelegenheit, zu ver-
geſſen ſcheinen, daß der weiſe Mann nothwendig alle
Narren, und der Rechtſchaffene, unvermeidlicher Weiſe,

alle
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[213/0215] Zehentes Buch, zweytes Capitel. baren Gluͤkſeligkeit emporſchwang, welche unverdienter Weiſe, der Gegenſtand der Bewunderung aller kleinen, und des Neides aller zugleich boßhaften Seelen zu ſeyn pflegt: So muͤſſen wir geſtehen, daß dieſe lanniſche un- erklaͤrbare Macht, welche man Gluͤk oder Zufall nennt, den wenigſten Antheil daran hatte. Die Verdienſte, die er ſich in ſo kurzer Zeit um den Prinzen ſowol als die Nation machte, die Beruhigung Siciliens, das be- ſeſtigte Anſehen von Syracus, die Verſchoͤnerung die- ſer Hauptſtadt, die Verbeſſerung ihrer Policey, die Be- lebung der Kuͤnſte und Gewerbe, und die allgemeine Zuneigung, welche er einer vormals verabſcheueten Re- gierung zuwandte ‒‒ alles dieſes legte ein unverwerfli- ches Zeugniß fuͤr die Weisheit ſeiner Staats-Verwaltung ab; und da alle dieſe Verdienſte durch die Uneigennuͤzig- keit und Regelmaͤſſigkeit ſeines Betragens in ein Licht geſtellt wurden, welches keine Mißdeutung zu zulaſſen ſchien; ſo blieb ſeinen heimlichen Feinden, ohne die un- gewiſſe Huͤlfe irgend eines Zufalls, von dem ſie ſelbſt noch keine Vorſtellung hatten, wenig Hofnung uͤbrig, ihn ſo bald wieder zu ſtuͤrzen, als ſie es fuͤr ihre Privat- Abſichten wuͤnſchen mochten. Die heimlichen Feinde Agathons ‒‒ wie konnte ein Mann, der ſich ſo untadelich betrug, und um jeder- mann Gutes verdiente, Feinde haben? ‒‒ werden die- jenige vielleicht denken, welche bey Gelegenheit, zu ver- geſſen ſcheinen, daß der weiſe Mann nothwendig alle Narren, und der Rechtſchaffene, unvermeidlicher Weiſe, alle O 3

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/215>, abgerufen am 24.11.2024.