Sympathie ihrer Seelen, und die fast vergötternde Wonne, welche er in ihrer Liebe geniesse, aus, daß man entweder die Boßheit eines Hippias oder die freund- schaftliche Hartherzigkeit eines Mentors haben mußte, um fähig zu seyn, ihn einem so beglükenden Jrrthum zu entreissen.
Die Reizungen der schönen Danae sind zu bekannt, versezte der Sophist, und ihre Vorzüge in diesem Stüke werden sogar von ihrem eigenen Geschlecht so allgemein eingestanden, daß Lais selbst, welche den Ruhm hat, daß die Edelsten der Griechen und die Fürsten ausländi- scher Nationen den Preiß ihrer Nächte in die Wette stei- gern, lächerlich seyn würde, wenn sie sich einfallen las- sen wollte, mit ihr um den Preiß der Liebenswürdig- keit zu streiten. Aber daß sie jemals die Ehre haben würde, eine so ehrwürdige, so metaphysische, so über alles was sich denken läßt erhabene Liebe einzuflös- sen -- daß der Macht ihrer Reizungen noch dieses Wunder aufbehalten sey, das einzige welches ihr noch abgieng -- das hätte sich in der That niemand träu- men lassen können, ohne sich selbst über einen solchen Einfall zu belachen.
Hier gieng unserm Helden, welcher die boßhafte Ver- gleichung mit der Corinthischen Lais schon auf die be- fremdlichste Art ärgerlich gefunden hatte, die Geduld gänzlich aus. Er sezte den Sophisten mit aller Hize eines
in
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Achtes Buch, zweytes Capitel.
Sympathie ihrer Seelen, und die faſt vergoͤtternde Wonne, welche er in ihrer Liebe genieſſe, aus, daß man entweder die Boßheit eines Hippias oder die freund- ſchaftliche Hartherzigkeit eines Mentors haben mußte, um faͤhig zu ſeyn, ihn einem ſo begluͤkenden Jrrthum zu entreiſſen.
Die Reizungen der ſchoͤnen Danae ſind zu bekannt, verſezte der Sophiſt, und ihre Vorzuͤge in dieſem Stuͤke werden ſogar von ihrem eigenen Geſchlecht ſo allgemein eingeſtanden, daß Lais ſelbſt, welche den Ruhm hat, daß die Edelſten der Griechen und die Fuͤrſten auslaͤndi- ſcher Nationen den Preiß ihrer Naͤchte in die Wette ſtei- gern, laͤcherlich ſeyn wuͤrde, wenn ſie ſich einfallen laſ- ſen wollte, mit ihr um den Preiß der Liebenswuͤrdig- keit zu ſtreiten. Aber daß ſie jemals die Ehre haben wuͤrde, eine ſo ehrwuͤrdige, ſo metaphyſiſche, ſo uͤber alles was ſich denken laͤßt erhabene Liebe einzufloͤſ- ſen — daß der Macht ihrer Reizungen noch dieſes Wunder aufbehalten ſey, das einzige welches ihr noch abgieng — das haͤtte ſich in der That niemand traͤu- men laſſen koͤnnen, ohne ſich ſelbſt uͤber einen ſolchen Einfall zu belachen.
Hier gieng unſerm Helden, welcher die boßhafte Ver- gleichung mit der Corinthiſchen Lais ſchon auf die be- fremdlichſte Art aͤrgerlich gefunden hatte, die Geduld gaͤnzlich aus. Er ſezte den Sophiſten mit aller Hize eines
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[19/0021]
Achtes Buch, zweytes Capitel.
Sympathie ihrer Seelen, und die faſt vergoͤtternde
Wonne, welche er in ihrer Liebe genieſſe, aus, daß
man entweder die Boßheit eines Hippias oder die freund-
ſchaftliche Hartherzigkeit eines Mentors haben mußte,
um faͤhig zu ſeyn, ihn einem ſo begluͤkenden Jrrthum zu
entreiſſen.
Die Reizungen der ſchoͤnen Danae ſind zu bekannt,
verſezte der Sophiſt, und ihre Vorzuͤge in dieſem Stuͤke
werden ſogar von ihrem eigenen Geſchlecht ſo allgemein
eingeſtanden, daß Lais ſelbſt, welche den Ruhm hat,
daß die Edelſten der Griechen und die Fuͤrſten auslaͤndi-
ſcher Nationen den Preiß ihrer Naͤchte in die Wette ſtei-
gern, laͤcherlich ſeyn wuͤrde, wenn ſie ſich einfallen laſ-
ſen wollte, mit ihr um den Preiß der Liebenswuͤrdig-
keit zu ſtreiten. Aber daß ſie jemals die Ehre haben
wuͤrde, eine ſo ehrwuͤrdige, ſo metaphyſiſche, ſo uͤber
alles was ſich denken laͤßt erhabene Liebe einzufloͤſ-
ſen — daß der Macht ihrer Reizungen noch dieſes
Wunder aufbehalten ſey, das einzige welches ihr noch
abgieng — das haͤtte ſich in der That niemand traͤu-
men laſſen koͤnnen, ohne ſich ſelbſt uͤber einen ſolchen
Einfall zu belachen.
Hier gieng unſerm Helden, welcher die boßhafte Ver-
gleichung mit der Corinthiſchen Lais ſchon auf die be-
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/21>, abgerufen am 16.02.2025.
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